Herzmuskelentzündung als seltene Nebenwirkung der Impfung betrifft vor allem junge Burschen. Doch das Risiko, sie nach Corona-Infektion zu bekommen, ist deutlich höher.

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Im Frühjahr waren sie das erste Mal in den Schlagzeilen: Herzmuskelentzündungen. In Israel traten sie nach Impfungen mit den mRNA-Impfstoffen von Biontech/Pfizer und Moderna gehäuft auf – besonders betroffen waren laut einem Bericht der israelischen Gesundheitsbehörde junge Männer zwischen 16 und 19 Jahren.

Untersuchungen aus den USA und schließlich auch der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) bestätigten die Befunde aus Israel. Anfang Juli legte ihr Pharmakovigilanz- Ausschuss (PRAC) einen Bericht vor: In sehr seltenen Fällen kann es nach Impfungen mit den Vakzinen von Biontech/Pfizer und Moderna zu Herzmuskel- und Herzbeutelentzündungen kommen, heißt es darin. Die Komplikationen treten in der Regel innerhalb von 14 Tagen nach der Impfung auf – und zwar häufiger nach der zweiten Dosis und bei jüngeren Männern.

Herzmuskelentzündungen in Fachinfomation aufgenommen

Bis zum 31. Mai wurden im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) 145 Fälle von Myokarditis und 138 Fälle von Perikarditis bei Personen festgestellt, die mit dem Biontech-Impfstoff geimpft worden waren. Beim Impfstoff von Moderna waren es 19 Fälle von Myokarditis und ebenfalls 19 Fälle von Perikarditis. Schätzungen zufolge wurden bis 31. Mai im EWR rund 177 Millionen Dosen des Impfstoffs von Biontech/Pfizer und 20 Millionen Dosen des Impfstoffs von Moderna verabreicht.

Die Hersteller müssen Entzündungen des Herzmuskels und des Herzbeutels deshalb nun als Nebenwirkungen in der Fachinformation anführen. Ärzte sind angehalten, bei ihren Patientinnen und Patienten auf Brustschmerzen, Kurzatmigkeit oder Palpitationen, also Herzstolpern, zu achten, Geimpfte sollen bei diesen Symptomen sofort medizinische Hilfe suchen.

Schon im Mai stand laut den Expertinnen und Experten der EMA aber fest: Der Nutzen der Impfung überwiegt weiterhin ihre Risiken – auch bei jüngeren Geimpften. Die Erkrankungen verlaufen grundsätzlich mild, und in den meisten Fällen komme es unter einer konservativen Behandlung mit Ruhe und nichtsteroidalen Antiphlogistika (NSAID) innerhalb kurzer Zeit zu einer Besserung, heißt es auch in einem Statement der WHO. Gerade jüngere Menschen, deren Risiko, schwer zu erkranken, in der Regel geringer ist, waren aber verunsichert, ebenso Eltern, die überlegten, ihre Kinder impfen zu lassen. In Deutschland sprach die Ständige Impfkommission (Stiko) lange nur eine eingeschränkte Impfempfehlung für Kinder und Jugendliche aus. Die Datenlage reiche noch nicht aus, hieß es.

Hospitalisierungen, aber mit überwiegend mildem Verlauf

Dass der Nutzen der Impfung die Risiken aber auch in der Altersgruppe der Zwölf- bis 17-Jährigen deutlich überwiegen dürfte, zeigt eine kürzlich veröffentlichte Auswertung der US-Gesundheitsbehörde CDC. Für die Studie gaben 129.000 geimpfte Jugendliche über eine App regelmäßig Auskunft über ihren Gesundheitszustand, zudem wurden die Daten des US-amerikanischen Impfstoffsicherheitsmonitorings (VAERS) einbezogen.

Die Stiko schätzt anhand dieser Daten, dass einer von 15.873 Burschen in dieser Altersgruppe nach der zweiten Impfung eine Herzmuskelentzündung entwickeln kann. Bei Mädchen in dieser Altersgruppe sind es deutlich weniger. 96 Prozent wurden hospitalisiert, jedoch bei überwiegend mildem Verlauf.

Die Studie aus den USA liefert auch einen weiteren wichtiger Befund: Es traten keine anderen seltenen und schweren Nebenwirkungen auf.

In Bezug auf die Häufigkeit von Herzmuskelentzündungen ergeben Daten aus Deutschland ein ähnliches Bild: Laut der Stiko wird hier eine Herzmuskelentzündung pro 17.483 vollständig geimpften Jungen gemeldet. In Österreich hat das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) bisher 73 Herzmuskelentzündungen nach einer Impfung erfasst – wie viele davon Kinder und Jugendliche betreffen, ist im Bericht des BASG nicht ausgewiesen.

Höheres Entzündungsrisiko nach Covid-Erkrankung

Die Studienergebnisse aus den USA sind einer der Gründe dafür, dass nun auch die Stiko die Impfung für Zwölf- bis 17-Jährige uneingeschränkt empfiehlt. Obwohl Expertinnen und Experten davon ausgehen, dass Herzmuskelentzündungen nach der Impfung durch Meldesysteme wie VAERS möglicherweise etwas untererfasst werden, kristallisiert sich eine Erkenntnis immer mehr heraus: Auch eine Infektion mit Sars-CoV-2 kann mit Herzmuskelentzündungen einhergehen.

Tatsächlich schätzt eine Studie aus den USA, die Versichertendaten analysierte und bisher nur als Preprint vorliegt, dass in der Gruppe der zwölf- bis 17-jährigen Burschen einer von 2.200 Covid-19-Erkrankten eine Herzmuskelentzündung entwickelt. Damit ist das Risiko, nach einer Erkrankung eine Herzmuskelentzündung zu entwickeln, sechsmal so hoch wie nach der Impfung. (ek, 25.8.2021)