Wien – Die Pandemie hat nicht nur ins Budget ein riesiges Loch gerissen, sondern auch für einen Emissionseinbruch gesorgt: Österreichs Treibhausgasemissionen sind im Vorjahr um 7,7 Prozent gesunken. Das geht aus am Freitag präsentierten Zahlen des Umweltbundesamts hervor. "So einen Sprung hat es überhaupt noch nie gegeben", kommentierte Günther Lichtblau vom Umweltbundesamt die Entwicklung.

Gewessler und Lichtblau bei der Präsentation der aktuellen Zahlen.
Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Ein besonderes "Aha-Erkenntnis" war laut dem Klimaexperten der Emissionsrückgang im Verkehr. In diesem Sektor sind die Emissionen um 14 Prozent gesunken. "So etwas hätten wir früher gar nicht für möglich gehalten", sagte Lichtblau. Immerhin ist der Ausstoß in dem Bereich seit Jahren gestiegen und hat in der Vergangenheit für schlechte Klimabilanzen gesorgt.

Einen Rückgang gab es auch in jenen Sektoren, die dem Emissionshandel unterliegen – also in erster Linie der Industrie. Dort wurde um 8,6 Prozent weniger emittiert als im Jahr 2019. Im Gewerbe außerhalb des Emissionshandels sei der Ausstoß überraschenderweise nicht gesunken, erklärte Lichtblau. In den übrigen Sektoren sei die Entwicklung "stabil" geblieben.

Kein langfristiger Trend

Einen Grund zum Aufatmen sieht der Klimaexperte in den Zahlen aus dem Corona-Jahr jedoch nicht: "Den Trend zur langfristigen Abnahme haben wir noch nicht geschafft." Im Verkehrssektor seien die Emissionen bereits wieder im Bereich des Vorkrisenniveaus. Die "Delle" in der Emissionsstatistik sei in erster Linie auf die Zeit des ersten Lockdowns zurückzuführen. Im März und April des Vorjahrs kam es zeitweise zu einem 50-prozentigen Rückgang beim Treibstoffverkauf im Vergleich zum Jahr davor.

Ab Mitte 2020 waren Menschen in Österreich wieder deutlich mobiler. Viele seien aus Sorge vor einer Ansteckung zudem auf den privaten Pkw umgestiegen, anstatt mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu reisen, sagte Lichtblau. "Der Verkehr hat sich schneller erholt als erwartet." Die Entwicklung im Mobilitätssektor gebe auf jeden Fall Anlass zur Sorge, sagte der Klimaexperte. Dabei falle der Transit deutlich weniger ins Gewicht als der "hausgemachte Verkehr" in Österreich.

"Der Corona-Effekt wird im Nu verpuffen", meint Leonore Gewessler.
Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Auch die grüne Klimaschutzministerin Leonore Gewessler sieht in der Bilanz keine Frohbotschaft: "Wir dürfen uns nicht darauf ausruhen", sagte sie bei der Präsentation. "Der Corona-Effekt wird im Nu verpuffen." Neben der Pandemie hat auch das Aus des letzten Kohlekraftwerks Österreichs im steirischen Mellach für einen Rückgang der Emissionen gesorgt. Der Schritt habe zu einer Einsparung von rund 0,8 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten geführt, hieß es am Freitag. Gewessler forderte daher abermals einen kompletten Ausstieg aus fossilen Energieträgern – allen voran im Verkehr.

Vier bis fünf Prozent pro Jahr notwendig

Durch den "Corona-Knick" hat Österreich nun auch das Klimaziel für 2020 erreicht. Seit 1990 wurde im Land noch nie so wenig emittiert, der Wert sank 2020 auf insgesamt 73,7 Millionen Tonnen an Treibhausgasen. In den vergangenen Jahren lag die Schwankungsbreite in der Bilanz zumeist zwischen ein und zwei Prozent – zu wenig, um die Klimaziele zu erreichen: Um bis 2040 klimaneutral zu werden und die EU-Vorgaben zu erfüllen, müsste Österreich seinen Ausstoß laut dem Experten jährlich um vier bis fünf Prozent senken.

Foto: Umweltbundesamt

Die am Freitag präsentierten Zahlen beziehen sich auf eine sogenannte "Nahprognose", finale Daten werden erst in einigen Monaten vorliegen. Laut Lichtblau gibt es dabei zumeist nur eine sehr geringe Schwankungsbreite. Für das heurige Jahr traute sich der Experte noch keine Prognose abzugeben. Aber: "Aus fachlicher Sicht gibt es keinen Grund zum Ausrasten."

NGOs sehen "Handlungsauftrag an die Regierung"

Ähnliche Reaktionen kamen am Freitag von heimischen Umweltschutzorganisationen: Der WWF und Global 2000 sehen in der Klimabilanz einen "klaren Handlungsauftrag an die Bundesregierung". Der Corona-Effekt ersetze keine wirksame Klimapolitik, schrieb Global in einer Aussendung und forderte eine "runderneuerte Mobilitätspolitik". Auch Greenpeace sieht "keine nachhaltige Trendumkehr" und erinnerte an das nach wie vor fehlende Klimaschutzgesetz inklusive Fahrplan zur Emissionsreduktion.

Wenig Grund zur Freude ortet auch der VCÖ. Laut diesem sind die Emissionen im Verkehrsbereich im Vorjahr trotz des Pandemieeffekts um knapp 50 Prozent höher gewesen als im Jahr 1990: "Die Verkehrszunahme macht die Einsparungen in anderen Sektoren wieder zunichte." (Nora Laufer, 20.8.2021)