Im Gastkommentar kritisiert der Statistikexperte Erich Neuwirth, dass in der Pandemie immer noch viele aussagekräftige Daten fehlen. Belagszahlen in Spitälern zum Beispiel zählt er nicht dazu. Auch das Datenschutzargument lässt er nicht gelten.

Auch nach den vielen Monaten der Pandemie fehlt es in seinem Bereich immer noch an Daten: Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein.
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Im ZiB 2-Interview von Martin Thür mit Bundesminister Wolfgang Mückstein am 15. August 2021 war das Elend der Covid-Datenlage sehr klar erkennbar. Es gab folgenden Ausschnitt:

Thür: Auf den Intensivstationen liegen seit heute 55 Personen. Wie viele davon waren geimpft?

Mückstein: Ja, ich kann Ihnen die Frage beantworten insofern, als dass ich weiß, dass ab 1. Februar 2021 insgesamt 147.000 Menschen, die symptomatisch waren, positiv getestet worden sind, und von diesen 147.000 Menschen, die symptomatisch waren und positiv getestet worden sind, 150 auf Intensivstationen, und die sind doppelt geimpft.

Später sagte Herr Mückstein dann noch, dass von den zweifach Geimpften nur 0,001 Prozent tatsächlich im Spital landen.

Diese Daten sind bisher nirgends auswertbar veröffentlicht und deshalb nicht nachvollziehbar. Außerdem hat Minister Mückstein die Frage des Interviewers nicht beantwortet, es ging ja um Geimpfte und Ungeimpfte unter den Intensivfällen.

Oberflächliche Belagszahlen

Daten darüber gibt es derzeit (noch?) nicht. Wir wissen auch nicht, wie viele Personen bisher mit Covid in ein Spitalsnormalbett oder in ein Intensivbett mussten. Veröffentlicht werden nämlich nur die Belagszahlen der Spitäler. Wie viele dieser Fälle neu dazugekommen sind und wie viele entlassen werden konnten, wird nirgends ausgewiesen.

Belagszahlen hängen von zwei Dingen ab: von der Zahl der Zu- und Abgänge und von der durchschnittlichen Verweildauer im Spital. Ein Beispiel: Täglich 20 neue Patienten, die acht Tage im Spital bleiben müssen, führen im Schnitt zu denselben Belagszahlen wie täglich zehn neue Patienten, die 16 Tage im Spital bleiben. Wir kennen also nur die Zahl der Bettentage, nicht die Zahl der Spitalsfälle. Umso weniger wissen wir, wie viele Covid-Spitalsfälle geimpft und wie viele ungeimpft sind. Diese Zahlen zu kennen wäre aber ein wichtiges Hilfsmittel, um Impfzweifler von der Wirkung der Impfung zu überzeugen oder das zumindest zu versuchen.

Mückstein hat auch berichtet, dass demnächst die Daten aus dem Epidemiologischen Meldesystem (EMS) und die Daten des elektronischen Impfpasses verknüpft werden sollen. S o kann man dann ermitteln, wie viele positiv (PCR-)Getestete geimpft oder nicht geimpft sind. Daten über negative Tests werden derzeit nicht veröffentlicht (es ist nicht bekannt, ob und wie sie erfasst werden). Solange das so ist, kann man die Inzidenz für Geimpfte und für Ungeimpfte nicht ermitteln. Die Daten sagen auch nichts darüber, ob die Getesteten Covid-Symptome hatten oder nicht. Somit können wir zum Beispiel auch nicht ermitteln, welcher Prozentsatz von Fällen mit Covid-ähnlichen Symptomen tatsächlich Covid-positiv war und welcher nicht.

Zahlen über Spitalsaufenthalte

Ein zusätzliches Problem zum schon beschriebenen gibt es, wenn man die Zahl der Spitalsfälle nach geimpft und ungeimpft ermitteln will. Zahlen über Spitalsaufenthalte werden von den Spitälern an Bundesländerinstitutionen und von diesen an Gesundheits- und Innenministerium gemeldet. In den Zentralstellen gibt es nur mehr die Gesamtsummen. Die kann man natürlich nicht mit den Impfdaten verknüpfen. Damit das schon in den Spitälern gemacht werden kann, müssten diese Zugriff auf die Impfdaten der Patienten bekommen oder die Einzelfalldaten an eine Stelle übermitteln, die diesen Zugriff hat.

An dieser Stelle taucht dann in vielen Diskussionen das Datenschutzargument auf.

Und der Datenschutz?

Ein Blick in das Epidemiegesetz schon in der Fassung vom 19. Dezember 2020 zeigt, dass der zuständige Minister ein Register zu führen hat, das insbesondere "die für die anzeigepflichtige Krankheit relevanten klinischen Daten (Vorgeschichte und Krankheitsverlauf) und Labordaten" zu enthalten hat. Der Impfstatus ist wohl eine relevante klinische Information und hätte dem Gesetz folgend bereits mit Beginn der Impfung gemeinsam mit den anderen Daten erfasst werden können. Auch Daten über Spitalsaufenthalte sind sicher relevant und könnten daher ebenso in diesem Register erfasst werden.

Mir erscheinen Datenschutzargumente im Zusammenhang mit der Pandemie weithergeholt.

Selbst für den Fall, dass man die derzeit getrennt aufgezeichneten Daten so auswerten will, dass in zusammengeführten Daten keine Einzelperson mehr identifizierbar ist, gibt es einen Weg, der sich bereits in anderen Fällen als praktikabel erwiesen hat. Es gibt bereichsspezifische Personenkennzeichen; die verwendet zum Beispiel die Statistik Austria für die Volkszählung. Dazu werden personenbezogene Daten aus verschiedenen Beständen mit einem neuen verschlüsselten Kennzeichen versehen, das nicht zum ursprünglichen Kennzeichen (Name, Geburtsdatum, Sozialversicherungsnummer oder Ähnliches) zurückverfolgt werden kann. Erst mit diesem Kennzeichen werden die Daten zusammengeführt und ausgewertet. Dies kann auch so durchgeführt werden, dass die zusammengeführten Daten niemals einen Computer verlassen und nur nicht mehr personenbezogene Auswertungen verfügbar gemacht werden.

Auswertungen mit möglichst vielen Informationen

Saubere Auswertungen, die möglichst viele Informationen enthalten, sind für gesundheitspolitische Entscheidungen sehr wichtig. Was Covid betrifft, haben wir derzeit bei weitem nicht alle Daten, die für derartige Auswertungen notwendig sind. Von allerhöchster Priorität sind die Zahlen der Spitalspatienten (nicht die Belagszahlen), gegliedert nach geimpft und ungeimpft. Immer noch hohe Priorität haben Zahlen über den Impfstatus der PCR-Getesteten, und zwar bei positiven und bei negativen Testergebnissen. Diese Aufzählung ließe sich noch fortsetzen, aber mit dem hier Beschriebenen wäre einmal ein guter Anfang gemacht. (Erich Neuwirth, 23.8.2021)