Alexej Nawalny ist mittlerweile seit über einem halben Jahr in Russland inhaftiert.

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Moskau – Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hat am Freitag von Russlands Präsidenten Wladimir Putin erneut die Freilassung des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny verlangt. "Aus unserer Perspektive ist die Verurteilung zum Aufenthalt in einer Strafkolonie auf der Grundlage eines früheren Urteils, das der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ja für offenkundig unverhältnismäßig klassifiziert hat, nicht akzeptabel", sagte Merkel bei ihrem Abschiedsbesuch in Moskau.

Sie habe gegenüber Putin "noch einmal die Freilassung von Alexej Nawalny gefordert und auch deutlich gemacht, dass wir hier an der Sache dranbleiben werden", ergänzte Merkel vor Journalisten. Genau vor einem Jahr hatte der mysteriöse Giftanschlag auf den Kreml-Kritiker stattgefunden, der dafür die russischen Behörden verantwortlich macht. Nach seiner Rückkehr nach Russland wurde Nawalny verurteilt und in ein Straflager gebracht.

Putin pocht auf russischen Rechtsstaat

Putin verteidigte als Antwort erneut das Vorgehen der russischen Justiz: "Ich möchte betonen, dass er nicht für seine politischen Handlungen verurteilt wurde, sondern er hat gewisse Regeln verletzt." Diese würden unter anderem auch für internationale Partner gelten. Er warf dem Oppositionellen politische Machenschaften vor.

Was die russischen Gerichte und deren Entscheidungen anbelange – "bitte respektieren Sie diese", sagte der Kremlchef. Alle Staatsbürger Russlands hätten das Recht, ihre Meinung kundzutun, auch zu politischen Fragen – aber nur im gesetzlichen Rahmen. "Russland hat seinen Bedarf an Revolution erschöpft."

Der 45 Jahre alte Nawalny ist der schärfste Gegner des russischen Präsidenten. Er war vor genau einem Jahr am 20. August 2020 auf einem Flug von der sibirischen Stadt Tomsk nach Moskau ins Koma gefallen. Der Oppositionelle wurde zwei Tage später zur Behandlung in die Berliner Universitätsklinik Charité geflogen. Er traf dort auch Kanzlerin Merkel. Sie hatte Moskau wiederholt aufgefordert, den Anschlag mit dem chemischen Kampfstoff Nowitschok aufzuklären.

Putin hat unterdessen die Taliban davor gewarnt, ihre Macht über Afghanistan hinaus auszuweiten. "Die Taliban dürfen nicht über die Grenzen des Landes hinwegschreiten", sagte er nach dem Treffen mit Merkel. Das sei von "zentraler Bedeutung". Der Staatschef plädierte für den Aufbau und die Stärkung der Demokratie in Afghanistan. "Wir dürfen nicht zulassen, dass die afghanische Regierung zerfällt." Die Taliban seien bereits dazu übergegangen, eine Rechtsordnung in dem Land zu schaffen. Putin plädierte noch einmal für ein international abgestimmtes Vorgehen. Er hoffe, dass die internationale Gemeinschaft zusammenhalte.

Bitte um Hilfe

Merkel bat Putin um Unterstützung bei der Rettung afghanischer Ortskräfte. Für die deutsche Regierung habe im Moment Vorrang, möglichst viele Menschen nach Deutschland zu bringen, die in 20 Jahren Nato-Einsatz geholfen hätten, sagte die Kanzlerin. Sie habe diesen darum gebeten, in Gesprächen mit den Taliban darauf hinzuweisen, dass eine Zusammenarbeit in humanitären Fragen mit den Taliban besser möglich sei, wenn diese Menschen das Land verlassen könnten.

Merkel sagte, sie habe deutlich gemacht, "dass es ein sehr frustrierender Moment ist zu erleben, dass die Taliban zurückgekehrt sind und das Land kontrollieren". Nun müsse man versuchen, mit ihnen zu reden. Die Kanzlerin bekräftigte erneut, dass es dem Westen mit seinem Einsatz gelungen sei, die von Afghanistan ausgehende akute Terrorgefahr zu bannen. "Aber sie ist nicht dauerhaft gebannt." Alle weitergehenden Ziele seien jedoch nicht erreicht worden. (red, APA, 20.8.2021)