Zurückgetretene Ministerinnen und Minister säumen seinen Weg: Plagiatsjäger Stefan Weber.

Foto: Joachim Bergauer / Stefan Weber

Super ist das. Während allerorten das kulturpessimistische Lamento angestimmt wird, die Leute könnten vor lauter Handy-Schauen nicht mehr lesen und schreiben, beweist ein Berufsstand tagtäglich, wie sehr ihm das Kulturgut Buch am Herzen liegt. Kaum ein Politiker will darauf verzichten, dass seine Worte der Weisheit in gebundener Form publiziert werden. Wieso sich mit grindigen Tweets zufriedengeben, wo es doch bildschöne Buchdeckel gibt?

Einige können ja auch gut schreiben. Die Selbstgerechten von Frau Wagenknecht sind zum Beispiel pfiffig verfasst und unbedingt lesenswert. Vifere Politiker, die ihren eigenen Schreibfähigkeiten misstrauen, dingen zu diesem Behufe einen Ghostwriter, der hoffentlich Erfahrung hat und ihr Gedankengut manierlich zu Papier bringt.

Weniger vife glauben, schreiben könne eh jeder Koffer, daher sei es ein Luxus, den Umweg über den Ghost zu nehmen. Auf diese Art droht man aber in die Bredouille zu kommen. Denn wenn schon beim Verfassen von Seite vier oder fünf der Gedankenvorrat merklich ausdünnt, wächst die Versuchung, sich links und rechts ein paar Textbrocken zusammenzuklau(b)en, was wieder die Gefahr in sich birgt, dass einem der listenreiche Herr Weber auf die Schliche kommt, sobald er seine Software über den Text laufen lässt. Gefährlich ist auch, wenn ihm wissenschaftliche Arbeiten in die Finger geraten: zurückgetretene Ministerinnen und Minister säumen Webers Weg.

Moment völliger Überforderung

Das eigentlich Traurige an der Sache ist, dass bei den Politikern, die mit ein paar klammheimlichen Entlehnungen über ihre Schmähstadheit hinwegtäuschen wollen, nicht nur Denkfaulheit und mangelnder Respekt vor geistigem Eigentum im Spiel sind. Das womöglich auch, aber es zeigt sich zudem ein Moment völliger Überforderung. Die Probleme der Zeit lassen die Politik alt aussehen.

Globale Flüchtlingskrise, Erderhitzung, jetzt Afghanistan – wie wir aus diesen Nummern halbwegs unbeschadet herauskommen, bleibt ein Rätsel. Vielleicht simulieren viele Politiker nur noch aus alter Gewohnheit Tatkraft und eine Ich-weiß-wo-es-langgeht-Attitüde, während sie insgeheim schon längst vor den Herausforderungen kapituliert haben. Dass es einem angesichts dieses Spagats die Sprache verschlagen könnte, nähme einen ja auch nicht wunder. (Christoph Winder, 22.8.2021)