Sophie Rois bewegte sich in der Serie "Ich und die Anderen" vorbildlich mit einer Pferdestärke. Superfilm produzierte den Film nach grünen Vorgaben.

Foto: Sky / Superfilm

Manches wäre heute undenkbar: Für den Dreh zum Film "Titanic" 1996 erwarb 20th Century Fox in Baja California ein Areal in der Größe von Liechtenstein, sprengte zwei Löcher in die Landschaft, setzte den originalgetreuen Nachbau das Katastrophenschiffs hinein und flutete es mit insgesamt mehr als 80 Millionen Liter frischem Pazifik-Meerwasser. Als die letzte Szene abgedreht war, wurde das mit Chemikalien kontaminierte Wasser wieder ins Meer zurückgeschüttet, was eine nachhaltige Dezimierung der Fischpopulation zur Folge hatte. Die Filmgeschichte ist voll von solch größenwahnsinnigem Ressourcenraubbau. Ähnlicher Raubbau ist etwa von "The Beach" und "Piraten der Karibik" bekannt.

Aber auch abseits dieser absurd negativen Ausreißer gilt die Filmbranche traditionell als Umweltsünder. Hoher Stromverbrauch, viel Abfall, großes Transportaufkommen und Reisetätigkeit, Materialverschleiß bei Ausstattung und Kostümen sorgen für energieintensive Drehs. Traditionell weist die Branche hohe CO2-Emissionen aus.

Doch das ändert sich gerade. Im Zuge des Klimapakts engagieren sich Film- und Fernsehbetriebe immer stärker für ressourcenschonenderes Produzieren. Zudem ist ein Prämienmodell im Werden, das grünes Filmen in Zukunft fördern soll.

Was bedeutet "Green Producing" überhaupt?

"Green Producing" meint alle Aktivitäten zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen im Zusammenhang mit Film- und Fernsehproduktionen. Das betrifft den Energiehaushalt der Unternehmen selbst sowie deren Produkte, die auf Nachhaltigkeit umgestellt werden sollen, und ist mit einer Reihe von komplexen Entscheidungen verbunden, etwa auf Flugreisen entweder ganz oder zumindest teilweise zu verzichten, emissionsarme Pkw-Transporter einzusetzen, auf LED-Lampen umzusteigen, mit Naturkosmetik zu schminken, Ausstattung wieder zu verwenden, Catering mit veganen Optionen zu bestellen. "Green Producing" betrifft vor allem Fragen von Infrastruktur, Know-how und in der ersten Phase auch jene der Finanzierung.

Worum es geht:

Film und Fernsehen sind in der Herstellung wahre Energiefresser. Der gesamte Produktionsprozess ist hinsichtlich Mobilität und Infrastruktur stark ressourcenintensiv. Ein Beispiel: Ein 90-minütiger "Tatort" hinterlässt durchschnittlich einen Fußabdruck von 139 Tonnen CO2.

Extrem viel Energie verbraucht dabei das Streaming. Eine halbe Stunde Streaming verursacht in etwa so viele CO2-Emissionen wie eine Autofahrt von 6,3 Kilometern, so das Fazit einer Studie aus dem Jahr 2019. Das liegt am Verbrauch, der durch die Speicherung des Materials entsteht. 2019 wurden etwa für Produktion und Speicherung insgesamt 451.000 Megawattstunden Energie verbraucht. Das entspricht einer Strommenge, die ungefähr 56 neue Windräder im Jahr liefern.

Der ORF weist seinen Energieverbrauch im jährlichen Nachhaltigkeitsbericht aus. Demnach verbrauchte das Rundfunkunternehmen 2020 rund 23.000 Metawattstunden Strom. Das entspricht ungefähr der Größe von Groß-Enzersdorf. 15.000 Megawattstunden Energie bezog das Haus zusätzlich aus Fernwärme, daneben wurden 24.000 Liter Diesel und Benzin verbrannt. Insgesamt kommt der ORF auf CO2-Emissionen in der Höhe von 6.783 Tonnen.

Was macht die öffentliche Hand?

"Beim Green Filming liegt Österreich im europäischen Vergleich in der Mitte", sagt der Filmproduzent Alexander Dumreicher-Ivanceanu vom Fachverband für Film- und Musikwirtschaft. Einen Sprung nach vorne soll ein Prämienmodell für Filmproduktion sichern. Dabei handelt es sich um eine generelle Prämie für in Österreich produzierte und koproduzierte Film- und Fernsehprojekte, und ein Bonus ist vorgesehen, wenn grün produziert wird.

Das Anreizmodell für Film ist im Koalitionsübereinkommen verankert, nun geht es darum, dass die Regierung diesen Plan umsetzt, und damit um die konkrete Ausgestaltung. "Der grüne Bonus schafft einen starken Anreiz für nachhaltiges Produzieren und würde Österreichs Filmbranche international zum Vorreiter machen", sagt Dumreicher-Ivanceanu.

Auf Länderebene verfügt die Niederösterreichische Filmkommission für nachhaltige Filmproduktion inzwischen über europaweite Bekanntheit. Die Filmservicestelle berät und begleitet zahlreiche Filmproduktionen und ist Teil der Kulturabteilung des Landes. Seit 2018 bietet sie einen Online-Leitfaden für nachhaltige Filmproduktion an.

Ab wann ein Film oder eine Serie grün ist, definiert im Moment noch jedes Land anders. In Österreich gilt das Umweltzeichen UZ76 als Richtwert. Um Lizenznehmer zu werden, muss ein Film, eine Serie etliche Kriterien erfüllen. So müssen zum Beispiel Leuchtmittel am Drehort zu 80 Prozent energiesparend sein. Flüge sind grundsätzlich, Kurzdistanzen unter 500 Kilometern in jedem Fall zu vermeiden. Spezialeffekte sollen bevorzugt digital erzeugt werden, Kostüme und Ausstattung geliehen und nicht gekauft werden. Biozertifizierte Kosmetikprodukte kommen bei der Maske zum Einsatz. Das Catering umfasst ausschließlich lokale, regionale und biologische Produkte.

Die Lizenzkosten für das Umweltzeichen betragen ein Promille des Budgets. Verhandlungen finden gerade statt, ob etwa Dokumentarfilme oder Low-Budget-Projekte auch von diesen Kosten befreit werden können. Dumreicher-Ivanceanu: "Auf keinen Fall sollten solche Anreize nur für Produktionen mit höheren Budgets gelten. Das Modell soll auch für kleinere und künstlerische Projekte eine Basis schaffen."

Was machen Österreichs TV-Sender?

ORF

Wie die Regierung im Klimapakt vereinbart hat, strebt auch der ORF 2040 Klimaneutralität an. Bis 2030 sollen Treibhausgase um 50 Prozent im Vergleich zu 2005 reduziert sein. Um die insgesamte Koordination des Projekts Nachhaltigkeit kümmert sich Pius Strobl. Im Herbst kommt dazu ein detailliertes Klimaschutzkonzept.

Sendungen wie etwa "Salzburg Heute" entstehen bereits nach den Kriterien des UZ76. Der ORF verweist auf weitere Aktivitäten in den Landesstudios, auf Produktionen wie "Landkrimi", "Soko Kitzbühel" und Shows: "Während 'Starmania 21' haben wir den Testlauf für eine große Show im ORF-Zentrum durchgeführt", sagt Anita Malli, Referentin für Umwelt und Nachhaltigkeit im ORF.

Besonders bei "Universum"-Dokumentationen sei ein Wandel zum Nutzen der Umwelt im Gange: "Bei Produktionen, etwa bei Naturfilmen, arbeiten einige Unternehmen mit lokalen Teams vor Ort, etwa bei Drehs in Afrika, und berichten, dass sie sogar günstiger dran sind, weil der Transport von Personen und Equipment wegfällt", sagt Malli.

Puls 4

CO2-Neutralität bis 2030 strebt ProSiebenSat1Puls4 an. Seit Jahresbeginn würden alle Produktionen mit der Vorgabe ausgeschrieben, die Einhaltung eines speziellen Maßnahmenkatalog zu berücksichtigen, teilt das Unternehmen mit. Mit Jahresende lässt der Privatsender erstmals alle Emissionen detailliert berechnen. Ein Konzept, um sowohl Haus als auch Studios grüner zu machen, ist ebenfalls im Werden. Einzelne Sendungen gehen bereits in Richtung grün, etwa "2 Minuten, 2 Millionen", wo die Beleuchtung auf LED-Scheinwerfer umgestellt und Papier zu mehr als 75 Prozent vermieden wird. Außerdem werden ein Catering mit 75 Prozent regionalem bzw. Bio-Anteil, Verwendung von Mehrweggeschirr, Akkus und mehr Holz-Anteil für die Deko angepeilt. Die neue Staffel von "Bauer sucht Frau" werde im September grün produziert.

Und die Produzenten?

Die Naturfilmschmiede Terra Mater Factual Studios setzt "seit Jahren nachhaltige Maßnahmen um", sagt Produktionsleiter Walter Köhler: "Das reicht von Ökostrom für unser Gebäude seit 2015 bis zu ökologischen Putzmitteln und Drucksorten." Und zum Reduzieren von Flugmeilen: Während früher Drehteams zu entfernten Zielen mit Sack und Pack reisten, werden mittlerweile Kooperationspartner vor Ort gebucht. Das zeigt bereits Ergebnisse: Während der CO2-Fußabdruck bei der Umweltdokumentation "Sea of Shadows" mit monatelangem Dreh eines großen Teams in Mexiko bei rund 90 Tonnen CO2 lag, verbrauchte die TV Dokumentation "Cute Little Killers", bei der nur die Regisseurin nach Australien eingeflogen und das übrige Team lokal besetzt wurde, nur rund neun Tonnen CO2. Köhler: "Wir versuchen vermehrt mit lokalen Talenten zu arbeiten und unsere Reisetätigkeit einzuschränken." Insgesamt beziffert Köhler Terra Maters CO2-Wert 2019 mit 382 Tonnen.

Vor kurzem wurde erstmals eine Produktion mit Österreichischem Umweltzeichen umgesetzt. Ab 2022 entsprechen alle Produktionen firmeneigene "Green Producing Guidelines". Ziel sei es, so schnell wie möglich klimaneutral zu werden, sagt Köhler.

Peu à peu peilen das weitere Produktionsfirmen ebenso an. Die niederösterreichische Gebhardt-Film stellte etwa bei "Soko Kitzbühel" das gesamte Set auf "green" um. Die deutsch-österreichische Superfilm forciert seit 2016 "Green Producing", zuletzt etwa in David Schalkos Sky-Serie "Ich und die Anderen". Der in Deutschland ansässige Abokanal fordert als Auftraggeber von Produzenten seit Jahren umweltfreundliches Drehen ein.

Wo hapert's?

Aktivitäten gibt es also genug. Aber zeigen sie auch die gewünschten Ergebnisse?

Der Pioniergeist stößt schnell auf Grenzen, wenn es um die praktische Umsetzung geht. "Das ganz große Problem in Österreich ist die Infrastruktur", sagt Dumreicher-Ivanceanu. "Es fehlen die Dienstleistungen." Das betrifft vor allem Mietangebote wie E-Lkw oder stromsparendes Lichtequipment. Vielfach stellt sich die Frage: woher nehmen und nicht stehlen?

Energie sparen könnte man mit einem eigenen Studio mit grüner Technik. In Wien gibt es dazu fertige Pläne rund um das Hafengelände. Ausreichende Kapazitäten für Solarenergie seien vorhanden, die das gesamte Studio versorgen könnte. "Wenn es gelingt, die Investitionspläne umzusetzen, dann stehen die Chancen für ein grünes Studio sehr hoch. Es bewegt sich einiges, aber wir sind in einem Prozess", sagt Dumreicher-Iveancanu.

Das betrifft auch Fragen der Weiterbildung. Um eine Produktion auf grün umzustellen, braucht es ein gewisses Know-how. Die Wirtschaftskammer entwickelt derzeit einen zertifizierten Lehrgang zum Green Consultant – ein Experte für grünes Filmen. "Es geht darum, dass diese Informationen zu fließen beginnen." Der Wissenstransfer müsse großflächiger werden, um die Branche insgesamt zu erreichen.

"Es gibt sicher ein Bewusstsein bei den Produzenten, Regisseuren und in den Creative Departements, so grün wie möglich zu produzieren", sagt Dumreicher-Ivanceanu. Die Sogwirkung der Crew sei nicht zu unterschätzen: "Es macht einen großen Unterschied, wenn Regisseurin, Regisseur oder Schauspielerin, Schauspieler sagen, okay, wir machen das jetzt. Dann kann man sicher sein, alle ziehen mit. Die meisten wollen das." (Doris Priesching, 14.9.2021)