Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Moderatorin Manuela Raidl, die ihn nach Vereinbarkeit fragte.

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Vorneweg: Sebastian Kurz ist kein herausragendes Beispiel, wie sich ein werdender Vater seine erste Zeit mit seinem Kind vorstellt. Als professioneller Redner hat er aber im Puls-4-"Sommergespräch" das Argumentationsmuster für die althergebrachte und noch immer häufigste Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen besonders griffig, elegant und unverfänglich wiedergegeben. Dass sich mit der Geburt seines Kindes sein Arbeitspensum nicht ändern werde, er aber helfen würde – soweit das möglich ist. Mit dieser Perspektive auf Vaterschaft ist Kurz beileibe nicht allein.

Moderatorin Manuela Raidl fragte zur Abwechslung einen männlichen Politiker nach Vereinbarkeit. Wie das denn zusammengehe, "Regierungsamt und kleine Babys zu Hause?" Kurz antwortete so: Es gebe viele Menschen, auch außerhalb der Politik, die viel arbeiten – und damit schlug er schon die Schneise zu seinen Ausführungen, dass er diese viele Arbeit eben nicht unterbrechen könne. Keine zwei Wochen, keinen Monat. Und dass das trotz der vielen Arbeit auch andere Familie schaffen. Er selbst, so Kurz sinngemäß weiter, könnte zwar nicht wegbleiben vom Kanzleramt, aber unterstützen? Das gehe. Soweit es möglich ist.

Einzigartig, unverzichtbar

Ein paar Tage, vielleicht ein paar Wochen nach der Geburt wolle er versuchen zu unterstützen, aber mehr gehe bei einem Job wie seinem nicht.

Leider, schade, aber was soll man da machen? Das kommt uns doch bekannt vor: Mann würde so gern, der Job lässt es aber einfach nicht zu. Gut, beim Bundeskanzlerjob kann man tatsächlich darüber streiten, wie lange dieser ausgesetzt werden kann und ihn andere vertreten sollten/können. Der Umstand aber, dass wir diese Sätze weitaus nicht zum ersten Mal hören, zeigt, dass es sich hier um ein klassisches Argument für den männlichen Verzicht auf gleiche Teilhabe bei der Sorgearbeit handelt: die Unverzichtbarkeit.

Bei der Arbeit ist dieser einzigartige Mann höchstens ein paar Tage entbehrlich. Für die Mutter im Wochenbett ist er das freilich. Die macht das schon, die kommt trotz dieser fordernden und unvorhersehbaren ersten Zeit mit einem neuen, völlig hilflosen Menschen, der einen 24/7 braucht, schon zurecht. Wenn sie Hilfe durch die bereits erwähnten Nannys oder Großeltern hat, gratuliere! Aber das dann bitte laut dazusagen, sodass keine auf die Idee kommt, andere schaffen das doch auch meistens allein. Es wird allerdings nicht dazugesagt, da vermittelt man schon lieber das Bild von Vater, Mutter, Kind als autarke Einheit, die niemanden braucht.

Und dann fiel da noch ein weiterer Klassiker: Man wolle "unterstützen", "mithelfen". Dass sich ein junger werdender Vater im Jahr 2021 noch dieser Kategorie bedient, ist erstaunlich. Ein Assistentenstatus für etwas, das einen so unmittelbar selbst betrifft, wie es nur geht? Die Einstufung als "Unterstützerin" wäre für eine Mutter undenkbar, selbst wenn sie Spitzenpolitikerin, ja sogar Regierungschefin ist. Jacinda Ardern, Neuseelands Premierministerin, hat 2018 während ihrer Amtszeit ein Kind bekommen. Aussagen, dass sie daheim "mithelfen" wolle, wenn es denn möglich sei, sucht man vergeblich. Gut, Neuseeland hat knapp vier Millionen weniger Einwohner*innen als Österreich – und damals hatten wir es auch nicht mit einer Pandemie zu tun. Regierungsarbeit gab es wohl dennoch. Trotzdem blieb Ardern sechs Wochen daheim. Und Neuseeland stand danach noch.

Doch es geht gar nicht so sehr um den einen Job im Staat. Denn der Diskurs, den Kurz hier bemüht, ist keiner, der Menschen in der Spitzenpolitik vorbehalten ist. Ihn nützen unzählige werdende Väter und auch Mütter, um den heute noch ungewohnten Weg von halbe/halbe zu meiden. Es gibt tatsächlich Paare, denen es finanziell kaum möglich ist, das meist bessere Gehalt des Mannes liegen zu lassen. Doch bei sehr gut verdienenden und gut ausgebildeten jungen Eltern ist das kein Argument.

Altbekanntes Modell

Deshalb stimmt das auch nicht so ganz, wenn Kurz im Interview auch sagt, er würde das mit seiner Freundin genauso schaffen wie Millionen andere auch. Millionen andere haben einen weitaus engeren finanziellen Rahmen, innerhalb dessen sie es schaffen müssen. Für Millionen anderer Frauen bedeutet der Ausfall des Einkommens durch Kinderbetreuung eine Pension, von der sie später kaum leben können. Der Vergleich mit den Millionen anderen hinkt.

Gutverdienende Eltern haben einen unweit größeren Handlungsspielraum. Sie könne sich mit weniger finanziellen Konsequenzen für die Mütter für traditionelle Rollenverteilungen entscheiden, sie könnten es sich auch eher leisten, temporär ein geringeres Familieneinkommen zu haben, sie können fehlende Gleichstellung durch Geld aufwiegen, etwa durch den Zukauf von flexibler Kinderbetreuung oder Putzkräften.

Trotzdem tun sie gern so, also ob es, leider, leider, nun einmal nicht anders möglich wäre. Dass es halt nicht anders gehe, denn als Mann weiter 12 Stunden oder mehr pro Tag im Büro zu hackeln um dann daheim "mitzuhelfen". Aber das sei, um Himmels willen, kein gesellschaftliches Problem. Das sei halt nur bei uns so, ganz blöd. Seltsam nur, dass wir die Geschichte, wir wir sie im besagten "Sommergespräch" gehört haben, schon in und auswendig kennen. (Beate Hausbichler, 26.8.2021)