Wien – PET-Flaschen sind für den schnellen Konsum gemacht und lassen Müllberge wachsen. In der Natur entsorgt, vergehen gut 500 Jahre, bis sie sich zersetzen. Schaffen sie den Weg zurück in die Kreislaufwirtschaft, sind sie ein begehrter Werkstoff, dessen Preise Kapriolen schlagen. Doch Forderungen nach einem Pfand auf ihr kurzes Leben machen sie zum Spielball wirtschaftlicher und politische Interessen. "Die Klimakrise schreit nach Umweltschutz", sagt Gerhard Vogel, Experte für Abfallwirtschaft der Wiener Wirtschaftsuni. "Wie lang ist ökonomischer Egoismus damit noch vereinbar?"

Einwegflaschen sind Symbol der Wegwerfgesellschaft und verzerren das Bild der Österreicher als vorbildliche Müllsammler hart. Alle Vorteile des leichten, voluminösen Plastikgebindes kehren sich bei seiner Entsorgung in teure Nachteile um. Österreich mag beim Recyceln von Altpapier, Glas und Metall Vorreiter sein. Beim Sammeln der Flaschen landet die Nation in der EU in den hinteren Rängen.

Dabei lassen sich mit PET äußerst lukrative Geschäfte machen. Vorausgesetzt, es ist sortenrein getrennt, gereinigt und geschreddert. "Eine ganze Industriesparte mitsamt österreichischer Weltmarktführer wuchs auf dem Recyclingmarkt heran", sagt Clemens Holzer, der den Lehrstuhl für Kunststoffverarbeitung an der Montanuni Leoben innehat. "Die Nachfrage nach PET ist gigantisch."

Österreich muss in den kommenden acht Jahren 90 Prozent aller Getränkeflaschen aus Kunststoff getrennt sammeln.
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Siegeszug durch Supermärkte

45 Jahre ist es her, dass sich Coca Cola entschied, Glas durch Plastik zu ersetzen. Mineralwasserabfüller sprangen auf den Zug auf. PET begab sich auf einen Siegeszug durch Industrie und Handel. Bis in kleinste Einheiten bedienen sich Konsumenten heute des komfortablen Gebindes. Meist hat es für sie nach wenigen Minuten seinen Zweck erfüllt.

Bereit, die Flaschen korrekt zu entsorgen, sind wenige. In Wien enden nur 35 Prozent in den dafür vorgesehenen gelben Tonnen. Soziale Kontrolle durch Nachbarn fehlt, der wirtschaftliche Anreiz ist gering. Denn kein Haushalt in Ballungsräumen muss für seinen Restmüll individuell geradestehen. Quer durch die Bundesländer sieht die Sammelbilanz mit 70 Prozent besser aus. Dennoch ist Österreich weit von den Vorgaben der EU entfernt.

16 Prozent der Verpackungen aus Kunststoff sind PET-Flaschen. In Wien werden nur 35 Prozent richtig entsorgt. Wie die Rücknahme im Handel funktioniert, lebt Deutschland vor.
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Bis 2029 gehören 90 Prozent aller Kunststoffgetränkeflaschen getrennt gesammelt. Das bedeutet 10.000 Tonnen mehr PET, das nicht im Restmüll oder in der Natur landen darf. Andernfalls drohen Strafzahlungen. Über den Weg dorthin herrscht bis in die Regierung hinauf Uneinigkeit. Zwischen Handel, Industrie, Abfallwirtschaft und Umweltorganisationen toben Machtkämpfe über Einführung eines Pfandes. Von irreführenden Zahlenspielen und Kostenschwindel ist die Rede, und von einer Politik, die vorgaukelt, dass mit ausgeklügeltem Mülltrennen allein der Verschwendung von Ressourcen Einhalt geboten werden kann.

Wie viel Komfort muss sein?

Die Österreicher haben mit gelben Säcken und Tonnen mehr als zwei Millionen Möglichkeiten, um sich der PET-Flaschen zu entledigen, rechnet Harald Hauke vor. Er ist Chef der Altstoff Recycling Austria (ARA) und Marktführer unter den Sammlern und Verwertern. "Vor 20 Jahren mussten die Österreicher noch im Schnitt 500 Meter bis zur nächsten Tonne gehen, heute sind es nur noch 150 Meter."

Das Gebinde des Pfandes wegen gesondert zurück in die Supermärkte tragen zu müssen und nicht mit Joghurtbechern und sonstigem Plastik in einem Schwung zu entsorgen will Hauke Konsumenten nicht zumuten. "Zwei Wege überfordern sie." Wobei für ihn vor allem aber auch finanzielle Gründe gegen ein Pfand auf Einweg sprechen. Österreich recycelt derzeit 25 Prozent des Kunststoffaufkommens. Bis 2025 muss sich die Quote der stofflichen Verwertung auf 50 Prozent verdoppeln. Getränkeflaschen machten nur 16 Prozent dieser Verpackungen aus. Ihretwegen ein paralleles Sammelsystem auf die Beine zu stellen, wie es das Umweltministerium fordert, sei zu teuer, sagt Hauke. Denn das Bestehende gemeinsam mit Sortieranlagen ohnehin ausgebaut. "Die Mehrkosten für ein Pfand müsste am Ende des Tages der Konsument zahlen."

Willkommene Zusatzgeschäfte

Hauke schlägt in dieselbe Kerbe wie Wirtschaftskammer und Lebensmittelhändler, die vor massiver Mehrbelastung und dem Sterben kleiner Nahversorger warnen.

Doch Millionen Europäer und unzählige Betriebe haben mit dem Pfand in Höhe von acht bis 25 Cent je Flasche längst leben gelernt. Das gilt auch für Supermärkte: Konzerne, die sich hierzulande vehement dagegen wehrten, nehmen die Gebinde in Deutschland seit 15 Jahren anstandslos zurück. "Für viele wurden sie ein willkommenes Zusatzgeschäft", sagt Vogel. Teurer machte die stärkere Kreislaufwirtschaft Getränke im Übrigen nicht.

Raus aus dunklen Ecken

Der Pfandschlupf, jener zwei- bis dreiprozentige Anteil an Flaschen, der nicht in den Handel zurückkehrt, bringt Supermarktketten wie Lidl ein ansehnliches Körberlgeld. Leicht zugängliche Rückgabeautomaten, die nicht wie in Österreich in dunklen Ecken verborgen sind und regelmäßig streiken, ziehen Kunden an – was diese an Filialen bindet und zusätzlichen Umsatz verspricht. Den Preis für die Technik zahlen Supermärkte selten allein, erzählen Lieferanten, die regelmäßig rund um Bierflaschen zur Kasse gebeten werden.

Leere Flaschen sind Recyclern einiges Geld wert, zumal sich vor allem Textil- und Autohersteller um den aufbereiteten Kunststoff reißen. Trefflich lässt sich mit PET Greenwashing betreiben. Der Preis für den daraus recycelten Rohstoff verdoppelte sich im Corona-Jahr. Bis aus Ländern wie Mexiko wird es nach Europa importiert – und ist zeitweise teurer als höherwertige Neuware. Es wurde so knapp, dass manch Betrieb, der mit hohen Öko-Standards wirbt, den Anteil an wiederverwertetem Plastik senkte, erzählt man hinter vorgehaltener Hand.

Griss um leere Flaschen

In Dänemark und Norwegen sind auch Büros ans Sammelsystem angeschlossen. Pfandgesellschaften sorgen mit genormtem PET-Material für Sortenreinheit. "Jeder, der in diese Kette eingebunden ist, verdient daran", sagt Vogel. Er erinnert daran, dass es auch Händler in Österreich mit Einwegpfand versuchen, während die Kammer, Entsorger und Platzhirsche wie Spar weiterhin dagegen mauern.

Klar haben viele Firmen am Pfand kein Interesse, resümiert Holzer trocken. "Sie bringen die Verpackung in Umlauf, der Staat kümmert sich darum, das Geld bleibt bei ihnen."

"Keine böse Plastiklobby"

"Wir sind nicht die böse Plastiklobby", hält Hauke dagegen. "Auch wir wollen bei Kunststoff nachschärfen, wir werden die vorgegebenen Quoten erreichen." Dass die ARA durch ein Pfand 60 Prozent ihrer Lizenzeinnahmen riskiert, lässt Hauke so nicht gelten. Diese sei als Non-Profit-Organisation nicht gewinnorientiert. Ihre Eigentümer sind ihre Kunden.

Leicht, voluminös und für den schnellen Konsum gemacht: PET-Flaschen sind aus der Welt des Handels nicht wegzudenken.
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Hofer testet ein Pfand auf Einweg in acht Filialen. Auch Lidl hätte entsprechende Automaten parat. Red Bull und Coca Cola zeigen sich mittlerweile ebenso offen für neue Lösungen wie Rewe. "Wir treten gegen Tabus und Fundamentalopposition auf", heißt es dazu im Handelskonzern. Mineralwasserhersteller bemühen sich angesichts ihrer Plastikflut schon seit längerem, das schlechte Image abzuschütteln: Vöslauer ließ 2019 als Erster der Branche alle PET-Flaschen – 77 Prozent davon sind Einweggebinde – zu 100 Prozent aus Rezyklaten herstellen.

Recycelte Wasserflaschen

In Summe bestehen Österreichs Wasserflaschen mittlerweile zu 60 Prozent daraus. Sorge dafür trägt PET to PET Recycling in Müllendorf. Das Gemeinschaftsunternehmen der Getränkeindustrie verwertete heuer im ersten Halbjahr 14.000 Tonnen Gebinde.

"Ein Einwegpfand schwächt bestehende Sammelsysteme", sagt Vöslauer-Chef Herbert Schlossnikl, "zugleich ist es Symbol für höheres Verantwortungsbewusstsein der Konsumenten." Die von der EU vorgegebenen Ziele gehörten erreicht. "Den Weg dorthin werden die nächsten Monate zeigen."

Kein Perpetuum mobile

Die Idee einer Flasche, die wie ein Perpetuum mobile im Stoffkreislauf zirkuliert, ist freilich Illusion. Etliche kehren nie ins Recycling zurück, andere gehen bei der chemischen Reinigung durch Abrieb verloren, ein Teil des Materials ermüdet. Auch Österreich kauft 40 Prozent der Rezyklate international zu, um Verluste auszugleichen.

Unterm Strich wird rund ein Drittel des PET-Gebindes wieder zu Flaschen, erläutert Vogel. Ein Teil wandert in andere Industrien ab, wird zu Fasern, Vlies, Tennisbällen, Folien oder Autozubehör und ist damit für die Kreislaufwirtschaft verloren. 30 Prozent, zum Teil aber auch mehr, werden thermisch verwertet.

"Verhalten muss sich ändern"

Für Vogel wie für Holzer führt am Einwegpfand kein Weg vorbei. Holzer geht noch einen Schritt weiter. "Warum sollte jedes Produkt, von der Ampel bis zu Kugelschreibern, nicht 30, 40 oder 50 Prozent Rezyklat enthalten?" Der Staat müsse steuernd eingreifen. "Wissenschaft und Technik können alles. Woran wir scheitern, ist, das Verhalten der Menschen zu ändern." (Verena Kainrath, 24.8.2021)