Mit der Poetin Koleka Putuma spricht eine Generation, die die Apartheid nicht mehr selbst erlebt hat, über die Folgen der Sklaverei und die Gewalt von heute in ihrem Land.

Foto: Jarryd Kleinhans

Collective Amnesia, kollektive Amnesie, so betitelte Koleka Putuma ihren ersten Gedichtband. Das 2017 erschienene Buch wurde in Südafrika zum Bestseller. Es machte die 1993 in Port Elizabeth Geborene, die nicht nur Dichterin, sondern auch Schauspielerin, Theaterregisseurin, Spoken-Word- und Videokünstlerin ist, zum Star.

In der Gedichtsammlung, vom Deutschlandfunk Kultur als "Poetik der Dekolonisierung" bezeichnet, spricht sie Dinge an, über die in Südafrika sonst eher geschwiegen wird – wenn sie nicht schon vergessen wurden. Putuma selbst hat die Apartheid nicht mehr erlebt, wurde aber in eine Welt hineingeboren, die von dieser geformt ist.

Sie thematisiert das scheinheilige Verhältnis der Weißen zu Nelson Mandela ("Du kennst den Verrat nicht, bis du geliebt wurdest wie Mandela"), die nach wie vor existenten Traumata der Sklaverei (etwa im Gedicht Wasser, das die Scheu vor dem Element thematisiert, über das einst die Kolonisatoren kamen und über das sie die Menschen verschleppten), aber auch die Gewalt gegen Frauen (bei ihr: "womxn"), Homosexuelle und Kinder im Südafrika der Gegenwart. Überhaupt ist der Band, als "hochpolitisch und experimentell" gelobt, zutiefst feministisch: "Warum will eure Revolution immer in meiner Unterhose herumstöbern?"

Schwarze Künstlerin in weißen Institutionen

Auch in den Ländern der einstmaligen Kolonisatoren sorgte der Erfolg ihrer Gedichte für die üblichen Ambivalenzen und Fallstricke: Wo hört die Begeisterung auf, wo fängt die neuerliche Kolonisation und Aneignung an? Darum geht es in Putumas Hullo, Bu-bye, Koko, Come In, Auftragswerk und Eigenproduktion der Festwochen.

"Warum klaut ihr immer unsere Erzählungen mit eurem Blick?", fragt sie darin und thematisiert ihre Position als schwarze Künstlerin in weißen Institutionen. Wann wird aus der Sichtbarkeit eine Vereinnahmung, wann wird man aufgesogen statt wahrgenommen? Natürlich darf dabei auch das Reizthema Kopfbehaarung nicht fehlen: "europe asks if it can touch my hair / backspace / europe touches my hair".

Gemeinsam mit Kunstschaffenden aus Kapstadt formt Putuma eine musikalische Lesung ihrer neuen Gedichte und hinterfragt die Blickrichtungen zwischen Publikum und Performerinnen.(Andrea Heinz, 21.8.2021)