Das Allroundwerkzeug der Dickhäuter ist ein lohnendes Vorbild für die Robotik, sagen Forscher.

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Forscher haben die Grundlagen der erstaunlich vielfältigen Bewegungen entschlüsselt, die Elefanten mit ihren Rüssel durchführen. Dies könnte helfen, Robotern ganz neue Fähigkeiten zu verleihen, berichten sie im Fachmagazin "Current Biology". Die tausenden Muskeln des Elefantenrüssels verleihen diesem eine erstaunliche Beweglichkeit – von Verdrehung, Biegung, Dehnung, Verkürzung bis hin zur Versteifung.

Mit ihrem Riechorgan, das keine Knochen besitzt, können Elefanten nach einzelnen Grashalmen ausrupfen oder Lasten von bis zu 270 Kilogramm tragen Forscher um Michel Milinkovitch von der Universität Genf fanden nun heraus, dass Elefanten für die vielfältigen Bewegungen auf ein Set aus 17 Grundbewegungen zurückgreifen. "Sie setzen die einzelnen Bausteine so zusammen, dass im Prinzip eine sehr große Zahl von Bewegungen möglich ist", sagte Milinkovitch.

Kreative Lösungen

Für die Studie stellten die Forschenden zwei in Südafrika lebenden Elefantenmännchen eine Reihe von Geschicklichkeitsaufgaben. Sie ließen die Tiere mit dem Rüssel Zylinder, Würfel, Kugeln, Ringe und Kegel aus Holz, Aluminium und Stahl in verschiedenen Größen ergreifen, heben und an einem vorgegebenen Ort ablegen. Während die Elefanten die Aufgaben mit erstaunlicher Kreativität meisterten (und dafür Leckerli erhielten), zeichneten die Wissenschafter die Bewegungsabläufe der mit Reflektoren bekleideten Rüssel detailreich auf, auch mittels Infrarotkameras.

Sie beobachteten beispielsweise, dass die Elefanten eine leichte Holzscheibe an den Rüssel saugten und so transportierten. Bei einer schweren Metallplatte hingegen diente die Saugkraft dazu, das Objekt in sicherer Position zu halten, während sie ihren Rüssel um die Scheibe wickelten. Eine eigenartige Strategie wandten die Elefanten an, wenn sich das zu greifende Objekt seitlich von ihnen befand: Sie "knickten" den Rüssel zwischen starren Segmenten, die wie durch Gelenke miteinander verbunden schienen. Das Bild glich einem am Ellbogen und Handgelenk gebeugten menschlichem Arm. "Die beobachteten Bewegungen waren unglaublich", sagte Milinkovitch.

Rüssel als 3D-Modell

Im Labor in Genf schoben die Forscher außerdem Rüssel von zwei verstorbenen Zoo-Elefanten in den Computer- und Magnetresonanztomografen, um die verschiedenen Muskeln sichtbar zu machen. Mit dieser Datenfülle gelang es ihnen, in Computermodellen die Bewegungen der Rüssel detailliert in 3D nachzubilden.

Die detailgetreuen Analysen des Elefantenrüssels sollen in ein Robotik-Projekt fließen. Bisherige Roboter seien außerordentlich gut darin, eine einzige Bewegung auszuführen, bei neuen Aufgaben kämen sie aber schnell an ihre Grenzen, sagte Milinkovitch. "Das Ziel wäre es, einen komplett neuen Roboter zu entwickeln, der aus weichen Materialien besteht und verschiedenste Bewegungsabläufe beherrscht." Denkbar wäre etwa ein Roboter, der einer gebrechlichen Personen helfen könnte, nach einer Tasse zu greifen oder aufzustehen. (red, APA, 24.8.2021)