Charlie Watts ist im Alter von 80 Jahren verstorben.

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Charlie Watts war der Coole. Der Stoiker, der hinten am Schlagzeug das Tempo hielt und dabei oft wirkte, als sei er mit dem Kopf ganz woanders. Bei seiner Pferdezucht vielleicht oder beim Jazz. Tatsächlich stand er aber im Sold der Rolling Stones. Diesem Orden war er 1963 beigetreten, und trotz aller Kasperliaden, die vor ihm auf der Bühne stattfanden, blieb er ihm lebenslang treu, wurde ein Teil davon.

Nun ist Charles "Charlie" Robert Watts gestorben und erfüllte damit jene Prophezeiung Mick Jaggers, nach der man die Stones nur im Sarg verlässt. Klingt arg, aber es geht schließlich um Rock 'n' Roll. Und dessen Lebensstil, dieser sprichwörtlichen Ausschweifung, ist Watts buchstäblich gefolgt – wobei er sogar in Hugh Hefners Playboy Mansion aller fleischlichen Verführung widerstanden und seiner Frau Shirley Ann Shepherd die geschworene lebenslange Treue gehalten haben soll. Ein Mann, ein Wort.

Erstes Schlagzeug mit 14

Dennoch gab er sich dem Lebensstil so weit hin, dass er in den 1980ern als schwer suchtkrank galt. Das war damals eine Art Folklore im Geschäft, doch Watts hat sich von seiner Abhängigkeit mit eisernem Willen befreit.

Watts wurde am 2. Juni 1941 in London geboren und soll bereits mit zehn Jahren den Jazz für sich entdeckt und sich selbst eine erste Trommel gebaut haben. Mit 14 bekam er sein erstes Schlagzeug, ging bald auf die Kunstschule und wollte Grafiker werden. Nebenbei spielte er in kleinen Clubs in einer Jazzformation.

Während diverser Umbesetzungen in der Gründungsphase der späteren Rolling Stones, die die beiden Blues-Fans Mick Jagger und Keith Richards lebenslang aneinander binden sollte, wurde 1963 der Platz am Schlagzeug frei. Charlie Watts nahm ihn ein und saß es trotz erheblicher Fliehkräfte bis zum Ende aus.

Sir von Natur aus

Neben der Welteroberung mit den Stones nahm er in verschiedenen Seitenprojekten selbst Alben auf oder trommelte fremd. Zum Beispiel bei dem 1971 erschienenen und vor großen Namen übergehenden Howlin'-Wolf-Album The London Howlin' Wolf Sessions.

Er veröffentlichte Alben mit dem Charlie Watts Quintet, sein letzter Ausflug in die Gefilde abseits seines musikalischen Hauptwohnsitzes war das 2017 erschienene Live-Album Charlie Watts Meets the Danish Radio Big Band auf dem Jazz-Label Impulse.

Mick Jagger darf sich "Sir" nennen, das wurde ihm als Titel verliehen, Watts hingegen bedurfte keinerlei höfischer Schmeicheleien, er war vom Naturell her ein Sir. Stets scharf gekleidet, war er zudem so etwas wie der Diplomat der Stones, der Familientherapeut, der Mediator, der es verstand, die beiden Gockel Richards und Jagger wieder zu versöhnen, wenn deren Egos wieder einmal kollidiert waren. Das allein kann schon als beachtliche Lebensleistung gewertet werden.

Ein Feingeist

Watts galt als kunstsinniger Feingeist, den das Touren mit seiner Band immer wieder Überwindung kostete; er hasste den Stress und das Leben aus dem Koffer, auch wenn er ihn natürlich nicht selbst tragen musste. Doch er ertrug es bis zuletzt.

Andererseits ist er auf jedem einzelnen Studioalbum der Rolling Stones zu hören, war Motor und Schöpfer jenes Weltkulturerbes, das die Stones erschaffen haben.

Im Jahr 2004 wurde bei ihm ein Kehlkopfkrebs diagnostiziert, den er jedoch erfolgreich überwinden konnte. Nun musste er das Stockerl doch noch räumen. Er soll im Kreis seiner Familie gestorben sein. Nicht weniger als eine Ära geht damit zu Ende. Charlie Watts wurde 80 Jahre alt. (Karl Fluch, 24.8.2021)