Ali Mahlodji weiß aus Erfahrung, was Krisen bedeuten und wie man mit ihnen umgeht – als Sohn iranischer Einwanderer, als Schulabbrecher, als Mann, der laut eigenen Angaben bereits über 40 verschiedene Jobs gemacht hat. "Eine Krise tritt dann ein, wenn wir keine Antwort mehr haben, wie man mit einer veränderten Lebensrealität umgeht", sagt Mahlodji.

Wohl auch deshalb hätten ihn Unternehmen wie Interspar oder Magenta während der Pandemie um seine Expertise gebeten. 150 Vorträge hielt er vor Führungskräften, erarbeitete Ausbildungsprogramme für Vorgesetzte oder Lehrlinge, die dazu anleiteten, wie man die stete Unsicherheit meistert oder sich selbst motiviert.

Mahlodji ist kein Unbekannter in der Branche. Vor zehn Jahren hat er Whatchado gegründet, eine Videoplattform zur Berufsorientierung. Zehn Jahre später hat der 39-Jährige eine neue Firma: Future One. Sie soll eine Art Schule dafür sein, was einem Schule, Ausbildung oder Hochschule für das Leben und die Zukunft nicht beigebracht haben.

Eine Säule davon soll Future One Business sein, wo die Erfahrungen und Ausbildungskonzepte, die Mahlodji in den Pandemiemonaten gesammelt hat, einfließen. Abseits von klassischer Online-Weiterbildung will er etwa Führungskräfte in die Zukunft begleiten.

Zukunft als Entscheidung

Drei Punkte habe er dafür ausgemacht, die für Chefinnen und Chefs gerade in Krisenzeiten besonders relevant sind. "Der erste Schritt ist zu verstehen, dass Zukunft eine Entscheidung ist. Willst du danach wieder zurück in die alte Welt, oder entscheidest du dich fürs neue Spiel?", sagt Mahlodji. Wisse man nicht, für welche Zukunft man sich entscheiden soll, solle man sich fragen, wie man zu einer Entscheidung komme.

Als Führungskraft alles allein entscheiden? Diesen Fehler sollte man gerade in Krisenzeiten nicht machen, ist Ali Mahlodji überzeugt
Foto: Hendrich

"Wenn du umgeben bist von zehn Leuten in einem Team, warum glaubst du, dass du es allein machen musst? Binde sie doch ein", appelliert Mahlodji für den zweiten Punkt. Manche Vorgesetzten hätten das in der Pandemie zum ersten Mal gemacht und gemerkt, welches Wissen sie überhaupt im Team haben.

Bislang sei das vielerorts wohl nicht notwendig gewesen, vermutet Mahlodji. "Es ging den Unternehmen gut genug." Nun müsse man aber verstehen, dass hinter einer Person eine Summe an Erfahrungen und Möglichkeiten steckt, die mehr sind als ihre Jobbeschreibung, und diese auch zu nutzen wissen.

Zum Beispiel: Gerade weil laut Mahlodji besonders junge Führungskräfte in der Pandemie Schwierigkeiten hatten, könnten sie in Sachen Resilienz – vereinfacht gesagt: die Fähigkeit, Krisen gut zu bewältigen – von der Erfahrung älterer Kollegen lernen. Also spannte Mahlodji die Jungen mit jenen, die kurz vor der Pension stehen, zu Gesprächen zusammen. Er achtete auch darauf, dass Singles mit Familienmitgliedern sprachen, die im Homeoffice zwischen Kleinkind und Homeschooling waren. Es gehe darum, andere Lebenswelten zu verstehen, zu merken, dass man Herausforderungen auch anders betrachten kann, sodass sie nicht mehr so groß erscheinen.

"Dadurch sind neue Banden entstanden, die Leute entdecken ihre Menschlichkeit wieder", sagt Mahlodji. Andere trauten sich, Hilfe anzunehmen. Oder verstanden erst dann den Kollegen, der ein halbes Jahr im Burnout war, als sie selbst in der Pandemie ausbrannten.

Perspektivenwechsel

Überhaupt helfe der Perspektivenwechsel der Verständigung. In einer Jobwelt, in der in Buzzwörtern wie "Impact" oder "Purpose" gesprochen wird, ist es oft schwer, zu verstehen, was das Gegenüber wirklich meint. Nur wenn alle auf dem gleichen Nenner seien, gingen sie Veränderungen, "Change", mit, ist Mahlodji überzeugt.

Für diese ist letztlich auch der dritte Punkt wichtig: Self-Leadership. Das bedeute einerseits, "dar auf zu schauen, dass es mir als Führungskraft gutgeht, indem man akzeptiert, was man nicht verändern kann, dass man als Mensch Grenzen hat". Es bedeute aber auch, dass sich Vorgesetzte nicht mehr als Spitze der Pyramide sehen, die nur die Ziele vorgibt: "Man dreht die Pyramide um und ist eine Art Dienstleister für die Mitarbeiter, begleitet sie, hilft, ihre Potenziale zu entfalten – die Firma als Lebensabschnittspartner."

Diese Themen sind freilich nicht neu. Das weiß auch Mahlodji: "Auch ich habe das vor zehn Jahren gepredigt. Damals meinten alle nur: ‚Deine Mama ist Sozialarbeiterin – klar, dass du so was sagst.‘"

Und warum ist der Zeitpunkt nun der richtige? "Weil jeder persönlich von der Krise betroffen ist. Erst wenn die Einschnitte im Privaten spürbar sind, merkt man auch die Dringlichkeit für Veränderungen im Arbeitsleben", sagt Mahlodji. (set, 26.8.2021)