Überschwemmungen und Waldbrände, im Bild die Luftaufnahme eines im Juli zerstörten Waldgebiets westlich von Jakutsk in Sibirien, haben Russland heuer besonders stark heimgesucht.

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Es ist ein heißer Sommer in Russland: Wochenlang sah das Land vielerorts absolute Temperaturrekorde. Die Dürre macht den Bauern zu schaffen. Waldbrände, ein alljährliches Phänomen in Russland, wurden durch die Hitzewelle weiter entfacht. Laut Greenpeace sind heuer schon mehr als 17 Millionen Hektar abgebrannt – das Doppelte der Fläche Österreichs.

Der bisher größte Verlust an Waldfläche – rund 18 Millionen Hektar anno 2012 – scheint durchaus in Reichweite bis Jahresende, brennen doch immer noch riesige Bestände der Taiga vom Ural bis Ostsibirien.

Auch andere Kataklysmen suchten Russland heim: Die Schwarzmeerküste wurde im Sommer gleich mehrfach von starken Überschwemmungen heimgesucht. Sowohl auf der von Russland annektierten Krim als auch auf dem gegenüberliegenden Gebiet Krasnodar rund um den Olympiaort Sotschi richtete der Flutregen schwere Verwüstungen an.

Umdenken hat begonnen

Wenn sich Russland lange Zeit als möglicher Gewinner des Klimawandels sah und von neuen landwirtschaftlichen Flächen im hohen Norden, der Erschließung des nördlichen Seewegs oder fossiler Lagerstätten in der Arktis durch die Eisschmelze träumte, so hat inzwischen in Moskau ein Umdenkprozess begonnen.

Diesen Sommer ist das Thermometer auch in Moskau wiederholt auf 35 Grad Celsius geklettert.
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Die volkswirtschaftlichen Schäden der Erderwärmung sind hoch. Bis 2050 könnten sie auf 100 Milliarden Euro pro Jahr steigen. Präsident Wladimir Putin hat daher nicht nur das Pariser Klimaschutzabkommen unterzeichnet, sondern jüngst auf dem Petersburger Wirtschaftsforum von seinen Untergebenen auch gefordert, die CO2-Ausstöße in Russland auf ein Niveau unterhalb der EU-Werte zu senken. Dazu solle das Wirtschaftsministerium auch ein Programm zur "Dekarbonisierung" der Wirtschaft ausarbeiten, sagte Putin.

Neues Klimaschutzgesetz

Tatsächlich hat die russische Staatsduma im Juni bereits ein neues Klimaschutzgesetz verabschiedet. Das Gesetz verpflichtet die Industrie zu einem Monitoring ihrer Emissionen. Bis 2030 sollen zudem die CO2-Ausstöße auf 70 Prozent des Niveaus von 1990 gesenkt werden, heißt es.

Während der Industriellenverband die Vorgaben als "objektiv" lobt, sind Umweltschützer enttäuscht. Die Klimaziele seien nicht besonders ambitioniert, urteilt auch der Chef der Fakultät für Volkswirtschaft an der Higher School of Economics in Moskau, Igor Makarow. Das Ziel liege nämlich deutlich über dem derzeitigen Ausstoßniveau und mache weitere Anstrengungen zu CO2-Reduktionen unnötig.

Hintergrund ist der dramatische Wirtschaftsverfall nach dem Untergang der Sowjetunion, der zu Produktionsrückgang und der Schließung vieler Fabriken geführt hat. Das Jahr 1990 ist somit als Basiswert nutzlos, um eine Klimaschutzpolitik von heute zu demonstrieren.

Streit um Green Deal

Ärger gibt es auch um den Green Deal der EU und insbesondere um den CO2-Grenzsteuerausgleich, den Brüssel verlangt. Russland sieht sich als einen der größten Verlierer dieser Steuer und rechnet bis 2030 mit Verlusten von 6,5 Milliarden Euro.

Igor Setschin, Chef des staatlichen Ölgiganten Rosneft und einer der engsten Vertrauten des Kremlchefs, warnte in einem Brief an Putin, die Grenzsteuer könne Russland schwerer schaden als die jahrelangen Sanktionen. Putin solle darauf dringen, Russland von dieser Abgabe auszunehmen, forderte er.

Gespenstische Stimmung in Sibirien. Wo kurz vorher noch ausgedehnte Waldflächen waren, sind nach einem Riesenfeuer im heurigen Sommer nur mehr abgebrannte Baumstümpfe zu finden.
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Zur Begründung brachte er dabei ein in Kremlkreisen beliebtes Argument: Russlands riesige Waldflächen seien die grüne Lunge des Planeten und schluckten wesentlich mehr Treibhausgase, als das Land produziere. In der Berechnung würde dies aber stets unterschlagen.

Umwelttechnologien

Die Argumentation ist für Moskau bequem, da Russland damit nichts machen muss, um Klimaziele zu erfüllen. Allerdings wird sie nicht von allen Entscheidungsträgern forciert. Tatsächlich gibt es in Moskau Kräfte, die die Bedeutung neuer Umwelttechnologien für die eigene Entwicklung verstanden haben. Welche Fraktion gewinnt, wird der Herbst zeigen. Bis Oktober will die Regierung ihr Klimaschutzprogramm bis 2050 vorstellen. Es bleibt abzuwarten, ob das Programm ambitionierter ist als sein Vorgänger. Wirtschaftsminister Maxim Reschetnikow ist zumindest optimistisch, dass im November beim Klimagipfel in Glasgow ein Kompromiss gefunden wird. (André Ballin, 25.8.2021)