Musikalische und literarische Auseinandersetzung mit der Identität als Afroamerikanerin: Camae Ayewa.

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Wenn die rappende Musikpoetin Camae Ayewa, die auch unter dem Namen Moor Mother auftritt, heute, Freitag, gegen 23.30 Uhr die Bühne des Jazzfestivals Saalfelden erklimmt, wird sie mit ihren Wortsalven bezüglich der Situation afroamerikanischen Lebens in den USA nichts ganz Neues einbringen. Sie steht gewissermaßen in der Tradition einer Sängerin wie Billie Holiday, die einst mit dem Song Strange Fruit ein melancholisches Mahnmal für die Opfer weißer Lynchjustiz setzte.

Später gab es unter anderem auch Sonny Rollins Freedom Suite oder Abbey Lincolns und Max Roachs We Insist! Freedom Now Suite. Zudem war vieles von dem, was der Free Jazz in den 1960ern herausschrie, eine immer auch politisch konnotierte Äußerung, die auf die Erfahrung sozialer Benachteiligung, verharmlosten Rassismus und von Diskriminierung hinweisen wollte.

Alte Identität

Camae Ayewa, deren Künstlername Moor Mother quasi auf eine uralte, eine prämoderne Identität verweist, geht allerdings auf besondere Art und Weise mit dem Themenkomplex um. Sie recherchiert und reflektiert die Historie ihrer Community und blickt auch in eine idealere Zukunft, in der die Frage der Selbstdefinition zentral ist: "Die meisten glauben, wir begannen mit Sklaverei! Aber wir waren zuvor Forscher", formuliert Ayewa ihren Ansatz.

Diese Form der Identitätssuche ist gebunden an die Bewegung des Afrofuturismus, dem sich Ayewa verpflichtet fühlt. Der Begriff wurde 1993 vom Autor Mark Dery kreiert, um künstlerische und philosophische Bewegungen zu beschreiben, die auf eine Loslösung des Bewusstseins von althergebrachten Narrativen abzielen.

Ayewa gibt diesbezüglich auch unter dem Label DIY Time Travel Workshops, in denen sie Teilnehmern hilft, ihre Zukunft zu imaginieren. "Wie lernen wir aus unserer Vergangenheit das, was wir brauchen, um uns jene Zukunft vorzustellen, die wir ersehnen?", fragt Camae Ayewa.

Im Quartett

Nach Saalfelden kommt die Künstlerin mit der Formation Irreversible Entanglements, was so viel wie "unwiderrufliche Verstrickungen" bedeutet. Mit dem quasi klassischen Jazzquartett reist sie aus Philadelphia an. Trotz einer Umgebung aus Bass, Schlagzeug, Saxofon und Trompete wird Ayewa allerdings wohl kaum obligaten Mainstreamjazz bringen.

Mal sehen. Bisher waren ihre musikalischen Manifestationen auch von Punk-, Industrial- und Funkelementen durchdrungen. Diese Stilpartikel nicht zu Hause zu lassen wäre auch im Sinne eines Jazzfestivals, das immer danach trachten muss, das Neue zu präsentieren, um auch sich selbst zu erneuern. (Ljubiša Tošic, 20.8.2021)