Am Dienstag (13 Uhr MESZ) beginnen die Paralympics mit der Eröffnungsfeier. 4400 Aktive aus 170 Ländern sind bei den Spielen nach den Spielen dabei. Bis 5. September stehen in 22 Sportarten 539 Medaillenentscheidungen an. Für Österreich sind 24 Aktive in acht Sparten vertreten. Zehn von ihnen haben schon Medaillen bei Paralympics erobert, elf geben in Japan ihr Debüt. In sieben Sportarten dürfen sich ÖPC-Aktive Chancen auf Medaillen ausrechnen. Vor fünf Jahren in Rio de Janeiro wurden insgesamt neun Medaillen (eine Goldene, vier Silberne und vier Bronzene) erbeutet.

Natalija Eder (Speerwerfen, Kugelstoßen)

Eigentlich wäre Natalija Eders Paradedisziplin der Fünfkampf, aber dieses Fachgebiet existiert in ihrer Klasse hierzulande nicht. Als sie 2003 der Liebe wegen von Belarus nach Österreich übersiedelte, hieß es daher umsatteln. Im Speerwurf hatte sie bei den Paralympics in London 2012 und Rio 2016 jeweils Bronze gewonnen, 2013 war sie Vizeweltmeisterin, 2018 Europameisterin. Um auf der sicheren Seite zu sein, hat sie auch Kugelstoßen im Programm. "Weil es hätte passieren können, dass eine Disziplin gestrichen wird", sagt sie.

Die 41-jährige Wahl-Gröbmingerin verfolgt das politische Geschehen in Belarus "ein bisschen. Es ist schwierig, darüber zu sprechen", sagt die Mutter zweier Söhne (14 und 17). Viel leichter fällt es ihr, über Österreich zu reden: "Ich bin sehr dankbar für die Unterstützung des Bundesheeres." Sie bekomme jede Hilfe und möchte sich auch für den Service bei den ÖBB bedanken.

Eder hat mit 15 durch eine Augenerkrankung ihre Sehfähigkeit fast vollständig eingebüßt, sie erkennt aber immerhin Umrisse. Beim Abschätzen der Qualität ihrer Würfe ist sie auf ihr Gefühl angewiesen. Das gelinge leider nicht immer. Sie trainiert in der Südstadt, wo sie von der früheren Speerwerferin Elisabeth Eberl ("Ein Riesenglück") betreut wird. "Ich arbeite mit einem super Team", sagt sie. Bedauernswert sei lediglich das generell mäßige Interesse an der Leichtathletik in Österreich und ein überschaubares Angebot von einschlägigen Sportplätzen. Ihre Chancen in Tokio? "Ich lasse mich überraschen", sagt die Heilmasseurin, deren Diplom in Österreich nicht anerkannt wird. (honz)

Foto: ÖPC/GEPA-pictures

Nico Langmann (Rollstuhltennis)

Bevor Nico Langmann nach Tokio abhebt, korrigiert er sich. "‚Warum ich keine falsche Inspiration sein will‘ wäre der bessere Titel gewesen", sagt er und meint seinen ersten und einzigen Blogeintrag beim STANDARD (Langmann und das Medium geloben Besserung, dass noch mehr Einträge folgen). Die Message aber bleibt die gleiche: Mit einer Behinderung zu leben ist nichts Bewundernswertes – es ist ein ganz normales Leben. Langmann will für sein Tennis bewundert werden und hat dazu allen Grund. Er hat Rollstuhltennislegende Martin Legner an der Spitze abgelöst. International ist er derzeit 28. der Weltrangliste.

Der 24-Jährige ist Österreichs Bester, 2019 wechselte er in das Lager von Wolfgang Thiem, der als Trainer fungiert. Mit dessen Sohn Dominic verbindet ihn eine Freundschaft: "Wir trainieren fast täglich nebeneinander, das verbindet." Dass er der erste Rollstuhltennisspieler im Team war, stellte weder für den Wiener, der seit seinem zweiten Lebensjahr nach einem Autounfall im Rollstuhl sitzt, noch für sein neues Umfeld ein Problem dar: "Es geht um die Schläge, das Taktische, Vorhand, Rückhand, Service. Daran arbeiten wir. Ich bin ein Tennisspieler." Das größte Verbesserungspotenzial sieht er beim Aufschlag.

Und die Erwartungen für Tokio? "Es wäre vermessen, mit meiner Weltranglistenposition zu sagen, dass ich mit Gold nach Hause fliege. Aber man hat schon bei den Olympischen Spielen gesehen, dass Österreich für Überraschungen gut ist. Ich bin froh und stolz, hier sein zu können." Langmann tritt im Doppel und im Einzel an. (hag)

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Valentina Strobl (Dressurreiten)

Valentina Strobl ist, wie so viele Parasportler, einmal erleichtert, dass die Spiele stattfinden: "Es hieß zwar von offizieller Seite nie, dass eine Absage im Raum stand, aber die Ungewissheit war schon da. Und die war in der Vorbereitung besonders mühsam", sagt die 21-jährige Tirolerin, für die es die ersten Paralympics sind.

Seit ihrer Kindheit ist die Studentin der Internationalen Wirtschaft an der FH Kufstein dem Pferdesport verbunden, sattelte vom Pony auf Großpferde um, war als Juniorin Staatsmeisterin. 2014, als sie 13 Jahre alt war, kam die Diagnose Multiple Sklerose (MS). Sie erinnert sich: "Bei einem Schub hatte ich sehr starke Gleichgewichtsstörungen, die linke Körperhälfte war beeinträchtigt." Heute ist sie medikamentös eingestellt. Zwischen der Diagnose und dem Einstieg in den Parasport lagen rund vier Jahre, Strobls Eltern kamen mit dem Vorschlag: "Ich habe mir lange schwergetan, mich auf die Situation einzustellen."

Neben Strobl machte auch der elfjährige Hannoveraner-Wallach Bequia Simba die Reise nach Tokio. Gut, sonst würde es für die Dressurreiterin auch schwierig werden, um Medaillen zu kämpfen. Das Pferd flog in einem Frachtflugzeug: "Sie sind zu zweit in einer Box, kennen das vom Anhänger." Ein Betreuer kümmert sich während der Reise um die Tiere, Flugbegleitung quasi.

Von Medaillen will Strobl im Vorfeld nicht unbedingt sprechen. Chancen, besonders im Team, sind aber da. Das erste Großereignis wird dennoch ein besonderes: "Die Paralympics sind ein riesiges Highlight in meiner sportlichen Karriere und auch in meinem Leben." (hag)

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Günther Matzinger (Triathlon)

Eigentlich hätte Günther Matzinger einfach so weitermachen können. Nach Gold bei den Paralympics 2012 in London über 400 und 800 Meter sowie Bronze in Rio 2016 über 400 Meter wäre er auch in Tokio ein Medaillenkandidat gewesen. Doch der 34-jährige Tamsweger hat 2017 umgesattelt, widmet sich seither dem Triathlonsport.

Der Wechsel hatte mehrere Gründe. Wegen Achillessehnenproblemen begann er damals notgedrungen zu schwimmen. Außerdem wurde der 800-Meter-Lauf aus dem Programm gestrichen. Der Reiz einer neuen Herausforderung spielte auch eine Rolle. "Um einfach wieder die Motivation im Training zu finden. Es muss ja auch Spaß machen, sich jeden Tag zu plagen", sagt er.

Eine Tüftelei sei für den an Dysmelie am rechten Arm leidenden Matzinger die Konstruktion der auf einer Schiene am Zeitfahrrad angebrachten Prothese gewesen. Ein 3D-Drucker erwies sich dabei als hilfreich. Nun kann er flott vor den Kurven umgreifen.

Neben dem Leistungssport ist Matzinger auch Unternehmer. "Sie brauchen mich nicht nach anderen Hobbys fragen", sagt er. Mit der Windhund GmbH entwickelt er digitale Plattformen, mittels derer Unternehmen das Gesundheitsmanagement für ihre Mitarbeiter gestalten können.

Matzinger fühlt sich als Heeressportler "super unterstützt". In Tokio geht’s nun über die halbe olympische Distanz (750 m Schwimmen, 20 km Radfahren, 5 km Laufen) zur Sache. Eine Medaille sei eher schwer zu realisieren. Sein Plan: "Volle Attacke, und dann schauen wir, was rauskommt." (honz, 20.8.2021)

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