Regisseur Andreas Prochaska über seinen Film "Im Netz der Camorra" – zu sehen am Montag auf Servus TV.

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Das Mafiadrama spielt auf einem Weingut in Südtirol – mit Tobias und Antonia Moretti.

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Andreas Prochaska ist auf dem Sprung. Das ist er eigentlich immer. Zum nächsten Film, zur nächsten Serie. Konkret geht es nach dem Interview nach Dubrovnik, dort dreht er die dritte Staffel der Bubenfantasyserie "Alex Rider". Am 4.9. ist sein Zweiteiler "Im Netz der Camorra" auf Servus TV zu sehen, routinierte Familienunterhaltung vor bildschöner Südtiroler Kulisse, definitiv kein "finsteres Tal".

STANDARD: Man könnte meinen, spätestens seit "Gomorrha" ist zum Thema Mafiafilm alles gesagt worden. Was wollten Sie zu dem Kapitel noch beisteuern?

Prochaska: Es stimmt, zum Thema Mafia ist tatsächlich alles gesagt. Ich habe versucht, mich auf das Familienthema zu konzentrieren. Mafia und Familie sind ja untrennbar miteinander verbunden, und bei "Im Netz der Camorra" ist die Familie ein unwissender Kollateralschaden. Das hat mich beschäftigt.

STANDARD: Was "die Familie" mit einer nur vermeintlich unbescholtenen Familie macht.

Prochaska: Genau. Als das Projekt zu mir kam, war das ein Kurzpitch aus "Cape Fear" und "A History of Violence". Die Bücher ähnelten letztlich aber eher der Rosamunde-Pilcher-Version von so etwas. Mir ging es darum, meine Perspektive dem Ganzen aufzudrücken. Letztendlich hat es ziemlichen Spaß gemacht, mit den Mythen und Klischees herumzuspielen und das Ganze natürlich mit Südtirol und Wein zu mixen – das war eine sehr spezielle Aufgabe.

STANDARD: Wie kam das Projekt zu Ihnen?

Prochaska: Tobias Moretti war die treibende Kraft. Er fragte, ob ich nicht Lust hätte einzusteigen. Dazu kam, dass es mir aufgrund von Corona sehr recht war, wieder einmal zu Hause zu arbeiten, und vor allem in Südtirol. Eine Kombination von Elementen, bei der ich nicht Nein sagen wollte.

STANDARD: Das klingt nach gemütlichen Abenden am Kalterer See bei einer Flasche Gewürztraminer.

Prochaska: Schöne Abende beim Arbeiten gibt es, wenn die Arbeit gut erledigt ist. Natürlich ist es angenehmer, sich in Südtirol vors Haus mit einem Glas Wein zu setzen als irgendwo in Berlin oder Köln oder London. Das Umfeld in einer Entscheidung für ein Projekt mitzudenken ist kein Fehler. Als Regisseur war es für mich eine schöne Herausforderung, Südtirol anders zu zeigen, nämlich als genaues Gegenteil von Produktionen wie "Bozen-Krimi". Wir wollten mit der Schönheit der Landschaft arbeiten und trotzdem eine sehr dramatische Stimmung herstellen.

STANDARD: Muss man die Mafia kennen, um einen Mafiafilm zu machen – oder reicht es, Mafiafilme gesehen zu haben?

Prochaska: Die erste Fassung des Drehbuchs bekam ich im März letzten Jahres. Es wäre eine kühne Behauptung, dass ich mir innerhalb dieser kurzen Zeit ein profundes Mafiawissen angeeignet hätte. Das habe ich nicht. Wenn man versucht hätte, eine wirklich authentische Mafiageschichte zu erzählen, wäre das ein anderer Film geworden. Da wäre Südtirol auch das falsche Umfeld gewesen. So gesehen hat mir die Kenntnis vieler Mafiafilme geholfen. Außerdem reichten mir die Brutalitäten, mit denen ich hier bei der Arbeit für ein öffentlich-rechtliches Medium für 20.15 Uhr konfrontiert war.

STANDARD: Was meinen Sie?

Prochaska: Konkret gab es viele Diskussionen im Schnitt mit den Jugendschutzbeauftragten des ZDF, was man zeigen darf und was man nicht zeigen darf und welche Belastungen den Zuschauerinnen und Zuschauern zumutbar sind. Das war für mich eine spannende Auseinandersetzung. Wenn es darum geht, Gewalt im Film darzustellen, will man das normalerweise so schmerzhaft wie möglich machen. Das war hier aufgrund diverser Umstände nicht möglich.

STANDARD: Wie laufen solche Diskussionen ab?

Prochaska: Die Jugendschutzbeauftragten schauen sich das genau an. Absurderweise ist der Film ab zwölf Jahren freigegeben, und es ist durchaus fordernd, wenn man ein erwachsenes Programm machen möchte und gleichzeitig Rücksicht nehmen soll auf Kinderseelen, die zu dem Zeitpunkt eigentlich eh schon im Bett sein sollen.

STANDARD: Klingt nervig.

Prochaska: Das war dieses Mal tatsächlich eine neue Erfahrung.

STANDARD: Bei der Frage, wie viel Gewalt man im Hauptabendprogramm zeigen darf, hängt mit dem "Tatort" die Latte eigentlich hoch. Ist für Sie nachvollziehbar, wo die rote Linie ist?

Prochaska: Das "Tatort"-Argument habe ich selbst auch vorgebracht. Für Servus TV war das überhaupt kein Problem, beim ZDF geht es darum, dass es als "Event" programmiert ist, und da gelten offenbar wieder andere Maßstäbe. Vor dem Hintergrund erscheint es noch absurder, dass "Das finstere Tal" ab zwölf Jahren freigegeben wurde. Ganz verstehe ich die Kriterien nicht und werde sie nie wieder ganz verstehen. Es ist immer wieder eine neue Challenge.

STANDARD: Die Einmischung von Redaktionen ist ein Thema in der Branche. Der Regisseur Dominik Graf spricht das als Ärgernis für das deutsche Fernsehen immer wieder an. Ist das ein deutsches Phänomen, oder kennen Sie das auch aus Österreich?

Prochaska: In Österreich ist der Umgang damit in meiner Erfahrung lockerer. Ich muss grundsätzlich sagen, dass die Zusammenarbeit mit dem ZDF durchaus erfreulich war, abseits des Jugendschutzes, der nicht Teil der Redaktion ist. Letztlich gilt: Wer zahlt, schafft an. Ich bekomme einen Auftrag und versuche diesen im Rahmen meiner Möglichkeiten und künstlerischen Ambitionen so gut wie möglich zu machen. Deshalb ist es ein Quatsch, gegen Windmühlen anzurennen. Manchmal muss man das pragmatisch sehen.

STANDARD: Sie nehmen's nicht persönlich?

Prochaska: Natürlich nehme ich es persönlich, und ich kämpfe auch für meine Projekte. Aber irgendwann muss ich der Realität ins Auge sehen und sagen, okay, das ist eine Schlacht, die kann man so weit führen, und irgendwann ist einmal Schluss.

STANDARD: Gab es beim Dreh Kontakte mit der Mafia?

Prochaska: Sagen wir so: Wenn ich in Neapel gedreht hätte, dann wäre es wahrscheinlich ein Thema gewesen. In Südtirol waren wir davon verschont. Ich bin auch nicht angetreten, einen authentischen Mafiafall zu erzählen. Das ist hoffentlich Entertainment in bester Form, aber der Film erhebt absolut keinen Anspruch auf Authentizität. Ich bin nicht, wie Roberto Saviano, unter Polizeischutz.

STANDARD: Gibt es mafiöse Strukturen bei Film und Fernsehen?

Prochaska: Keine Ahnung. Wenn es die gäbe, habe ich damit noch nichts zu tun gehabt.

STANDARD: Gefälligkeiten, eine Hand wäscht die andere, einfach so ein bissl korrupt – gibt's nicht?

Prochaska: Ich habe Situationen erlebt, wo Leute gesagt haben, du kriegst die Gage, wenn du einen Drehtag sparst. Darauf habe ich mich nicht eingelassen, und damit war die Diskussion auch beendet. Ich habe immer versucht, mich bei meiner Arbeit von diesen Dingen freizuhalten. Und wenn es mir zu eng geworden ist, bin ich anderswo hingegangen. Die Freiheit habe ich. Das ist ein großer Luxus. Ich kann aber nur für mich sprechen und möchte keine pauschalen Gerüchte verbreiten. Ich kann aber sagen, dass ich kein Entscheidungsträger sein möchte, denn die Begehrlichkeiten sind hoch.

STANDARD: Wie setzt man sich da durch? Allein durch die Qualität, oder braucht es manchmal auch den Einsatz von Ellenbogen?

Prochaska: Meine Ellenbogen sind relativ unterentwickelt, was das betrifft. Ich habe immer versucht, mich durch Qualität zu beweisen. Mein englischer Agent hat mir zum Beispiel gesagt, dass Männer in meinem Alter schwer vermittelbar sind, was jetzt nicht mehr mit der Qualität zu tun hat und wo offenbar andere Kriterien wichtig sind. Aber …

STANDARD: Interessant, das traf bisher eher Frauen. Unterliegt die Filmbranche dem Jugendwahn?

Prochaska: Kein Jugendwahn. Im Moment ticken die Uhren anders.

STANDARD: Ist das für Sie bei den Angeboten merkbar?

Prochaska: Glücklicherweise nicht. Es ist nur interessant, wenn man merkt, dass die Diskussionen auf anderer Ebene geführt werden und die Frage, welche Person zu welchem Projekt passt, sekundär wird.

STANDARD: Welche Erwartungen haben Sie an den neuen ORF-Generaldirektor?

Prochaska: Ich muss gestehen, ich habe mich mit der ganzen Angelegenheit überhaupt nicht auseinandergesetzt und die Wahl Roland Weißmanns auch nur am Rande mitbekommen, weil ich sehr beschäftigt bin. Es ist ohnehin immer derselbe Kalenderspruch: dass man mehr österreichische Projekte braucht und mehr Geld in die Hand nimmt. Das ist alles schon zigmal gesagt. (Doris Priesching, 27.8.2021)