Die Synagoge am Fraenkelufer (damals Thielschufer) im September 1945 während des ersten Gottesdienstes nach der Befreiung, vermutlich von Henry Ries fotografiert. Hinten links im Eck wird Robert Capa vermutet.

Foto: Centrum Judaicum Berlin

Robert Capa machte das Foto von Gerhard Cohn und Werner Nathan.

Foto: ICP / Robert Capa

Drei Frauen sitzen in Mänteln nebeneinander. Ihre Hüte werfen Schatten auf die kahle Wand hinter ihnen. Die Frau links hat die Augen geschlossen, die in der Mitte sieht traurig auf den Boden, in einer Faust hält sie ein Taschentuch. Die dritte Frau hält weinend den Kopf gesenkt, die linke Hand liegt auf ihrer Handtasche, die rechte hält sie über ihren Mund gelegt, als ob sie einen Schmerzensschrei, etwas Unsagbares unterdrücken wollte.

Ich stehe Anfang Juli vor dem Bild in einer Ausstellung in der seit ihrer Renovierung nach dem Mauerfall wieder golden glänzenden Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin. Es ist ein erschütterndes Foto, das einen nicht loslässt, das nur hier in einer aktuellen Ausstellung gezeigt wird und in der Presse nicht abgedruckt werden darf. Gemacht hat es der 1954 verstorbene Fotograf Robert Capa am 9. September 1945 in Berlin. Der Anlass erklärt die tiefe Trauer, die über den drei Frauen liegt.

Sie wohnen dem ersten Gottesdienst nach der NS-Diktatur in einer Synagoge in Berlin bei. Es ist Rosch ha-Schana, das Neujahrsfest, bei dem das Jahr 5706 begrüßt wird. In der Kreuzberger Synagoge Thielschufer, die heute Synagoge Fraenkelufer heißt, betet man um Beistand, Frieden und Glück.

Gebetsschal und Uniform

Die Betenden befinden sich in einem Seitengebäude, in der sogenannten Jugendsynagoge. Denn die eigentliche Synagoge hier am Landwehrkanal wurde in der Pogromnacht 1938 zerstört. Zwischen mageren und erschöpft aussehenden Juden und Jüdinnen, die entweder Konzentrationslager oder Jahre des versteckten Lebens bei Berliner Bürgern und Bürgerinnen überlebt haben, stehen und sitzen auch US-Soldaten.

Etwa der Gefreite Werner Nathan, der einen Gebetsschal über seine Uniformjacke gelegt hat und die Thorarolle vor sich hochhält. Als das Totengebet gesprochen wird, in dem man der Verstorbenen gedenkt, beginnen viele Menschen zu schluchzen. Von 160.000 Berliner Juden haben nur rund 7000 den Holocaust überlebt.

Capa, selbst immigrierter Jude aus Ungarn, der auf der Flucht seinen Namen von Endre Ernö Friedmann in Robert Capa änderte, Amerikaner wurde und 1947 mit Henri Cartier-Bresson die legendäre Bildagentur Magnum Photos gründete, war von Juli bis September 1945 für das Magazin Life in Berlin.

Er machte unter anderem eine Reportage über den Schwarzmarkt im Tiergarten und am Brandenburger Tor. Einige Fotos von der dreitägigen Feier in der Synagoge füllten schließlich im Life vom 8. Oktober 1945 mehrere Seiten. "Jewish New Year – American army helps Berlin Jews restore their sacred services" hieß der Bericht.

Ausstellung

Capa hatte im Sommer 1945 auch ein Verhältnis mit der Schauspielerin Ingrid Bergmann. Die Fotos, die er im verwüsteten Berlin machte, werden derzeit – großteils erstmals öffentlich – in der Ausstellung Berlin Sommer/Summer 1945 in der Oranienburger Straße gezeigt. (Das Centrum Judaicum brachte auch einen lesenswerten Katalog dazu heraus.)

Capa war schon 1930 in Berlin, nachdem er vor dem faschistischen Horthy-Regime aus Ungarn geflohen war. Sein (letzter) Besuch 15 Jahre später hinterließ ihn nicht zuversichtlich: "Es gibt nicht viel, worauf sich die Berliner Juden im neuen Jahr freuen können; sie ergeben sich in ihr Schicksal, die letzten Überlebenden ohne Zukunft zu sein" schrieb er.

Nina Peretz aus dem Vorstand der Synagoge sitzt 76 Jahre später im selben Raum am Fraenkelufer.
Foto: Lutz Jäkel

Die Predigt hielt im September 1945 der spätere Rabbiner Martin Riesenburger. In der New York Times, die auch aus der Synagoge berichtete, wird er zitiert. Riesenburger sah die Gemeinde im Ungewissen "zwischen zwei Türen", von denen nur die erste geöffnet wurde. "Ich frage Gott, wohin wir von hier aus gehen sollen."

"Geh weiter, geh weiter": Das habe Gott Abraham, dem Reisenden, immer wieder gesagt, erzählt der Rabbiner Josh Weiner 76 Jahre später mit sanfter, ruhiger Stimme unter einem Partyzelt am Fraenkelufer. "Vor dem großen Unbekannten zu stehen ist immer ein bisschen furchteinflößend", sagt er.

Wieder in Berlin

Es ist ein Freitagabend im August 2021. Während des Gottesdienstes, als die Sonne langsam untergeht und der Schabbat "wie eine Braut" begrüßt wird, prasselt der Regen eine Zeitlang hart auf das Kunststoffdach. Zwischen den trommelnden Wassertropfen hört man das Baruch atah Adonaj (Gepriesen seist Du, ewiger Gott). Wegen Corona wird auf dem Rasen und nicht in jenem Raum, in dem Capas Fotos entstanden, gefeiert. Also genau dort, wo die von den Nazis niedergebrannte Synagoge einst stand. Sie ist noch nicht wiedererrichtet worden. Man feiert seit 1945 in dem bescheidenen Seitengebäude.

Frauen und Männer, die drinnen auf verschiedenen Seiten sitzen würden, mischen sich im Freien auf Klappsesseln durch. Kleine Kinder rennen dazwischen herum, wechseln von Schoß zu Schoß oder rufen plötzlich nach Ima oder Aba, bevor sie ihre Eltern winkend in der Menge entdecken. Alles wirkt sehr entspannt und fröhlich.

Das Foto der drei Frauen hat mich nicht losgelassen, und ich fand heraus, dass es in jener Synagoge aufgenommen wurde, von der ich nur wenige Häuser entfernt wohnte, als ich vor 29 Jahren von Juli bis September in Berlin war. Jetzt, 2021, bin ich als Journalistin wieder im Juli, August und September in Berlin, weil bald der neue Bundestag gewählt wird.

In meiner Berliner Wohnung habe ich kurz überlegt, was man denn für einen Gottesdienst anzieht. Ich entscheide mich für ein schlichtes Kleid. Meine Bedenken waren unbegründet. Frauen in Jeans oder Kleidern aller Art, Männer in Sandalen und Freizeitbekleidung oder Anzügen, viele mit Kippa, doch manche auch mit einem Strohhut oder eine Baseballkappe auf dem Kopf, tratschen um mich herum.

Quiche und Wein

Der provisorische Gebetsraum im Garten hat sich nach dem Gebet in Minuten in ein riesiges Buffet verwandelt. Zwischen Quiche, Fisch, Mehlspeisen, Wein und Traubensaft wird auf Deutsch, Englisch, Französisch und ein bisschen Iwrit geplaudert.

Dann hält Josh Weiner seine Abschiedsrede. Denn nach sieben Jahren in Berlin, wo sich der Mittdreißiger aus England zum Rabbiner ausbilden ließ, zieht er schweren Herzens weiter – zu einer Synagoge in Paris. Er kam nur mit einem Rucksack und verlässt Berlin mit seiner französischen Frau und ihrem gemeinsamen kleinen Kind, erzählt er.

Er tröstet seine Freunde, die hoffen, dass er wiederkommt. Man überreicht ihm eine Tasche mit dem Berliner Stadtplan darauf. Damit er wieder zurückfindet. "Scary" nennt Josh Weiner das Unbekannte, aber: "Alles kann passieren, auch alles Gute." Es liege ein Segen und ein Fluch in jedem Abschied: "Choose the blessing", sagt er, man soll sich für den Segen entscheiden.

Ich muss wieder an die drei Frauen auf Capas Foto denken. Was wurde aus ihnen? Blieben sie in Berlin, oder verließen sie wie viele andere das Land, in dem sie nach dem Holocaust nicht mehr glücklich werden konnten? Lange bevor andere in die Stadt kamen, um hier ihr Glück zu finden.

Philosophie Masorti

Am Zacharias Frankel College, wo Josh Weiner zum Rabbiner ausgebildet wurde, ist Sandra Anusiewicz-Baer Koordinatorin. (Frankel hat nichts mit dem ähnlich klingenden Fraenkelufer zu tun.) Die aus Dresden stammende herzliche Gelehrte, die ihre Jugend in der DDR verbrachte, erzählt mir am Buffet von der Auslegung des Judentums, die bei ihr gelehrt wird, von der Philosophie Masorti. Die hat ihre Wurzeln beim Rabbiner Zacharias Frankel, der 1854 in Breslau ein Seminar gründete. Man bezeichnet sich als "konservativ", in der Mitte zwischen orthodoxen und liberalen Juden und Jüdinnen.

Man betet auf Hebräisch und nicht in der ortsüblichen Sprache. Doch diese Strömung war immer progressiv, auf der Suche nach einem Weg, "der Tradition und Pragmatismus verbindet", erzählt Anusiewicz-Baer, die Erziehungswissenschaften, Judaistik und Islamwissenschaften in Berlin und Haifa studiert hat. Die Masorti sind egalitär, Frauen können auch Rabbinerinnen werden. Sie kommen vor allem in der Synagoge Oranienburger Straße, wo Capas Bilder gezeigt werden, zusammen.

Dort, in der großen "Neuen Synagoge", die 1866 eingeweiht wurde und ganz anders als jene am Fraenkelufer durch ihre prächtige orientalische Architektur jedem Passanten auffällt, gibt es auch eine Dauerausstellung des dort beheimateten Centrum Judaicum.

50 Berliner Wiener

Als interessierte Österreicherin kann man hier zum Beispiel erfahren, dass rund 50 aus Wien geflohene Juden 1671 die jüdische Gemeinde Berlin gegründet haben. Angesichts der 1700 Jahre jüdischen Lebens, das in Deutschland heuer gefeiert wird, wirkt das gar nicht so lange her, doch die Berliner Juden hatten später eine besonders florierende Gemeinde.

Die erste Rabbinerin der Welt, die Berlinerin Regina Jonas.
Foto: Centrum Judaicum Berlin

Die Neue Synagoge, von Eduard Knoblauch und Friedrich August Stüler erbaut, bot 3000 Menschen Platz und wurde auch als Veranstaltungsort genutzt. Bilder aus einem Zeitungsartikel zeigen ein Konzert von 20. Februar 1930, bei dem auch ein Herr mit dichten Locken unter seiner Kippa Geige spielt: Albert Einstein.

Eine erstaunliche Frau brachte die jüdische Gemeinde hervor: Regina Jonas, die erste Rabbinerin der Welt. Sie durfte ihr Amt zwar nicht offiziell ausüben, hatte aber die Ausbildung bei Rabbinern absolviert und hielt auch Predigten und Jugendandachten und arbeitete in der Seelsorge.

Verschollener Brief

"Ich bin keine Anhängerin der Ansicht, Frau solle nur zu Frau und umgekehrt sprechen, denn wie der Mann der Seele der Frau etwas bieten kann, so auch umgekehrt, und wenn ich mir das erlauben darf zu sagen, ein Zeugnis bestätigte meine bescheidene Meinung", schrieb Jonas im Dezember 1938 in einem Brief an den Philosophen Martin Buber.

Buber lebte bereits im Exil in Jerusalem. Der Brief wurde erst 2017 von der Israelischen Nationalbibliothek veröffentlicht. Bisher glaubte man, Jonas wollte nicht fliehen, doch tatsächlich bittet sie Buber in dem Brief um einen Job in Jerusalem, wohin sie mit ihrer Mutter fliehen wollte. Sie wurde 1944 in Auschwitz-Birkenau im Alter von 42 Jahren ermordet.

"Ich möchte mit an dem Tisch sitzen, wo geredet wird und Entscheidungen getroffen werden. Mit den Männern", erzählt mir Karen Engel im August 2021 in einem jüdischen Café im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf. Sie meldete sich zufällig am Abend, nachdem ich erstmals von Regina Jonas gelesen hatte.

Auslandssemester in Israel

Wir hatten uns Jahre nicht gesehen, und ich wusste nicht, dass sie seit 2017 in Berlin lebt und hier für das Rabbinat studiert. Die Kalifornierin stammt aus einer nicht religiösen, säkularen Familie und hatte wie ich lange mit ihrem mittlerweile verstorbenen Mann und ihren Töchtern in Graz gelebt. Dort hatte die Radiojournalistin den Kulturverein der Grazer Synagoge aufgebaut.

Deutsch lernte sie schon als junge Frau. "Ich wollte 1980 ein sozialdemokratisch regiertes Land kennenlernen und habe in Wien Geschichte studiert, aber ich war schockiert, wie konservativ Österreich war", erinnert sie sich. In Berlin studierte sie dann ein Jahr am Otto-Suhr-Institut der Freien Uni Berlin und jobbte als Kellnerin und Putzfrau in einer marxistischen Buchhandlung.

Sie fand erst später zur Religion und kam vor vier Jahren nicht wegen der Stadt zurück nach Berlin, sondern weil sie vom Zacharias Frankel College gehört hatte. Nun ist sie Anfang 60, wirkt immer noch jugendlich neugierig und steht kurz vor einem Auslandssemester in Israel. Seit sie wieder studiert, ist allerdings viel passiert.

Karen Engel, die den Anschlag in Halle erlebte und in Berlin studiert, um Rabbinerin zu werden, vor dem Haus ihrer Großcousine.
Foto: Lutz Jäkel

Karen war am 9. Oktober 2019 in der Synagoge in Halle, als ein Rechtsextremist dort an Jom Kippur ein Massaker anrichten wollte und schließlich Passanten tötete. "Als wir die Schüsse hörten, dachte ich zuerst, da wirft nur jemand Molotowcocktails an die Synagoge. Dann habe ich erst kapiert, was passiert war. Ich habe mir gedacht: Das, was ich aus der Vergangenheit von Schwarz-Weiß-Bildern kenne, ist jetzt in Farbe passiert." Ob sie seither Angst hat? Karen denkt kurz nach und sagt dann: "Eigentlich nicht."

Aufblühende Synagoge

Ihre Familie hatte auch Wurzeln in Berlin. Eine Großcousine lebte in Wilmersdorf in der Bregenzer Straße. Karen zeigt mir ein paar Tage später das Haus von Halina Koninska, die nach London floh und später nach San Francisco ging. In der hübschen, von Bäumen gesäumten Straße liegen Stolpersteine, die an Opfer und Vertriebene der NS-Diktatur erinnern – aber nicht vor Halinas Haus. "Meine Familie mag den Gedanken nicht, dass man auf die Namen steigt", erklärt Karen.

Karen erzählt mir auch von der aufblühenden Synagoge in Kreuzberg, die sich als jene am Fraenkelufer entpuppt. Dass die internationale Gemeinde hier so aktiv ist, hat viel mit einer weiteren Frau zu tun: Nina Peretz, einer zum Judentum konvertierten Deutschen, die erzählt, dass sie zuerst Hebräisch lernte und dann "über die Sprache und die Kultur zur Religion kam".

Dass sie mit ihrem Mann, Dekel Peretz, der aus Israel stammt, gerade am Fraenkelufer landete, war ein Zufall: "Wir leben in Kreuzberg, und diese Synagoge war in der Nähe, aber es gab damals sehr wenige junge Menschen hier." Als ihr dann vor rund zehn Jahren die Frau des Rabbiners sagte: "Wenn ihr nichts macht, stirbt die Gemeinde hier", wurde das Paar aktiv.

Es wird viel diskutiert

Seit 2014 ist Nina Peretz Vorsitzende des Vereins Freunde des Fraenkelufers. Der Verein organisiert Feiern zu allen jüdischen Festen für Familien, bei denen sich auch Kinder wohlfühlen, Sonntagsschulen, gemeinsames Spielen, gemeinsame Abendessen, Freiluftkino und natürlich wöchentliche Schabbatfeiern am Freitag und Morgengebet (Schacharit) am Samstag.

Und es wird viel diskutiert. "Die Community ist sehr divers, wir haben viele Sprachen und viele Meinungen", sagt Peretz. An hohen Festtagen kommen bis zu 250 Menschen in die Synagoge. Während Corona feierte man via Zoom. Seit dem Jahr 2017 ist Nina Peretz gemeinsam mit zwei Männern auch im Vorstand der Synagoge.

Sommerkino bei der Synagoge Fraenkelufer.
Foto: Lutz Jäkel

Das alte Gebäude will man wiederaufbauen und sammelt über den Verein Geld. Am 4. August kündigte Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) an, dass Deutschland 35 Millionen Euro in den Kampf gegen Antisemitismus einerseits und das Sichtbarmachen jüdischen Lebens andererseits stecken will. Hier gebe es Investitionsmöglichkeiten.

Die bunte, vor allem aus Expats bestehende Community in Kreuzberg passt zum Ruf, den Berlin als neue coole Heimat junger Israelis hat. Doch die Anthropologin Dani Kranz, die an der Ben-Gurion-Universität forscht, räumt mit diesem Image im Telefonat mit mir kräftig auf. Darin liege zwar ein Körnchen Wahrheit, es sei aber auch ein "medialer Hype".

Kranz, die auch im Beratungskreis von Felix Klein, dem Beauftragten der deutschen Bundesregierung im Kampf gegen den Antisemitismus und für jüdisches Leben, sitzt, bestätigt zwar, dass Israelis der jüngeren Generation den "Traumaort der Großeltern" zum neuen "Sehnsuchtsort" machten.

Zerrbild und falsche Zahlen

Doch das Narrativ ist auch ein "Zerrbild", das medial wiederholt mit falschen Zahlen bedient werde. "Irgendwann hat jemand von 30.000 Israelis in Berlin geschrieben, und andere Medien haben diese Zahl abgeschrieben", sagt Kranz. Doch sie sei durch simple Statistiken zu widerlegen. Auch Mitgliederstatistiken der jüdischen Gemeinden geben diese Zahl nicht her.

Kranz sieht hier "schlampige Rechnungen und Verwirrung darüber, wer Jude ist". Bei der jüdischen Gemeinde zu Berlin sind rund 8700 Juden gemeldet, wobei sich hier nicht alle, die den jüdischen Glauben praktizieren, melden. Israelis leben tatsächlich etwa 8000 in Berlin, viele davon sind säkular. Und nicht alle suchen die Öffentlichkeit, sondern jene Israelis, die "eine Message" haben, beobachtet Kranz. Etwa Künstler oder Unternehmer.

Statistisch wisse man auch, dass es meist Menschen unter 40 sind, gebildet, weiße Aschkenasim, säkular, moderat bis links. "Sie kommen, weil es hier für Künstler und Geisteswissenschafter gute Stipendien gibt und weil das Leben natürlich stressfreier ist als in Israel", sagt Kranz.

Ein Zerrbild sei das, "weil diese Menschen in Israel eine Minderheit bilden. Aber das liberale Israel-Image, das sie erzeugen, findet in Deutschland ein Begehren". Angst haben die hier lebenden Juden und Jüdinnen übrigens mehr vor Rechtsextremisten als vor Islamisten, sagt Kranz.

Was aus den drei Frauen auf Capas Foto wurde, konnte ich nicht herausfinden. Doch ich fand Frauen, die heute das Judentum in Berlin am Leben erhalten. (Colette M. Schmidt, 21.8.2021)