Die Gastarbeiter sollen unter lebensgefährlichen Bedingungen ausgebeutet worden sein, kritisieren Menschenrechtsorganisationen.

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Doha, München – Amnesty International hat die Untersuchung von Todesfällen tausender Arbeitsmigranten im WM-Gastgeberland Katar gefordert. Die Behörden des Golfemirats hätten es versäumt, zahlreiche Fälle der vergangenen zehn Jahre aufzuklären, hieß es in einem am Donnerstag veröffentlichten Bericht der Menschenrechtsorganisation. Katar wies die Vorwürfe in einer der APA vorliegenden Aussendung zurück und hob die positiven Auswirkungen der jüngsten Arbeitsrechtsreformen hervor.

Vage Untersuchungen

Dem Amnesty-Bericht zufolge stellten die Behörden in Katar routinemäßig Totenscheine aus, ohne die Verstorbenen angemessen zu untersuchen. Stattdessen seien die Todesfälle auf "natürliche Ursachen" oder vage definierte "Herzfehler" zurückgeführt worden. Es gebe Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen den Todesfällen und den gefährlichen Arbeitsbedingungen im Emirat, hieß es.

"Wenn relativ junge und gesunde Männer nach vielen Arbeitsstunden in extremer Hitze plötzlich sterben, wirft dies ernste Fragen über die Arbeitsbedingungen in Katar auf", sagte die Amnesty-Expertin Katja Müller-Fahlbusch.

Vage Formulierungen zur Bestimmung der Todesursache wurden der Organisation zufolge auch bei mehr als der Hälfte der 35 Todesfälle genutzt, die seit 2015 auf den Stadionbaustellen für die Fußball-WM im kommenden Jahr verzeichnet wurden. Dies lasse darauf schließen, dass in den betreffenden Fällen wahrscheinlich keine aussagekräftigen Untersuchungen erfolgt seien, kritisierte Amnesty.

Katar beruft sich auf Reformen

Die Regierung von Katar teilte in einer deutschsprachigen schriftlichen Erklärung zu den Vorwürfen mit, dass "die positiven Auswirkungen der in diesem Jahr in Kraft getretenen Arbeitsreformen in Katar für alle sichtbar" seien. "Zu den wichtigsten Reformen gehören unter anderem ein neuer nationaler Mindestlohn, die Abschaffung von Ausreisegenehmigungen, die Beseitigung von Hindernissen für einen Arbeitsplatzwechsel, eine strengere Aufsicht bei der Einstellung von Arbeitskräften, bessere Unterkünfte und verbesserte Gesundheits- und Sicherheitsstandards", hieß es in einer Aussendung vom Donnerstag.

"Im Gegensatz zu den Berichten von Amnesty International entsprechen die von Katar veröffentlichten Verletzungs- und Sterblichkeitsstatistiken der internationalen Best Practice und setzen neue Maßstäbe für die Region", so die Regierung in Doha. "Das Beharren von Amnesty darauf, dass Katar über diese Standards hinausgehen sollte, ist beispiellos und ungerechtfertigt."

Regelmäßige Kritik

In dem schwerreichen Land findet 2022 die Fußballweltmeisterschaft statt. Wegen der Vorwürfe, dass dort ausländische Arbeiter ausgebeutet werden, stehen Forderungen nach einem WM-Boykott im Raum. Katars Regierung hat mehrere Reformen eingeleitet, um die Lage ausländischer Arbeiter zu verbessern. Migranten dürfen etwa inzwischen ohne Zustimmung ihres Arbeitgebers ausreisen oder den Job wechseln. Amnesty kritisiert die Umsetzung der Reformen jedoch als "unzureichend". Ausbeutung sei weiterhin an der Tagesordnung.

Laut dem britischen "Guardian" sind seit der WM-Vergabe 2010 in Katar mehr als 6.500 Arbeiter aus Südostasien gestorben. Katars Regierung argumentiert, die Sterberate liege angesichts von mehr als 1,4 Millionen Menschen aus der Region im Land in einem zu erwartenden Bereich. Aus den Zahlen des "Guardian" geht nicht hervor, welche Tätigkeit die Verstorbenen genau ausgeübt haben. Amnesty zufolge ist unklar, wie viele Arbeiter im Zuge der WM-Vorbereitung bisher gestorben sind. WM-Organisatoren sprechen von 37. (APA, AFP, red, 26.8.2021)