Am vorletzten Verhandlungstag beteuert Vizekanzler und FPÖ-Obmann a. D. Heinz-Christian Strache, er habe in seinem Leben noch nie irgendeinen Vorteil erhalten und sich für Spenden nie interessiert.

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Wien – Am vorletzten Verhandlungstag im Bestechungsprozess gegen Vizekanzler und FPÖ-Obmann a. D. Heinz-Christian Strache und Walter Grubmüller, einst Betreiber der Privatklinik Währing, erfährt man Interessantes über den politischen Arbeitsalltag in der Republik. "Ein Initiativantrag der Opposition ist chancenlos", erklärt nämlich der frühere FPÖ-Nationalratsabgeordnete Johannes Hübner zum Wert dieses parlamentarischen Instruments. "Das ist die Verfassungsrealität", stellt er einen Gegensatz zur Verfassungstheorie fest.

Die Zeugenaussage ist Wasser auf die Mühlen der Verteidiger der beiden Angeklagten. Die Anklagevertreterin und der Anklagevertreter der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) sehen in einem Initiativantrag der FPÖ im Sommer 2017 nämlich einen wesentlichen Mosaikstein ihres Vorwurfs. Aus ihrer Sicht habe Grubmüller im Sommer 2016 Strache auf einen Korfu-Urlaub eingeladen, der Partei im Oktober 2016 dann 2.000 Euro gespendet und im Wahlkampf 2017 neuerlich 10.000 Euro an die FPÖ überwiesen, damit Strache für ihn eine Gesetzesänderung erreicht.

"Skandalöse Diskriminierung"

Grubmüller, so der Anklagetenor, wollte mit seiner Privatklinik Währing leichter an Geld des Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfonds (Prikraf) gelangen, mit dem medizinische Leistungen abgegolten werden. Der Zugang zu diesem Fonds war schwierig, Strache habe sich als Abgeordneter und später Vizekanzler in der Regierung Kurz/Strache erfolgreich dafür eingesetzt, meint die WKStA. Zunächst im Februar 2017 mit einer Pressekonferenz unter dem Titel "Skandalöse Diskriminierung einer Wiener Privatklinik", im August 2017 schließlich mit dem Initiativantrag, den Zugang in den Prikraf zu erleichtern.

Die Argumentation der Angeklagten und ihrer Verteidigung wurde am Montag vor Richterin Claudia Moravec-Loidolt nun vom Zeugen Hübner gestützt: Ein Initiativantrag einer Oppositionspartei sei recht wenig wert und in Wahrheit nichts anderes als die Aufforderung an die Bundesregierung, sich die Sache anzusehen.

Ein Angeklagter als Aufdecker

Vor den Auftritten der fünf am Montag geladenen Zeugen versuchte der Angeklagte Grubmüller seine Interventionen bei Strache, mit dem er befreundet gewesen sei, in einen noch größeren Zusammenhang zu stellen: Es sei ihm um die Aufdeckung von Korruption in der Wirtschaftskammer beziehungsweise der ÖVP gegangen. Die für private Krankenanstalten zuständige Wirtschaftskammer-Fachgruppe sei es nämlich gewesen, die den Zugang neuer Kliniken zu den Prikraf-Geldern blockierte, erklärt er der Richterin. "Bei der Pressekonferenz ist es aber schon nur um die Privatklinik Währing gegangen?", stellt sie klar.

Ein weiterer Punkt interessiert Moravec-Loidolt: die 2.000-Euro-Spende aus dem Jahr 2016. Die wurde erst während des Prozesses bekannt, Grubmüller hatte sie zunächst geleugnet, dann damit abgetan, er müsse betrunken gewesen sein, als er das Geld überwiesen habe. "Ist Ihnen mittlerweile eingefallen, warum Sie die Spende getätigt haben?", fragt die Richterin angesichts der sechswöchigen Prozesspause. "Es ist mir nicht eingefallen", lautet die Antwort des Angeklagten.

"Ich habe mich nie für Spenden interessiert"

Auch Strache wird von der Richterin zu dieser Spende befragt. Denn sie scheint auf einer Liste auf, die auf dem Mobiltelefon des Politikers sichergestellt wurde. "Ich habe mich nie für Spenden interessiert!", kontert Strache. Die Liste habe er ein oder zwei Tage vor Veröffentlichung des "Ibiza-Videos" vom Finanzreferenten der FPÖ angefordert.

Der Grund: Er wollte überprüfen, ob die in den Filmaufnahmen genannten Unternehmer tatsächlich Geld für die Blauen lockergemacht haben. Er habe die Aufstellung nur nach diesen Namen durchsucht, etwaigen Überweisungen von Grubmüller habe er keine Beachtung geschenkt. Auch die Urlaubseinladung hält er moralisch und erst recht strafrechtlich nicht für verwerflich – im Gegenzug sei auch Familie Grubmüller zum Abendessen oder zu Veranstaltungen ausgeführt worden.

Ex-Pressesprecher korrigiert sich

Hoffnung können die Staatsanwältin und der Staatsanwalt bei der Zeugenaussage von Straches ehemaligem Pressesprecher schöpfen. Der hatte die Pressekonferenz im Februar 2017 organisiert und die Unterlagen vorbereitet. "Zielsetzung" der Aktion sei die Aufnahme der Privatklinik Währing in den Prikraf gewesen, sagt der Zeuge zunächst. Als die Richterin hellhörig wird, korrigiert er sich: Es sei um die Thematisierung der Ungerechtigkeit gegangen, dass sie nicht in den Prikaf aufgenommen wird.

Der plastische Chirurg Artur Worseg, der Ende 2016 die Privatklinik von Grubmüller übernommen hat, sagt als Zeuge aus, er habe schon seit Jahren von den Schwierigkeiten mit dem Prikraf gewusst, da er davor als Belegarzt in dem Haus gearbeitet habe. Dass das Unternehmen seit 1. Jänner 2019 im Prikraf ist, habe nichts geändert – er bekomme kein Geld aus diesem Topf. Es gebe lediglich eine Direktverrechnung mit der Gebietskrankenkasse, wie Worsag die Österreichische Gesundheitskasse konsequent nennt, das sei aber ein Service für die Patienten, damit die nicht selbst Rechnungen einreichen müssten.

"Dinge aus Überzeugung gemacht"

In seinem Statement zu den Zeugenaussagen bleibt Strache dabei: "Ich habe in meinem Leben noch nie irgendeinen Vorteil erhalten, sondern Dinge aus Überzeugung gemacht", stellt er sich gegen den Vorwurf der Bestechlichkeit. Gleichzeitig ist er überzeugt, dass die Privatklinik durch seine "Vermittlung" in den Prikraf aufgenommen worden sei.

Am Freitag soll das Urteil fallen. (Michael Möseneder, 23.8.2021)