Bild nicht mehr verfügbar.

In Kuba warten die Leute nicht nur auf den Impfstoff, sondern auch auf viele Medikamente.

Foto: Reuters / ALEXANDRE MENEGHINI

Voriges Jahr gehörte Kuba noch zu den Ländern, die Covid-19 gut gemeistert hatten. Die Insellage und Grenzschließungen konnten das Schlimmste verhindern, die Infektionsrate gehörte zu den niedrigsten weltweit. Außerdem investierte die sozialistische Regierung sofort in die Entwicklung von Impfstoffen.

Und heute? Obwohl 44 Prozent der Bevölkerung bisher wenigstens eine Dosis mit einem heimischen Vakzin erhielten, stellt die Delta-Variante die durch Proteste und Wirtschaftskrise ohnehin angeschlagene Regierung auf eine harte Probe.

Während im Vorjahr gerade einmal 12.225 Covid-Infektionen registriert wurden, sind es heuer 50-mal so viele. Delta lässt Krankenhäuser unter dem Ansturm von rund 9.000 neuen Patienten täglich kollabieren; dann fiel auch noch die nationale Sauerstofffabrik aus.

Keine Medikamente

"Das US-Embargo verschlimmert die Lage", sagte eine Ärztin aus Havanna zu lokalen Journalisten. "Wir haben keine Antibiotika, keine Schmerzmittel, keinen Sauerstoff, keine Handschuhe, und fast alle Medikamente sind aus." Oft bleibe nur noch der Griff zu Heilkräutern.

Da hilft es auch wenig, dass die Regierung hunderte ins Ausland entsandte Ärzte zurückholte – und damit auf bitter benötigte Deviseneinnahmen verzichtet. Wenig hilfreich war zudem, dass Ministerpräsident Manuel Marrero Cruz den Medizinern vorwarf, die Patienten schlecht zu versorgen. "Wir wollen Menschenleben retten", antwortete darauf der Herzchirurg Daily Almaguer in einem Facebook-Video, in dem zwei Dutzend Ärzte in einer für Kuba ungewöhnlichen Aktion die Regierung kritisierten. "Wir sind nicht verantwortlich für den Kollaps des Gesundheitssystems." Die rebellischen Ärzte wurden inzwischen verwarnt.

Ein Kontinent unter Druck

Doch nicht nur Kuba ächzt unter der Delta-Variante. Kaum besser sieht es in Guatemala, Paraguay, Venezuela und Honduras aus, wo die Spitäler ebenfalls überfüllt sind.

Auch in Mexiko übersteigen die Infektionen inzwischen den bisherigen Rekord vom Jänner. Ähnliches wird aus Costa Rica gemeldet. Und das, obwohl in beiden Ländern die Impfungen gut vorankommen (Costa Rica hat 60 Prozent seiner Bevölkerung mindestens einmal geimpft, Mexiko 44 Prozent). "Möglicherweise wiegen sich die Menschen durch die Impfung in Sicherheit und lockern ihre Hygienemaßnahmen", vermutet Costa Ricas Gesundheitsminister Daniel Salas. Er startete deshalb eine Aufklärungskampagne.

Verwunderlich wäre das nicht. Den beiden lateinamerikanischen Impf-Champions Chile und Uruguay erging es ähnlich: Zwischen April und Juni stiegen dort die Infektionszahlen schneller als die Impfquote. Mittlerweile aber sind in Chile 69 und in Uruguay 71 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft – was sich in drastisch sinkenden Infektionszahlen trotz Delta-Variante niederschlägt.

Bolsonaro hetzt

Mehr zu kämpfen hat Brasilien. Dort kommen die Impfungen zwar ebenfalls voran – inzwischen haben 60 Prozent mindestens eine Dosis bekommen. Doch seit Beginn der Pandemie durchlebt das Land eine Achterbahnfahrt mit teilweise dramatischen Szenen in verschiedenen Regionen, insbesondere im Amazonasgebiet oder in städtischen Ballungszentren.

Einen Großteil der Verantwortung dafür trägt der rechtsextreme Präsident Jair Bolsonaro. Er boykottiert Quarantänen und Hygienekonzepte und hetzt die Bevölkerung gegen die Impfpolitik auf – etwa indem er Gerüchte streut, Geimpfte würden sich in Reptilien verwandeln. Dennoch ist die Zahl der Impfgegner in Brasilien und in Lateinamerika generell sehr gering, hat eine Umfrage des Ipsos-Instituts ergeben. Demnach misstrauen nur sieben Prozent der Brasilianer und zwölf Prozent der Mexikaner der Impfung – gegenüber gut einem Drittel etwa in Europa.

Ein größeres Problem für die Region sind fehlende Impfstoffe. Ärmere Länder wie Guatemala, Honduras, Haiti und Venezuela konnten bisher nur sehr wenig Dosen einkaufen, und der Covax-Mechanismus der WHO konnte dies nicht kompensieren.

Argentinien, das vor allem auf den russischen Impfstoff Sputnik setzte, leidet unter Lieferverzögerungen. Wegen des problematischen Nachschubs zögern inzwischen viele Länder die zweite Dosis hinaus. Die Erstgeimpften befinden sich daher monatelang in Ungewissheit, wie effektiv ihr Schutz nun tatsächlich ist. (Sandra Weiss aus Puebla, 26.8.2021)