Das gesetzliche Pensionsalter beträgt bei Männern 65 und bei Frauen 60 Jahre.
Foto: Christian Fischer

PRO: Bürde für die Jungen

von Regina Bruckner

Es ist ein heißes Eisen, das keiner anfassen will: Die Österreicher und Österreicherinnen verabschieden sich früh aus dem Arbeitsleben. Zu früh, denn das gesetzliche Pensionsalter von 65 bei Männern und 60 bei Frauen hat mit der Realität wenig zu tun. Vor allem Männer gehen gerne vorzeitig in den Ruhestand. Wohlverdient? Mag sein. Nur zeitgemäß ist das nicht.

Nüchtern betrachtet ist das faktische Antrittsalter in den vergangenen 20 Jahren kaum gestiegen, das gesetzliche in den letzten 40 Jahren gar nicht – obwohl wir immer älter werden. Und obwohl es uns dabei immer besser geht. Das ist eine erfreuliche Entwicklung, die einen Haken hat: Auf Dauer ist das Pensionssystem nicht finanzierbar; künftig werden immer mehr Pensionisten auf immer weniger Erwerbstätige kommen. Diese Bürde darf man den Jungen nicht aufhalsen.

Auch wenn das System nicht vor der Implosion steht, wie manche gerne glauben machen, wäre eine Neujustierung längst angebracht. Über größere Reformen haben sich die letzten Regierungen aber allesamt nicht drübergetraut. Dabei braucht es auf allen Ebenen kräftiges Umsteuern. Mit der zaghaften Anhebung des Frauenpensionsalters ist es nicht getan.

Damit die Menschen gerne länger im Job bleiben, braucht es in unserer hochverdichteten Berufswelt mehr Flexibilität bei Arbeitszeitmodellen und mehr altersgerechte Arbeitsplätze. Höchste Zeit, dass sich die Politik an der Realität orientiert. (Regina Bruckner, 20.8.2021)

KONTRA: Steuer für die Armen

von András Szigetvari

Die Fakten sind klar. Die Steuerzahler werden in Zukunft mehr Geld in die Pensionskassen zuschießen müssen, weil die Lebenserwartung steigt und weil die Babyboomer-Generation das Pensionsalter erreicht. Laut Statistik Austria wird die Bevölkerung über 65 Jahre bis 2060 um mehr als eine Million auf 2,76 Millionen anwachsen.

Eine Anhebung des Pensionsantrittsalters ist also kein unvernünftiger Vorschlag. Aber das muss im Rahmen einer breiteren steuerpolitischen Reform passieren, weil sonst die Ärmeren in der Gesellschaft die Verlierer sein werden. Denn Pensionen erfüllen in Österreich einen ausgleichenden Zweck.

Die Vermögen im Land sind ungleich verteilt, 40 Prozent der Haushalte besitzen abseits vom Auto und etwas Geld auf dem Konto nichts. Allerdings verfügt ein guter Teil dieser Haushalte über Pensionsansprüche. Diese können zwar nicht vererbt oder verkauft werden, aber sie garantieren ein Einkommen bis zum Lebensende. Wer hier kürzt – und nichts anderes ist eine Erhöhung des Pensionsantrittsalters –, trifft ärmere Haushalte unverhältnismäßig hart. Dazu kommt, dass es Unterschiede bei der Lebenserwartung je nach sozialem Status gibt, in Wien sind es fast acht Jahre zwischen Döbling und Hernals. Auch deshalb trifft eine Anpassung Ärmere stärker. Eine Lösung wäre: Antrittsalter anheben und Erbschaftssteuer einführen, um mit dem Geld mehr Chancengleichheit zu schaffen. (András Szigetvari, 22.8.2021)