In Tandem-Talks diskutieren Künstlerinnen mit Wissenschaftern ihrer Wahl, bei den Tischgesprächen "Archiv der Zukunft" ziehen die Experten des Tages Resümee.

Foto: Christian Werner

Was machen die Wiener Festwochen eigentlich mitten am Tag? Abseits der Vorstellungen und zur Feier des Festival-70ers wurde eine neue Programmschiene entwickelt, die unter dem Motto "Mitten am Tag" neun mehrtägige Labore anbietet.

Ausschließlich von Künstlerinnen und Künstlern geleitet, geben sie Einblicke in deren Berufspraxis, öffnen den Blick von außen auf die Stadt oder erkunden neue Orte. Die brasilianische Künstlerin Gabriela Carneiro da Cunha beispielsweise (vgl. Seite F 4) besucht und befragt die Donau.

Greetings from Vienna heißt das Labor des türkischen Duos Biriken. Es erinnert mit seinem Titel an eine Urlaubspostkarte. Abwegig scheint der Gedanke nicht, füllen Biriken doch den ihnen fremden Ort Wien mit klischeehaften Vorstellungen und regen so zum Nachdenken über Vorurteile an.

Der Name und sein Garten

Begüm Erciyas besucht zu verschiedenen Tageszeiten den Wald, produziert dort Audioaufnahmen und untersucht die Besonderheiten und Unterschiede von Natur und Tonbandgerät. Wiener Parks besucht Regisseurin Azade Shahmiri und teilt mit ihren Teilnehmern Erlebnisse aus den Gärten Wiens und jenen ihrer Heimat Teheran.

Den Performancekünstler Michikazu Matsune interessieren eher Anekdoten und Herkunft des Vornamens der Menschen. Sein Gruppenlabor Between my name and me richtet sich an professionelle Tänzer, alle anderen können sich in kurzen Eins-zu-eins-Sessions Interviewfragen stellen und so mehr über ihre Namen erfahren.

Einblick in seine Arbeitsweise gibt der Bühnenbildner Jozef Wouters in Learning a Space by Heart. Gemeinsam wird ein geheimer Ort Wiens erkundet, der Raum gelesen und dann über seine temporäre Umgestaltung nachgedacht.

Die Neuseeländerin Kate McIntosh richtet gemeinsam mit dem finnischen Künstler Toisissa Tiloissa den Einblick in ihre Berufspraxis speziell an Kunstschaffende, die mehr über die Methoden von Publikumsführung erfahren möchten.

Als University of Rave haben drei Künstlerinnen aus unterschiedlichen Disziplinen ihr Labor angelegt und untersuchen die Möglichkeit der Aufrechterhaltung einer kollektiven Erfahrung wie der Party in Zeiten von Physical Distancing.

Die norwegische Sängerin Stine Janvin startet mit einem Stimmworkshop, danach übernimmt die Choreografin Ula Sickle. Abschließend erarbeitet die Autorin Persis Bekkering fiktive und theoretische Texte zur Ästhetik des Raves.

Essen als Event zelebriert eine österreichische Künstlergruppe: Laia Fabre und Thomas Kasebacher kochen gemeinsam mit Felix Schellhorn 18 Stunden lang eine Knochensuppe und überlegen dabei, wie sich die Wartezeit gut nutzen lässt.

Alle Künstler- und Künstlerinnenlabore sind auf zwölf Teilnehmer beschränkt und finden ab 1. September statt.

Sie forschen im Archiv

Ein Spezialfall ist das viertägige Labor Predictably Unpredictable. Es vereint mehrere Performances und Diskussionen von Künstlern und Wissenschafterinnen, die gemeinsam über die Zukunft des Formats "Festival" nachdenken.

Bei freiem Eintritt, allerdings mit Anmeldung, können die Veranstaltungen dieses Labors auch vom Publikum besucht werden. Da lässt sich etwa Wien in verschiedenen Science-Fiction-Audiowalks des Instituts für Sprachkunst neu erkunden. Auf dem Gelände des ehemaligen Nordwestbahnhofs ist jedem Tag ein anderer Themenschwerpunkt gewidmet, alle kreisen um das Archiv und die Zukunft der Wiener Festwochen. (Katharina Stöger, 21.8.2021)