Der russische Pianist Daniil Trifonov begeisterte in Salzburg.

Foto: Salzburger Festspiele/Marco Borrelli

Salzburg – Außerirdische, die diesen überirdischen Abend im Großen Festspielhaus womöglich heimlich in ihrem Raumschiff abgehört haben, wissen jetzt, was eine Fuge ist. Auch wenn ihnen die Worte fehlen mögen für diese komplexen Abläufe. Der russische Pianist Daniil Trifonov spielt Bachs Kunst der Fuge BWV 1080 und lässt, statt kontrapunktische Strenge zu exekutieren, da eine verträumte Sarabande vorüberziehen, dort Tänzer eine Gigue in den den Boden stampfen.

Dann der Kontrast: Ein zartes Thema, vor irgendwoher aus dem Äther wehend, durchläuft chromatische Wandlungen und schwebt wieder davon ... Facettenreicher in der Klanggebung hat man diese 15 Nummern noch nie gehört. Trifonov entfaltet die Kunst der Fuge nicht weniger klangsinnlich und klangrednerisch als etwa Chopins oder Schostakowitschs Préludes.

Programmbrocken

Kurzum: Trifonov hat auch hier Zeit und Finger "genug", in der strukturellen Strenge auch emotional aufwühlende Momente – lyrisch oder dramatisch – unterzubringen. Umrahmt haben diesen monumentalen, allerdings gar nicht monolithischen Programmbrocken zwei Bearbeitungen legendärer Bach-Werke für Klavier: Brahms’ Fassung der Chaconne aus der Partita Nr. 2 für Violine solo BWV 1004 (für Klavier, für die linke Hand).

Mit dabei aber auch der Choral Jesus bleibet meine Freude BWV 147 in der Bearbeitung für Klavier von Myra Hess. Die 32 Variationen der Chaconne kamen in der Lesart von Trifonov ebenso vielfarbig daher wie die Fugen und Kanons zuvor. Den Choral ließ er beinah in Demutshaltung aus dem Rankenwerk der Begleitung hervortreten und darin wieder aufgehen.

Mit einigen Nummern aus dem zweiten Notenbüchlein für Anna Magdalena Bach gab Trifonov schließlich seinem Publikum das Geleit zurück in die Welt. Es gibt sie, Konzerte wie dieses, welche man staunend und sogar dankbar verlässt. (klaba, 25.8.2021)