Aus Plastikflaschen nähen Schneiderinnen Rucksäcke. Jeanshosen landen als Dämmmaterial in Häusern, und kaputte Smartphones bleiben zwar Smartphones, aber auch sie können repariert und um gutes Geld weiterverkauft werden. Was allerdings nach dem Drücken der Klospülung geschieht, ist eher selten Stoff angeregter Gespräche.

Dabei liefert das Thema wider Erwarten keinen Grund, die Nase zu rümpfen. Denn aus Klärschlamm, der bei der Abwasserreinigung anfällt, können durch innovative Technologien durchaus lukrative Produkte entstehen.

Klärschlamm besteht aus Wasser und Feststoffen. Letztere enthalten Pflanzennährstoffe wie Stickstoff, Phosphor, Schwefel sowie Kalk – und sind somit effektive Bioprodukte. Landwirte wissen schon lange um diese fruchtbare Wirkung. Nicht umsonst düngen sie damit – oft sehr zum Leidwesen mancher Nachbarn – jedes Jahr ihre Felder. Österreichweit entfallen 21 Prozent des behandelten Klärschlamms in Form von Dünger auf die Landwirtschaft.

Schichtweise Nougat

Dafür muss der Schlamm aber erst kompostiert werden. Das Tiroler Unternehmen Daka hat sich vor 20 Jahren auf diesen Vorgang spezialisiert und für die Umrüstung zwei Millionen Euro investiert. Seither schichtet es getrockneten Schlamm und gehäckselten Strauchschnitt übereinander. Oder, wie Daka-Mitarbeiter Martin Klingler es nennt: "Heller Nougat, dunkler Nougat, heller Nougat."

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Klärschlamm ist zwar etwas unansehnlich – aber mit der richtigen Technologie lassen sich auch daraus wertvolle Stoffe gewinnen. Die Zeit spielt dabei eine wichtige Rolle.
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Danach beginnt der Rottevorgang, bei dem die Schichten sieben Wochen unter gelegentlichem Wenden vor sich hin faulen. Eine Maschine siebt das Gemisch im Anschluss zu feinem Kompost, der dann erneut mehrere Monate liegt.

Energie statt Abfall

Geduld ist dabei keine verrottende Tugend. "Ausgesiebter Kompost ist wie guter Wein. Je älter, desto besser", sagt Klinger. Das Produkt riecht am Ende nach Waldboden, und auch das Geld, das Daka damit verdient, stinkt nicht. 2,3 Millionen Euro Umsatz pro Jahr erwirtschaftet das Unternehmen allein mit der Kompostgewinnung.

Fast die Hälfte des Klärschlamms wird in Österreich thermisch behandelt. Der Großteil davon in einer der größten Kläranlagen Europas, der EBS Wien in Simmering. Pro Sekunde strömen 6.000 Liter Abwasser in diese Anlage.

Durch die Abwasserreinigung entstehen hier jährlich zwei Millionen Kubikmeter Klärschlamm. In einem aufwendigen Vorgang wird daraus Klärgas gewonnen, die wichtigste erneuerbare Energiequelle der Anlage neben Sonnenenergie, Wind- und Wasserkraft.

Abfall verbrennt Geld

Wird der Klärschlamm allerdings nicht in Klärgas verwandelt – wie das derzeit in vielen Betrieben üblich ist –, kostet die Verbrennung des Abfallprodukts viel Geld. Dieses Problem will Daniel Scheiböck-Ortner lösen. Für den Biotechnologen gibt es keinen besseren Ort als eine Kläranlage. Hier hat er die Chance, das Ruder noch einmal herumzureißen und Abfall in ein Produkt zu verwandeln. "Wir recyceln Glas, Dosen und Plastik. Warum also nicht auch Klärschlamm?", fragt Scheiböck-Ortner.

Wird Klärschlamm nicht wiederverwertet, entstehen hohe Entsorgungskosten.
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Seit seinem ersten Arbeitstag widmet der Biotechnologe sich diesem Thema. Er weiß um die Ressourcen, die sich im Klärschlamm verbergen, und auch um die Probleme – allen voran die Entsorgungskosten. Um diese zu eliminieren, hat der Biotechnologe das Unternehmen Green Sentinel gegründet und das sogenannte RSR-Verfahren entwickelt. Spezielle Lösungen trennen den Schlamm und recyceln darin enthaltene Stoffe wie Phosphor. Daraus entstehen Brennstoffe, Dünger oder Kompost. Das Besondere daran: Nach dem Vorgang ist alles wiederverwertet. Ergo: keine Entsorgungskosten.

Große Abfallgruppe

Derzeit setzt Scheiböck-Ortner das erste Projekt um. Es soll Mitte nächsten Jahres in Betrieb gehen. Wo die Anlage stehen und wie viel sie kosten wird, sagt der Biotechnologe nicht. Nur so viel: Die Amortisationszeit liege unter fünf Jahren.

Dass Ideen wie diese bitternötig sind, zeigt unter anderem auch der Statusbericht der Abfallwirtschaft Österreich. Diesem zufolge erzeugten Österreichs Abwasserreinigungsanlagen im Jahr 2019 rund 234.000 Tonnen Klärschlamm. Damit liegen kommunale Klärschlämme auf Platz drei hinter Bau- und Abbruchabfällen und Aushubmaterial. (Julia Beirer, 20.9.2021)