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Der Verkehr ist das Problemkind der österreichischen Klimapolitik. Während wegen üppiger Förderungen schon jedes zehnte neue Auto im Land elektrisch betrieben wird, ist diese Zahl bei den Lastkraftwagen beinahe noch bei null. Das ist ein riesiges Problem, denn die zigtausend Lkws im Land sorgen für massive Emissionen und damit Klimawandelschäden. Alternativen werden erforscht. Bis sie da sind, vergehen wohl noch Jahre. Wie kann es gehen?

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Elf Prozent der Emissionen Österreichs verursachen Lkws.
Foto: Der Standard

Auf den letzten Metern sind Lkws in der Wirtschaft unverzichtbar: wenn es etwa darum geht, die Tomaten in den Supermarkt zu bringen oder Holz auf eine Baustelle. Die meisten Kilometer legen sie aber im Fernverkehr zurück. Etwa wenn Rohstoffe aus Rumänien nach Österreich gebracht werden. Lkws verursachen elf Prozent der CO2-Emissionen in Österreich. Seit 1990 haben sie sich mehr als verdoppelt. Pkw-Emissionen sind um etwa die Hälfte gestiegen.

Damit sich das schnell umkehrt, braucht es Alternativen zum Diesel-Lkw. Am einfachsten ist, die Lösung in drei Fragen aufzuteilen. Zwei davon lassen sich relativ einfach beantworten. Die dritte ist kompliziert – hier ist noch nicht klar, wie die Antwort ausfallen wird.

Frage eins: Fahren Lkws im Nahverkehr künftig mit Batterien?

Antwort: Ja. Das passiert probeweise auch schon, etwa beim Konzern Rewe. Ein großes Lager in Inzersdorf in Wien liefert dort etwa Milch und Aufstriche an die Billa-Filialen. Mit dabei ist auch ein batteriebetriebener Lkw, der im Regelbetrieb integriert ist – und mit dem der Konzern Erfahrungen für die Zukunft sammeln will. Ein zweiter kommt bald dazu. Das ist quasi der perfekte Anwendungsfall für batteriebetriebene Lkws: Sie fahren kurze Strecken und kommen schnell wieder zurück in die Garage, wo sie geladen werden können.

Das Logistikunternehmen Gebrüder Weiss hat zwei batteriebetriebene Lkws in Wien im Einsatz. Einer davon fährt am Tag 60 Kilometer nach Bratislava und wieder zurück, "dann muss man ihn wieder sechs Stunden laden", sagt Peter Waldenberger, der dort für Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen verantwortlich ist. "Wenn ich für einen Kunden jeden Tag dieselbe Strecke fahre, ist das sinnvoll." Noch sind diese Lkws sehr teuer. Bei Rewe heißt es, ein klassischer Diesel-Lkw ohne Hänger koste 150.000 Euro, ein E-Lkw derzeit in etwa doppelt so viel.

Hersteller wie MAN, Scania oder Daimler Trucks haben aber erste kommerzielle Baureihen für E-Lkws angekündigt, was die Preise sinken lassen wird. In der EU sind sie unter Druck, denn sie müssen die CO2-Emissionen ihrer Flotte bis 2030 um 30 Prozent senken. Diese Vorgaben haben auch im Pkw-Sektor die E-Mobilität stark vorangetrieben. Genau wie Tesla, das durch technische Innovationen Druck machte. Der Forscher Auke Hoestra erwartet, dass das auch bei Lkws passiert. Tesla will E-Lkws mit 1.000 Kilometern Reichweite bauen.

Frage zwei: Sind Oberleitungen wie bei Straßenbahnen sinnvoll?

Antwort: Ja. Oberleitungen kennt man derzeit nur von Straßenbahnen, Zügen oder Bussen, die so ihren Strom beziehen. Künftig könnte man Autobahnen ebenfalls damit ausstatten. Lkws könnten anbügeln, eine Teilstrecke so fahren und nebenbei ihren Akku laden. Auf stark befahrenen Straßen verhelfen Oberleitungen allen Lkws, egal ob mit Batterie, Hybrid oder Wasserstoff betrieben, zu mehr Effizienz, sagt Julius Jöhrens vom Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg. Eine Studie hat in Österreich Strecken zwischen Salzburg und Wien, etwa die Westautobahn (A1) und die Südautobahn (A2), als prädestiniert ausgemacht.

In Deutschland wird das System schon getestet.
tagesschau

Oberleitungen können auch Probleme von Batterien für längere Strecken lösen: Lastwagen müssten nicht so oft zum Laden halten und sie bräuchten kleinere Batterien, es bliebe mehr Nutzlast für Güter, die befördert werden. Auch die Belastung fürs Stromnetz würde sinken: Wenn zigtausende Lkws in Österreich Strom tanken, brauchen sie erstens viel Platz an den Tankstellen, denn sie stehen ja länger als ein Lkw, der nur Diesel tankt. Und zweitens wäre das Netz in der Nähe von Autobahnen stark gefordert. So würde sich das besser verteilen.

Noch ist das Ganze aber in Kinderschuhen. In Deutschland wird an drei Standorten erprobt, was das mit dem Verkehrsfluss macht und ob die Sichtbarkeit von Schildern eingeschränkt wird. Auch wie man mit Tunneln umgeht, ist ein großes Thema. Sind diese Fragen geklärt, bleibt ein Henne-Ei-Problem zu lösen. Zwar ist die Infrastruktur nach einiger Zeit rentabel – man könnte die Lkw-Betreiber dafür zahlen lassen. Aber zuerst braucht es große Investitionen vom Staat. Bis klar ist, dass die kommen, entwickeln Lkw-Hersteller auch keine passende Lkws.

In Österreich wird dazu gerade eine Machbarkeitsstudie durchgeführt.

Frage drei: Welche Technologie setzt sich im Fernverkehr durch?

Antwort: Der Fernverkehr, in dem Lkws hunderte Kilometer zurücklegen, schien lange nicht mit Batterien zu betreiben. Denn für Spediteure ist entscheidend, wie lange man mit einem Lkw fahren und wie schwer man ihn beladen kann. Ein schwerer Lastwagen in den USA, der elf Tonnen 960 Kilometer fahren muss, bräuchte dafür derzeit noch eine 16 Tonnen schwere Batterie, schreibt der Logistikprofessor Alan McKinnon. Das ist völlig sinnlos.

Aber Batterien machen Fortschritte, sie werden leichter, rasant billiger – um 60 Prozent zwischen 2010 und 2018 – und halten länger. Spricht man mit Praktikern, ist die Skepsis aber nach wie vor groß. Bei Gebrüder Weiss ist in der Schweiz ein Wasserstoff-Lkw im Einsatz, der schon 400 Kilometer Reichweite hat. Das Tanken dauert lediglich zehn Minuten. "Das ist für uns die absolute Zukunft für das, was Speditionen benötigen", sagt Peter Waldenberger. Auch Wasserstoff-Lkws fahren mit Strom, nur wird er hier erst lokal in einer Brennstoffzelle produziert.

Rewe will 2022 einen Wasserstoff-Lkw anmieten, um ihn im Fernverkehr zu testen. "Wenn wir 500 Kilometer in ein Tal fahren, ist das etwas anderes, als wenn wir mit dem batteriebetriebenen Lkw von Inzersdorf aus Wien beliefern", sagt Jochen Geisendorfer, Bereichsleiter in der Logistik bei Rewe. Wasserstoff hat aber das Problem, dass er pro Kilometer mehr als doppelt so teuer ist wie Diesel. Und da ist von den Fahrzeugkosten noch nicht die Rede. Allein die Brennstoffzellen, die den Lkw antreiben, kosten hunderttausende Euro.

Testen, testen, testen

Das deutsche Umweltbundesamt hat ausgerechnet, dass Wasserstoff in einer ganzheitlichen Betrachtung im Fernverkehr – also inklusive Fahrzeuge, Energie und Infrastruktur – mehr als doppelt so viel kostet wie ein System, das auf batteriebetriebene Lkws baut. Für Spediteure ist Wasserstoff praktischer, weil sie weiter kommen und man mehr aufladen kann. Die Frage ist nur, wer für die höheren Kosten aufkommt. Unternehmen fordern hohe Subventionen.

Bis Wasserstoff oder batteriebetriebene Lkws in Serie gehen, vergehen aber Jahre. Darum halten es Forscher für sinnvoll, in den nächsten Jahren intensiv zu testen, welche Fahrzeuge sich für welche Wege eignen – um dann um 2025 politisch zu entscheiden, wo Infrastruktur für was gebaut wird. "Das muss in Europa koordiniert werden, und auch die Speditionsunternehmen müssen an Bord", sagt der Umweltforscher Julius Jöhrens. "Damit die hinterher dann auch mitmachen."

Und dann massiv investieren

Für die Zeit danach müssen Pläne in der Schublade liegen, damit Lade- und Tankstellen oder Oberleitungen rasch in Betrieb genommen werden können. Die EU-Kommission will, dass auf den wichtigsten Autobahnen bis 2025 alle 60 Kilometer Schnellladestationen für E-Lkws und E-Autos, alle 150 Kilometer Wasserstofftankstellen stehen. Was den Umstieg schneller vorantreiben könnte, wäre die Einführung einer CO2-abhängigen Lkw-Maut. In Deutschland zahlen Lkws mit alternativem Antrieb derzeit gar keine Lkw-Maut. In Österreich zahlen sie die Hälfte, bald nur mehr ein Viertel, heißt es dazu aus dem Ministerium.

Die Zeit ist jedenfalls knapp. Fast jeder zweite Lkw in Österreich bleibt länger als zehn Jahre auf der Straße. Im Mobilitätsmasterplan des Klimaministeriums ist vorgesehen, dass ab 2030 keine Diesel-Lkws unter 18 Tonnen mehr zugelassen werden. Schwere Lkws müssen dann ab 2035 alternativ betrieben werden, um zugelassen zu werden. Noch steht das aber nur auf dem Papier – in der Regierung ist das nicht abgestimmt, Gesetze dazu fehlen.

Im nächsten Beitrag geht es um die Dekarbonisierung von Flugzeugen. Melden Sie sich für den Gratis-Newsletter an, um ihn nicht zu verpassen. (Andreas Sator, 29.8.2021)