Drei Österreicher liefen bisher für Barcelona auf.

Foto: AFP

Barcelona/Wien – Mit dem Debüt von Demir Yusuf für den FC Barcelona am Samstag in Bilbao gegen Athletic tauchte plötzlich ein längst in Vergessenheit geratener ehemaliger österreichischer Barca-Legionär aus der historischen Versenkung auf. Auf der Homepage des katalanischen Vereins stand nämlich zu lesen, dass vor dem ÖFB-Youngster und Hans Krankl (1978–1981) ein gewisser Ernst Löwinger 1934 beim FC Barcelona unter Vertrag stand. Freilich lief er nur bei vier Freundschaftsspielen auf.

Löwinger wurde 1934 laut der FC-Barcelona-Homepage von Young Boys Bern ausgeliehen. Hintergrund dürfte gewesen sein, dass bei den Cules damals gerade der Ex-Hakoah-Spieler Richard Kohn (1888–1963) als Trainer tätig war, wie der Sporthistoriker Matthias Marschik in seinem 2020 im LIT-Verlag erschienenen Buch "Bewegte Körper. Historische Populärkulturen des Sports in Österreich" anführt.

Tüchtiger Reporter

Dort ist zu erfahren, dass der 1909 geborene Speditionsbeamte Ernst Löwinger auch aus den Reihen des jüdischen Sportclubs Hakoah stammte. Später wechselte "der sehr tüchtige Mittelläufer" zum WAC und erreichte mit dem Verein aus dem Wiener Prater sogar das in zwei Spielen ausgetragene Mitropacupfinale 1931 gegen die Vienna. Da es sich um zwei österreichische Vereine handelte, wurde das erste Finalspiel dieses internationalen Bewerbs am 8. November im Zürcher Hardturm-Stadion ausgetragen. Das Rückspiel fand am 12. November auf der Hohen Warte statt. Die Vienna siegte beide Male (3:2 bzw. 2:1), Löwinger kam im zweiten Match zum Einsatz.

Beim WAC war Löwinger meist Ersatzmann für die österreichischen Fußballgrößen Josef Smistik und Karl Sesta. Löwinger war einer von etwa 200 Wiener Fußballern, die aufgrund der prekären wirtschaftlichen Situation in Österreich, die auch den Wiener Fußball nachhaltig in Mitleidenschaft zog, hauptsächlich in Frankreich und Spanien, aber auch in Skandinavien, auf dem Balkan oder im Mittelmeerraum ihr Glück und ein ausreichendes Einkommen suchten. 1932 wechselte er zu Red Star Paris. In Frankreich betätigte sich Löwinger laut Marschik nicht nur als Spieler, sondern auch als Reporter des "Sport-Tagblatts", für das er über den französischen Fußball berichtete. In Frankreich spielte der wanderfreudige Legionär auch für Amiens und Nizza, wo er durch "Umsicht und gute Ballbehandlung" auffiel.

Enormes Gehalt

Nach seinem nicht ganz so erfolgreichen Engagement beim FC Barcelona verschlug es Löwinger auch nach Malta. 1936 war er bei den Sliema Wanderers unter Vertrag. Obwohl oder vielleicht gerade weil er dort "die enorme Summe von 20 Pfund im Monat" kassierte, kam es zu Streitigkeiten. Laut der Zeitung "Malta Chronicle" kündigte Löwinger eine Klage wegen Vertragsbruchs an, wie Marschik in seinem Buch berichtet.

Der Rest der Geschichte ist zeitgeschichtlich gesehen ein Mysterium. "Das ist die letzte Quelle zu Ernst Löwinger, der danach von der Bildfläche verschwindet. Es gibt weder Hinweise auf einen Transfer oder ein neues Engagement, noch auf eine Rückkehr nach Wien. Weder findet sich Ernst Löwinger auf den Listen der Holocaustopfer, noch ist eine Ausreise in die USA oder nach Südamerika nachweisbar, er findet sich weder in Palästina noch auf den Listen der ehemaligen Hakoah-Spieler", schreibt der Historiker.

Schicksal unbekannt

Der APA hielt Marschik schriftlich fest: "Ich hab viel recherchiert, wohin Löwinger nach 1936 verschwunden sein könnte, aber weder die einschlägigen Quellen zu Juden nach 1938 noch einzelne Anfragen in Wien und in Israel haben irgendetwas ergeben." Naheliegend sei, so der Historiker, "dass er einen anderen Namen angenommen hat". Löwingers weiteres Schicksal ist jedenfalls bis heute unbekannt. (APA, 23.8.2021)