Die Band Cari Cari aus Mörbisch will sich über die eigenen Gagen zwar nicht beklagen. Bei den Feierlichkeiten zu "100 Jahre Burgenland" legte sie aber Protest gegen die geringe Bezahlung ihrer unbekannteren Kollegen ein.

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Dreißig Euro hier, 100 Euro dort, und wenn einmal wo ein Tausender herausschaut, bleibt aufgrund der am Künstler dranhängenden Mitverdiener (Technik, PR etc.) oft nicht viel übrig. Das ist der Alltag der großteils im Prekariat verharrenden Künstlerschaft. Die Kulturbranche gilt als krasses Beispiel für auseinandergehende Lohnscheren, die Corona-Pandemie hat das noch einmal verschärft.

Und seitdem im Burgenland ein Musiker protestiert hatte, weil Orchestermitglieder für die Begleitung des Festakts zu "100 Jahre Burgenland" mit 30 Euro abgespeist wurden – Moderator und Musikintendant Alfons Haider hat sich bereits entschuldigt –, wurde der Politik die Dringlichkeit erneut bewusst gemacht. Unter dem Schlagwort "Fair Pay" tüftelt man seit längerem an Verbesserungen.

Aktuell sehen viele ein Heilmittel in der Einführung von Honoraruntergrenzen, also Mindestlöhnen, die den Veranstaltern zur Bedingung für den Erhalt von Subventionen gemacht werden könnten. Die Stadt Wien hat das für Teilbereiche bereits eingeführt, eine bundesweite Lösung wird angestrebt.

Wien sei ein Anfang, aber auch dort sei das Konzept noch nicht schlüssig zu Ende gedacht, sagt Gabriele Gerbasits von der IG Kultur. "Fair Pay wird letztlich nur durch ein Zusammenwirken von Bund, Ländern und Gemeinden möglich sein." Den Ankündigungen müssten jetzt Taten folgen.


Klassik und Jazz

Der Traum von Mindestgagen

Eine Umfrage in der Szene abseits von Beethoven und Brahms ergibt ein Gesamtbild, das Bernhard Günther, Festivalleiter von Wien Modern, zusammenfasst: "Von Fair Pay ist man etliche Millionen Euro entfernt, was sich nur mit einer substanziellen Anpassung des Bundeskulturbudgets lösen lässt." Das Festival war früher unter dem Druck jahrzehntelang gesunkener Budgets "für jeden billigeren Deal dankbar".

Seither habe man jedoch kritischer hinterfragt, wie viel Geld bei den Künstlern und Künstlerinnen ankommt. "Inzwischen wird auch dank einer entschlossenen Neuberechnung der Subvention durch die Stadt Wien die Schmerzgrenze von mindestens 300 Euro pro Auftritt nur noch unterschritten, wenn Studierende im Rahmen der Ausbildung mitwirken."

Diese 300 Euro sind mehr als der bezahlte Szenedurchschnitt für Freischaffende. Insider berichten, dass sich im Bereich der Ensembles für Zeitgenössisches Gagen für Proben und Konzerte zwischen 50 und 200 Euro bewegen würden.

Dabei gibt es längst Mindesthonorarempfehlungen: Im Bereich von Kammerensembles schlägt die IG Freie Musikschaffende für eine Probeneinheit (drei Stunden) 156,94 Euro vor und für eine Konzerteinheit 313,88. Für freischaffende projektbasierte Arbeit in etablierten Orchestern hält die IG 188,32 Euro für eine Aufführung als Mindestgage für nötig. Mindeststandards für Freischaffende durch einen Kollektivvertrag hält auch Peter Paul Skrepek, Musiker und Interessenvertreter, für erforderlich. Allerdings fragt er sich, "wer dabei unser Verhandlungspartner wäre. Wer will, wer kann?"

Im Jazz, so Christoph Huber, habe sich das Porgy & Bess dazu verpflichtet, bei Gagen nie 200 Euro zu unterschreiten und die Möglichkeit einer Beteiligung am Eintritt offenzuhalten. Kleinere Clubs haben es wegen ihrer Platzkapazität aber schwer, dieses Niveau zu halten. Das kann Gagen von 50 Euro ergeben. Und da heißt es – auch in der Klassik –, ständig spielen und zusätzlich unterrichten.

Theater

Massenhaft schwindlige Verträge

"Der ganze freie Bereich ist brutal", sagt Ulrike Kuner von der IG Freie Theaterarbeit. Neben dem Einsatz für bessere Arbeitsbedingungen berät man mittlerweile etwa 4000 Künstler jährlich und hat deshalb einen Giftschrank voll "schwindligster Vertragskonstruktionen".

Teilweise bekämen Schauspieler nur 100 oder 200 Euro für eine Woche Arbeit mit Vorstellungen und Proben. Oft gebe es nicht einmal schriftliche Verträge. Sogar Kommanditgesellschaften sind der IG schon untergekommen: Alle Beteiligten einer Produktion fungieren dabei gemeinsam als eine Art Unternehmen und werden, statt eine Gage zu erhalten, an Einnahmen beteiligt. "Wir wissen aber, dass aus den Ticketumsätzen nicht viel hereinkommt."

Laut IG läge die Untergrenze für eine akzeptable Entlohnung bei 165 Euro für einen Probentag brutto, 350 Euro müsste ein Schauspieler für eine Vorstellung bekommen. Gut wäre aber mehr, weil davon die Sozialversicherung gezahlt werden muss. Außerdem hätten freie Schauspieler und Performer nur in rund 22 Wochen des Jahres Einkommen. Immerhin für den geförderten Bereich hat man es mit der Stadt Wien geschafft, Honorarempfehlungen herauszugeben, an die sich auch gehalten wird.

Allerdings gelten auch die nicht überall, nicht einmal bei allen Institutionen im Eigentum der Stadt. Steigendes Bewusstsein für die Probleme der Künstler ortet die IG aber überall. Mit dem Kärntner Kulturamt hat sie gerade in Workshops die Einführung von Honoraruntergrenzen behandelt. Ergebnis: Die derzeitigen Förderungen (250.000 Euro) müssten verdoppelt werden. Ob es dazu kommt? Man ist gespannt.

Markus Zetts (48) Entscheidung für die freie Szene war trotz allem ein bewusste. "Man braucht ein Geschäftsmodell", sagt er, der neben der Bühne auch eigene Projekte betreibt und unterrichtet. "Es steigen ab 40 viele aus, weil sie das mit Familie nicht durchhalten, etwa weil sie eine größere Wohnung brauchen." Fair Pay sei ein großer Schritt, bedeute aber "mit 20 etwas anderes als mit 50".

Pop

An der Mauer des Schweigens

Wenn es darum geht, die Gagen für heimische Musiker in Erfahrung zu bringen, wird es eher leise. Auf der Bühne wird gerockt, backstage wird gemauschelt. Der "Marktwert" regiert. Kein neues Album und kein Airplay auf FM4 ergeben: keine Auftrittsangebote. Jedes Mal wieder neu ausverhandelte Gagen beruhen vielfach auch auf dem erwarteten Publikumszuspruch.

Offen sprechen darüber will man in der Szene ungern. Die besten Gagen erhalten Musiker natürlich, wenn sie von Veranstaltern oder Festivals angefragt werden und nicht selbst als Bittsteller antreten. Hier liegt der Richtsatz für Bands laut Andreas Dauböck von Dun Field Three "zwischen 300 und 1000 Euro". Zur Not wird auch auf Eintrittsbeteiligung gespielt. Das regelmäßige Einkommen erarbeitet sich Dauböck als Theatermusiker: "Als Berufsmusikant ist eine Band fast immer das Hobby zum Beruf."

"Musikarbeiter" Rainer Krispel stößt ins selbe Horn. Wie auch Dauböck besteht er heute auf 200 bis 250 Euro Fixgage pro Musiker und Auftritt. Krispel als Punkveteran mit Target of Demand spielte früher grundsätzlich nur auf Hut oder Eintrittsbeteiligung. Heute spielt er selten. Die Szene sei "intransparent, maßstabslos, dereguliert".

Veranstalter Peter Nachtnebel vom Wiener Fluc gibt sich in Sachen Gagen pragmatisch: "Wir zahlen meist keine Fixbeträge. Pro Musiker gibt es aber grundsätzlich 150 Euro Minimum. Egal, ob wir Gewinn machen oder nicht. Man kann auch 70 Prozent vom Eintrittsgeld für die Musiker und 30 Prozent für das Fluc oder 60:40 aushandeln."

Songwriter Bernhard Eder kennt 70:30 in Wien sehr gut. In den Bundesländern werde besser und fix entlohnt. In Berlin etwa müsse man mitunter schon "horrende Mieten" zahlen, um überhaupt spielen zu dürfen. Jüngst in der Volksbühne habe er bei 70 Zahlenden gar nur "50 Euro und ein Dankeschön vom Veranstalter" bekommen. Dass Leute am Eingang wegen acht Euro Eintritt zu feilschen beginnen, ist allen Erwähnten bestens bekannt. (Christian Schachinger, Ljubiša Tošic, Michael Wurmitzer, Stefan Weiss, 21.8.2021)