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Naftali Bennett besucht die USA erstmals in seiner Eigenschaft als israelischer Regierungschef. Seine Eltern sind nach dem Sechstagekrieg aus San Francisco nach Israel ausgewandert.

Foto: Gil Cohen-Magen/ POOL via AP

Wenn der israelische Regierungschef Naftali Bennett am Dienstagnachmittag ins Flugzeug nach Washington steigt, werden rund siebzig Kilometer vom Flughafen Tel Aviv entfernt wohl wieder dutzende Demonstranten in Gaza vor dem Grenzwall Richtung Israel aufmarschieren.

Vertreter der dort herrschenden radikalislamischen Hamas haben für Dienstag weitere Proteste angekündigt. Am Samstag waren bei einem Großprotest an der Grenze laut offiziellen Angaben 41 Palästinenser und ein israelischer Grenzsoldat teils schwer verletzt worden. Auf Videos ist zu sehen, wie ein Palästinenser durch ein Loch in der Grenzmauer Schüsse abfeuert. Mehrere von ihnen trafen offenbar einen 21-jährigen israelischen Soldaten.

Die Waffenruhe, die der heftigen elftätigen Eskalation im Mai ein Ende gesetzt hatte, war von Anfang an brüchig, nun klaffen erste Löcher. Vergangene Woche gab es erstmals wieder Raketenbeschuss, gefolgt von israelischen Vergeltungsangriffen. Die Hamas ruft indes zu weiteren Protesten auf.

Viele andere Probleme

Eine mögliche neue Eskalation mit Gaza, der Kampf gegen die Ausbreitung der Delta-Variante in der Pandemie kurz vor Schulbeginn und die anstehenden hohen Feiertage – das sind in diesen Tagen die drängendsten Probleme auf der israelischen Regierungsagenda. Auch US-Präsident Joe Biden, mit dem Bennett am Donnerstag zusammentreffen soll, hat angesichts der dramatischen Lage in Afghanistan derzeit wohl anderes im Sinn als die ständig schwelenden Konflikte zwischen Israelis und Palästinensern.

Bennett, der das Herkunftsland seiner Eltern nun zum ersten Mal in seiner Funktion als Premierminister von Israel betritt, hat sich bei seinem Antrittsbesuch in den USA aber vor allem innenpolitisch zu beweisen. Sein Vorgänger Benjamin Netanjahu hatte seine ausgezeichneten internationalen Beziehungen stets als Trumpf eingesetzt. Als er sich Mitte Juni nur allzu widerwillig in die Opposition verabschiedete, bedachte er Bennett mit Häme: Den 49-Jährigen kenne doch niemand in der Welt, keiner werde ihn ernst nehmen, höhnte Netanjahu.

Um einen solchen Eindruck gleich zu zerstreuen, demonstrierte Bennett am vergangenen Sonntag in einer Rede vor Beginn der Regierungssitzung wackere Entschlossenheit – und zwar in einem der wenigen Punkte, die in Israel wohl ohnehin nur wenig Widerspruch ernten: in der Frage des Iran-Deals.

Ärger über neue Atom-Gespräche

Das Abkommen, das in Wien ausverhandelt und später suspendiert wurde und jetzt neu verhandelt wird, sei schlicht und einfach "nicht mehr relevant", erklärte Bennett. Wer sich für eine Neuauflage des Abkommens ausspreche, werfe dem "aggressiven" Regime nur eine Art Rettungsseil hin. Dies würden sich nun sogar jene eingestehen, die früher anderer Meinung waren, meinte Bennett.

Aus Washington kamen zuletzt Hinweise, dass Bidens außenpolitisches Team es dem israelischen Premier aber nicht gar so leicht machen will. Die Lebenssituation der unter israelischer Besatzung lebenden Palästinenser und das verfahrene Thema Zweistaatenlösung sollen auf jeden Fall aufs Tapet kommen, hieß es im Weißen Haus laut US-Medien.

Zweistaatenfrage

Für Bennett ist das kein simpler Slalomkurs. Zu Hause machten es ihm israelische Journalisten zusätzlich schwer, indem sie Regierungsmitglieder auf ihre aktuelle Position in Sachen Zweistaatenlösung abklopften. Er sei dafür, sagte Außenminister Yair Lapid, dessen Partei Jesch Atid im Parlament immerhin doppelt so stark ist wie Bennetts Jamina-Partei.

Lapid fügte zwar hinzu, er sei sich durchaus im Klaren darüber, dass man dieses heiße Eisen unter Bennetts Führung nicht anfassen werde. In zwei Jahren wird Lapid aber selbst das Regierungsruder von Bennett übernehmen, so sieht es das vereinbarte Rotationsprinzip vor. Und dann, so erklärte Lapid, sei eine Beilegung des lange schwelenden Konflikts durchaus vorstellbar.

"Sicher nicht", konterte Innenministerin Ayelet Shaked am Sonntag. Egal ob unter Bennett oder später: Ein solches Szenario werde diese Regierung zersprengen, prophezeite die Parteikollegin Bennetts.

Zwar wollen die USA die unter Amtsvorgänger Donald Trump geschlossene Anlaufstelle für Palästinenser in Ostjerusalem wieder aufsperren; die Wiedereröffnung des Konsulats wurde dann aber auf einen Zeitpunkt nach Bennetts Washington-Besuch verschoben. Man wolle die Gespräche nicht belasten, hieß es. (Maria Sterkl aus Jerusalem, 24.8.2021)