Wer an einem offiziellen Laufbewerb teilnimmt, hat an Verpflegungsstationen die Qual der Wahl.

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Bei Kilometer 30 steht er angeblich: der Mann mit dem Hammer, der für Angst und Schrecken unter Marathonläuferinnen und Marathonläufern sorgt. Gemeint ist mit diesem Laufmythos natürlich kein tatsächlicher werkzeugschwingender Mensch entlang der Laufstrecke, sondern der Leistungseinbruch, den viele erleben, wenn die Kohlenhydratspeicher beim Laufen nach zwei bis drei Stunden leer sind.

Dann ist der Flow dahin, das Tempo muss verlangsamt werden – und der Lauf wird richtig anstrengend. "Dem kann man aber vorbeugen, wenn man frühzeitig mit der Zufuhr von Kohlenhydraten anfängt", erklärt Helen Bauhaus, auf Sporternährung spezialisierte Ernährungswissenschafterin am Institut für Biochemie an der Deutschen Sporthochschule Köln. Sie stellt klar: Wer einen Marathon absolvieren möchte, muss sich schon im Training mit der Ernährung auf den 42,195 Kilometern bis ins Ziel beschäftigen.

Mindestens 30 Gramm pro Stunde

Gespeichert werden die wichtigen Kohlenhydrate in der Muskulatur, in der Leber und als freie Kohlenhydrate im Blut. "Aber die Mengen sind nicht so groß, dass sie uns durch einen Marathon bringen", sagt Bauhaus. Entscheidend für einen guten Marathon oder Halbmarathon ist daher, die Speicher schon vorab anzufüllen. Das passiert traditionellerweise bei der Pasta-Party am Vorabend. Und auch das Frühstück sollte reich an Kohlenhydraten sein.

Ab einem einstündigen Lauf kann es laut Bauhaus schon Sinn machen, zwischendurch ein paar Bissen zu essen. Das sei bei kurzen Läufen aber Geschmackssache. Wer sich an weitere Strecken wagt, sollte pro Stunde etwa 30 bis 60 Gramm Kohlehydrate zu sich nehmen – und zwar von Anfang an, damit die Speicher sich gar nicht erst leeren. Bei der vollen Marathondistanz werden sogar 90 Gramm Kohlenhydrate pro Stunde empfohlen. "Die Kohlenhydrate sind während der Belastung das Wichtigste, weil sie aus energetischer Sicht der limitierende Faktor sind", sagt Bauhaus.

Besonders schnell ins Blut gelangen kurzkettige Kohlenhydrate wie Traubenzucker oder Haushaltszucker. Daher mache es unter Belastung auch Sinn, auf Zucker zu setzen, was sich in den Zutatenlisten von Sportnahrungsmitteln widerspiegelt. Ob auf das Zuckerhoch das oft gefürchtete Tief folgt, werde derzeit noch diskutiert. Die Datenlage ist laut Bauhaus vor allem in Bezug auf die Leistungsfähigkeit schwach, "das wird künftig sicher noch stärker durchleuchtet werden".

Wer bei einem offiziellen Wettbewerb an den Start geht, hat bei den Verpflegungsstationen in der Regel die Wahl zwischen Bananenstücken, Sportdrinks und manchmal auch Gelen. So ein handliches Gel hat – je nach Hersteller – bis zu 25 Gramm Kohlenhydrate. Ähnlich schaut es bei einer ganzen Banane aus, die man sich aber auf mehrere Stücke pro Stunde aufteilen sollte.

Achtung, Verdauungsprobleme

Wer eine empfindliche Verdauung hat, sollte sich allerdings nicht auf die Verpflegung entlang der Strecke verlassen, sondern vorab Erprobtes dabeihaben oder sich an fix ausgemachten Punkten von Freunden und Familie übergeben lassen. Denn Kohlenhydrate in reiner Form können in Verbindung mit der ungewöhnlichen Belastung und der Aufregung am Wettkampftag zu Verdauungsproblemen führen.

Überhaupt sollte im Training und bei Wettkampfgeschwindigkeit erprobt werden, welche Snacks für einen selbst funktionieren – und welche man bei Kilometer 30 beim besten Willen nicht mehr hinunterkriegt. Wer keine feste Nahrung zu sich nehmen möchte, kann sich auch mit Sportgetränken helfen, die ebenfalls Kohlenhydrate enthalten.

Generell sollte natürlich auf ausreichend Flüssigkeitszufuhr beim Laufen geachtet werden, "wobei Hobbyathleten eher dazu tendieren, zu viel zu trinken", sagt Bauhaus. Auch das kann ein Problem sein – vor allem, wenn es sich um natriumarmes Wasser handelt.

Selten, aber doch hört man von Läuferinnen oder Triathleten, die nach dem Wettkampf an einer sogenannten Hyponatriämie, also einer Wasservergiftung leiden. Im schlimmsten Fall kann das tödlich enden, weil sich dadurch der Wasser-Elektrolyt-Haushalt im Körper verschiebt. Bauhaus empfiehlt, über den Wettkampf verteilt immer wieder kleine Schlucke zu trinken, "am besten von natriumangereicherten Wasser oder einem kohlenhydrat- und natriumhaltigen Sportgetränk".

Geschafft!

Irgendwann ist der Marathon dann endlich geschafft und das Ziel erreicht. Nun sollte rasch Flüssigkeit zugeführt werden – etwa in Form eines im Zielraum oft verteilten alkoholfreien Biers. Das ist laut Bauhaus eine gute Wahl, weil es zusätzlich Kohlenhydrate enthält und so die Wiederauffüllung der im Lauf entleerten Kohlenhydratspeicher unterstützt. Von Alkohol rät die Ernährungswissenschafterin trotz Feierstimmung nun aber ab, weil dieser Anpassungsprozesse im Körper hemmt und die Regeneration verlangsamt.

Neben Flüssigkeit und Kohlenhydraten ist es nun wichtig, rasch Proteine zu sich zu nehmen. Etwa 0,3 bis 0,4 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht sollten es sein, am besten innerhalb von zwei Stunden nach dem Zieleinlauf. Für die Heimreise vom Marathon empfiehlt die Ernährungswissenschafterin daher, sich vorab eine Mahlzeit wie Topfen mit Haferflocken und Obst oder ein Weckerl mit Frischkäse, Obst und Salat vorzubereiten.

Viele wachen auch am Tag danach mit mehr Appetit als sonst auf. Immerhin verbrennt man bis zu 2.800 Kilokalorien, wenn man einen Marathon finisht. "Am Wettkampftag selbst wird man vermutlich nicht dazukommen, den Energiebedarf zu decken", sagt Bauhaus. Daher holt sich der Körper die Kalorien am nächsten Tag. "Es ist völlig in Ordnung, dass man an einem solchen Tag mehr isst als sonst. Das gehört zur Regeneration dazu", sagt die Expertin. Es spricht also wirklich rein gar nichts gegen eine zweite Portion Pasta am Tag nach dem Marathon. (Franziska Zoidl, 28.8.2021)