Die "Tagespresse" sieht in ÖVP-Politiker Andreas Hanger einen Mitstreiter im Kampf gegen zu hohe Ausgaben für Regierungswerbung.

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Wien – Die "Tagespresse" kommt ihrem Ziel einen Schritt näher, das Geld aus Regierungswerbung wieder in die Staatskasse fließen zu lassen. Wie berichtet, klagt das Satireportal den ÖVP-Politiker Andreas Hanger wegen unlauteren Wettbewerbs. Der Grund? Hanger werde für die "Tagespresse" zur immer härteren Konkurrenz und führe das Publikum in die Irre, indem er sich als Politiker geriere. In Wirklichkeit sei er aber ein Satiriker. Hanger hat jetzt auf die Klage reagiert. Sein Anwalt Werner Suppan von der Kanzlei Suppan, Spiegl, Zeller legt dem Handelsgericht Wien auf neun Seiten dar, warum der Antrag auf einstweilige Verfügung abzuweisen sei. Für eine Antwort auf die Klage hat er noch zwei Wochen Zeit.

Die "Tagespresse" möchte Hanger per einstweiliger Verfügung verbieten, als Politiker aufzutreten. Er solle, um Missverständnisse zu vermeiden, klarstellen, dass es sich bei seinen Aussagen um Satire handle. Weiters soll er "bei sämtlichen öffentlichen Auftritten durch das ständige Tragen eines Ansteckers mit einem Mindestradius von 3 cm bzw. einer Seitenlänge von 4 cm mit der über die gesamte Breite dieses Ansteckers gehenden Aufschrift 'Satiriker'" auftreten, heißt es in der Klagsschrift der "Tagespresse".

"Allenfalls unterhaltsam, aber abzuweisen"

ÖVP-Anwalt Suppan argumentiert, dass der Sachverhalt und politisches Handeln nicht in den Anwendungsbereich des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb fallen. "Die Klage bzw. der gegenständliche Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ist aus diesem – und anderen – Gründen daher zwar allenfalls unterhaltsam, aber abzuweisen", heißt es. Es könne "außer Streit" gestellt werden, dass Hanger ein Politiker sei. Der türkise Fraktionsführer im Ibiza-Untersuchungsausschuss sitzt seit 2013 für die ÖVP im Nationalrat.

Hanger liefert Stoff für Satire

Um die Argumentation zu untermauern, führt die "Tagespresse" in ihrer Klage OTS-Aussendungen Hangers an. Sie hätten einen satirischen Charakter. Und: "Sie sind dazu geeignet, durch Zuspitzung, Ironie oder Übertreibung eine Persiflage der Realität herzustellen." Suppans Replik: "Die bloße Aufzählung von APA-OTS-Meldungen und die pauschale Bezeichnung als Publikationen im satirischen Sinne genügt zwar allenfalls dem Erfordernis des gewünschten Unterhaltungswerts, allerdings nicht den Anforderungen an eine schlüssige Klage." Weiters sei auch kein wirtschaftlicher Schaden für die "Tagespresse" erkennbar. Ganz im Gegenteil: Hanger liefere der klagenden Partei "Substrat für Veröffentlichungen".

Käme einer Zensur gleich

Suppan verweist in seiner Beantwortung, die dem STANDARD vorliegt, auf das verfassungsrechtlich verankerte Recht auf Meinungsäußerung: "Paradoxerweise fordert die klagende Partei als 'Österreichs seriöseste Onlinezeitung' (Punkt 1.2.1 der Klage) die Einschränkung der Meinungsäußerungs- und Kunstfreiheit, zwei wesentliche, von ihr selbst vertretene und in Anspruch genommene Grundrechte." Gerade bei Abgeordneten sei die Ausübung ihres Mandats "unter nicht zu beschneidender Meinungsäußerungsfreiheit elementar für das Funktionieren einer Demokratie". Die Berufsausübung dürfe keinen Schranken unterliegen, "die einer Zensur gleichkommen".

Geld aus Regierungswerbung

Die Klage fußt auf 712,58 Euro an Werbegeld durch Regierungsanzeigen, die die "Tagespresse" in den letzten Monaten über ihr Werbenetzwerk erhalten hat – vor allem von ÖVP-geführten Ministerien. Das Satireportal wolle das Geld nicht behalten, da es die exzessiven Ausgaben für Regierungswerbung immer kritisiert habe, erklärte "Tagespresse"-Gründer Fritz Jergitsch die Beweggründe. Die Gerichtskosten betragen 792 Euro – auf diese Weise werde das Geld den Steuerzahlern retourniert.

Dieser Wunsch, das Geld an die Staatskasse zu refundieren, sei der "Tagesspresse" unbenommen, führt ÖVP-Anwalt Suppan aus. Es stelle sich die Frage, "ob der Umstand, dass durch die gegenständliche Klage, deren Abweisung der klagenden Partei offenbar sehr wahrscheinlich erscheint (und eigentlich erklärtes Ziel ist – siehe oben), nicht nur Ressourcen der beklagten Partei, sondern vor allem auch der Gerichte, die ohnehin ausreichend Arbeit hätten, gebunden werden, ebenso beabsichtigt ist oder bloßer 'Nebeneffekt'."

"Tagespresse" sieht in Hanger einen Mitstreiter

"Tagespresse"-Gründer Jergitsch sagt dazu: "Andreas Hanger stimmt uns in seiner Replik zu. Genauso wie wir ist er der Meinung, dass die 712,58 EUR, die wir durch Regierungsinserate erhalten haben, an den Steuerzahler zurückgezahlt werden müssen. Detailliert und akribisch argumentiert er auf neun Seiten, wieso er kein Satiriker ist, und fordert das Gericht auf, den Fall schnellstmöglich zu schließen, um das Steuergeld umgehend in die Staatskassen zurückzuleiten."

Die "Tagespresse" freue sich, "in Herrn Hanger einen mutigen Mitstreiter im Kampf gegen die Korrumpierung von Medien gewonnen zu haben. Beeindruckt von seinem widerständigen Geist, seiner igel-, wenn nicht gar bärenhaften Courage, sich offen gegen die eigene Partei zu stellen, verneigen wir uns ehrfürchtig." Jergitsch: "Während seine Parteikollegen Medien in ein Abhängigkeitsverhältnis treiben wollen, prangert er dieses mit uns an. Wir haben in ihm einen tapferen Kollegen gefunden, denn was ist denn Satire anderes, als den Mächtigen den Spiegel vorzuhalten, sie mit eigenen Mitteln zu schlagen?"

"Handshake oder zumindest Fistbump"

"Wir freuen uns bereits jetzt auf ein gemeinsames Kennenlernen beim Gerichtsprozess, hoffen auf einen Handshake oder zumindest Fistbump, in dem auch entschieden wird, ob er tatsächlich ein Satiriker ist und ein 3 x 4 cm großes 'Satiriker'-Schild tragen muss", so Jergitsch.

Nach der Replik auf den Antrag auf einstweilige Verfügung hat Hanger jetzt noch zwei Wochen Zeit, um auf die Klage mit dem Gesamtstreitwert von 35.000 Euro zu reagieren. Danach entscheidet das Handelsgericht, ob die Klage abgewiesen wird oder ob es zu einer Verhandlung kommt. (Oliver Mark, 20.8.2021)