Einige Namen der Kletterrouten im Wiener Umland traut man sich kaum niederzuschreiben. "Futlochwand" etwa. Diese und andere Namen von Klettersteigen sind seit Jahren immer wieder ein Thema. "Klettersteige mit Nazi-Namen in Österreich", titelte die "Presse" bereits vor mehr als zehn Jahren. Damals wurden Steige "Walkürenritt", "Riefenstahl", "Besatzerfraß", "Kristalltag", "Swastikaar", "Heil der Eiche" oder "Ewiges Reich" genannt.

Heute sind "Tiwaz", "Sonnenrad", "Greta Dummberg", "Wirtschaftsflüchtling", "Negerbrot" oder "Asylbox" zu finden. Mit derartigen Bezeichnungen wollen sich einige Bergsteiger und Bergsteigerinnen jedoch nicht abfinden. Als Protest gegen die Namen wurde nun bei dem Steig "Festung Europa" an der Hohen Wand eine Gedenktafel angebracht, die an die Opfer der europäischen Flüchtlingspolitik erinnert. Der Begriff "Festung Europa" wurde während des Zweiten Weltkriegs hauptsächlich von der Propaganda der Nazis geprägt.

Einige Routennamen beziehen sich auf Songs rechter Musikgruppen, andere lassen eine Nähe zu rechtem Gedankengut vermuten. "Besatzerfraß" heißt ein Song der deutschen Band Gigi und die braunen Stadtmusikanten, in dem unter anderem von "McZion" die Rede ist. Die Tiwaz-Rune war das Kennzeichen einer SS-Freiwilligendivision und wurde bei der Hitlerjugend und der SA verwendet.

Ersatz für das Hakenkreuz

"Swastikaar" erinnert an das indische Glückssymbol Swastika, das wie ein Hakenkreuz aussieht.

Das Sonnenrad, das auch "Schwarze Sonne" genannt wird, dient vielen Rechtsextremen auch als Ersatz für das Hakenkreuz. Vorlage für das Symbol ist ein von den Nazis eingelassenes Bodenornament im Nordturm der Wewelsburg in Deutschland, die so etwas wie das mystische Zentrum der SS war. Das Sonnenrad öffentlich zu zeigen, hat in der Vergangenheit zu Verurteilungen gesorgt.

Die Tiwaz-Rune wird von österreichischen Behörden nicht beanstandet, obwohl sich die Republik im Staatsvertrag verpflichtet hat, "sämtliche Spuren des Nazismus" aus dem "politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben" zu entfernen. Strenggenommen handelt es sich auch um Embleme/Symbole von nach dem Verbotsgesetz verbotenen Organisationen, die demnach weder getragen noch zur Schau gestellt, dargestellt oder verbreitet werden dürften.

"Ironischer Blickwinkel"

Namensgeber vieler derart einschlägig benannter Routen ist nicht etwa eine Behörde oder ein Bergsteigerklub, sondern traditionell der Erstbesteiger oder die Erstbesteigerin. Sehr aktiv ist dabei der niederösterreichische Kletterführerpublizist Thomas Behm. Seine Namensgebungen finden dann Eingang in Kletterführer, Internetforen und den allgemeinen Sprachgebrauch unter Kletterern. Auch in grafischen Darstellungen der Routen (Topo) taucht eine Tiwaz-Rune auf.

Früher inspirierte ihn Black-Metal-Musik bei der Namensgebung, heute ist es das "aktuelle politische Tagesgeschehen" und sein "ironischer Blickwinkel auf dieses", der "anscheinend dem Dogma beziehungsweise der ersatzreligiösen Bewegung der sogenannten 'politischen Korrektheit'" widerspreche, erklärt Namensgeber Behm. Keiner seiner Routennamen verstoße gegen "geltendes Recht", betont er. Die Namen würden nicht mit "dem Nationalsozialismus und seinen schrecklichen Verbrechen kokettieren", sagt Behm, "wie Danger Dan auf Youtube zu sagen und singen pflegt: 'Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt.'"

Der Sänger Danger Dan singt mit diesem Song gegen die sogenannte Neue Rechte an, deren führende Köpfe schon mal die Klettertouren von Thomas Behm positiv erwähnen.

"Opfer einer Hetzkampagne"

Viele Bergsteiger und Bergsteigerinnen wollen sich mit derartigen Bezeichnungen jedenfalls nicht mehr abfinden. Einschlägige Namen und Routen mit fragwürdigen Bezeichnungen wurden auf Kletterseiten im Netz bereits gelöscht, Namen in Büchern wurden geschwärzt und in Neuauflagen entfernt. Aber eben nicht alle. Behms Distanzierung wird als reine Schutzbehauptung angesehen. Er selbst sieht sich Opfer einer "Hetzkampagne", die unmittelbar vor dem Erscheinen seines neuen Kletterbuchs losgetreten worden sei.

Damit ist wohl auch eine Aussendung der Naturfreunde gemeint, die sich Ende Juli gegen "rechte Ideologie im Klettersport" ausgesprochen hat. "Die Naturfreunde verstehen sich dem antifaschistischen Widerstand verpflichtet und heißen die Namensgebung von Kletterrouten mit einschlägigen nationalsozialistischen Codes für nicht tragbar", heißt es darin. (Markus Sulzbacher, 3.9.2021)