Das Duell mit seinem Vorgänger Norbert Hofer um die blaue Parteispitze sieht FPÖ-Chef Herbert Kickl als einfachen Positionswechsel an, nicht als Machtkampf.

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Herbert Kickl lief sich vor dem ORF-"Sommergespräch" am Montagabend noch einmal warm. Der 52-Jährige, erst Mitte Juni mit rund 88 Prozent zum FPÖ-Chef gewählt, dampfte geradezu in dem Video, mit dem er seine Instagram-Follower zum Zuschauen aufrief. Seinen Vorgänger Norbert Hofer hatte er einige Wochen zuvor mit weniger Aufwand von der Parteispitze gedrängt – ins Schwitzen kam der Kärntner da keineswegs.

Von außen schaute das alles aber reichlich böswillig aus. Da schien Kickl seinen eigenen Kameraden, der sich damals gerade in Reha befand, mit einer taktischen Spitze nach der anderen an den Rand zu drängen. Kickl, der langjährige Fädenzieher im Hintergrund, griff offen nach der Macht. Hofer schmiss hin. Für Kickl auch heute noch eine Lappalie. Man habe einfach die Position gewechselt. Nicht mehr und nicht weniger.

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Wann Kickl das Gefühl entwickelt hat, in die erste Reihe vorstoßen zu wollen? Diese Frage empfand Kickl als Unterstellung. Ein solches "Lustgefühl" will er nie gehabt haben. Im Gegenteil, dafür habe er als Innenminister gar keine Zeit gehabt. Sein Auftrag sei es gewesen, eine Vielzahl an Änderungen im Asylbereich umzusetzen.

Ein Anruf mit Bewegung

Es dauerte recht lange, bis Kickl überhaupt mit seinem innerparteilichen Aufstieg konfrontiert wurde. Davor wurde er erst auf seine jugendliche Faszination für die französische Fremdenlegion angesprochen. Dies hielt der heute Freiheitliche sogar einst in der Maturazeitung fest. Der FPÖ-Chef entgegnete schlicht, dass er nie ein Geheimnis daraus gemacht habe, dass er früher Berufssoldat werden wollte.

Kickl über seine Faszination für die Fremdenlegion.
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Kickl wurde dann auch gefragt, ob man manchmal nicht sogar mehr in der Opposition bewegen könne als im Ministeramt. Auch außerhalb der Regierung sei viel möglich, sagte er. Nicht zuletzt sei Jörg Haider ein Beweis dafür, der die Stimmung in Österreich "geprägt" habe. Durch die FPÖ sei diese beim Thema Zuwanderung gekippt, hob Kickl positiv hervor.

Kickl zu Haider.
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Als Innenminister habe man wiederum die Möglichkeit, "jederzeit in einer Polizeiinspektion anzurufen und sie in Bewegung setzen", sagte Kickl, der Macht aber "eine Nebenerscheinung" nannte, die nichts sei, worin man sich suhlt.

Hitzige Corona-Debatte

Kurz wurde es auch philosophisch. Was sei die "Freiheit", von der Kickl spreche? Es gehe darum, dass der Staat die Freiheit und Selbstbestimmung des Einzelnen schütze, und sie nicht zu eliminieren, sagte er. In der Pandemie sei das Gegenteil der Fall.

Kickl empfindet die Corona-Pandemie als "unglaublich aufgebauscht".
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Corona wurde im Interview mit Lou Lorenz-Dittlbacher tatsächlich erst sehr spät Thema. Dafür aber umso hitziger. Es ging um die Impfung, gegen die Kickl seit Wochen mobilmacht. Warum er so stolz darauf sei, dass er sich nicht impfen lasse, wird der Blaue gefragt. Den Stolz wies er sogleich von sich. Die Pandemie bezeichnete er aber als eine Bedrohung, "die unglaublich aufgebauscht ist". Die Evidenz, dass er am Virus sterbe, gehe de facto gegen null.

Zum Schluss die Migration

Kickl wurde folglich mit Oberösterreichs Landesvize Manfred Haimbuchner (FPÖ) konfrontiert, der einen sehr schweren Verlauf nach einer Corona-Infektion durchmachte. Eine Impfung hätte ihm wohl geholfen, warf die Journalistin ein. Kickl schien ziemlich sauer. Die Debatte endete schließlich erwartbar damit, dass der ehemalige Innenminister die Impfung als "haltloses Versprechen" bezeichnete.

Kickl zur Corona-Impfung.
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Zum Schluss ging es noch um Migration. Kickl wurde erst gar nicht gefragt, ob Österreich Flüchtlinge aus Afghanistan aufnehmen solle. Man könne die Antwort erahnen, warf die Moderatorin ein. Aber durch die Machtübernahme der Taliban seien Frauen besonders gefährdet. Was also tun?

"Es gibt Dinge, die wir nicht ändern können", sagte Kickl. Er glaube nicht, dass Österreich das Leid der Frauen in Afghanistan mindern könne. Am ehesten noch das der afghanischen Botschafterin. Da könne sich Kickl vorstellen, dass man ihr Asyl gibt. Ob Kickl das Foto des Babys in den Armen eines Soldaten kaltließ? Das lasse niemanden kalt, sagte Kickl. Aber derartige Bilder könne man jeden Tag in Afrika produzieren. "Und dann wollen Sie mir erklären, dass wir für alles das zuständig sind?" Er fühle sich für die Armut im eigenen Land zuständig, sagte Kickl. (Jan Michael Marchart, Gabriele Scherndl, 23.8.2021)