Wer in Wien den Donaukanal entlanggeht, hat vielleicht die schwarzen Boxen in U-Bahn-Nähe bemerkt. Es handelt sich um Köderboxen, die Ratten anlocken sollen. Verirren sich die Nager darin, kommen sie zwar wieder heraus, tragen jedoch die fatalen Folgen ihres Aufenthalts in sich. Die Boxen enthalten nämlich Köder mit hochgiftigen Substanzen, sogenannten Rodentiziden.

Die meisten entfalten ihre Wirkung, indem sie die Blutgerinnung der Tiere hemmen. Eine Ratte, die in einer der Boxen landet, frisst den Köder, nimmt dadurch das Rodentizid auf und stirbt früher oder später. Schädlingsbekämpfung von Nagetieren ist aus Hygiene- und Materialschutz notwendig, birgt jedoch einige Tücken. So kommt es leider immer wieder zu unbeabsichtigten Vergiftungen anderer Wildtiere wie Greifvögeln oder Füchsen. Werden die belasteten Tiere weiter in die Nahrungskette aufgenommen, kann dies zu Sekundärvergiftungen führen, die auch die Nachkommen betreffen können. Der Einsatz der Produkte ist daher mit Vorsicht zu genießen und streng geregelt.

Köderboxen verringern den Austrag der Rodentizide in die Umwelt und reduzieren das Vergiftungsrisiko anderer Tiere.
Foto: S. Rose

Verwendung und gesetzlicher Rahmen

In Österreich und der EU unterliegen Rodentizide einem Zulassungssystem nach der Biozidprodukteverordnung. Darin sind strenge Anforderungen an die Wirksamkeit und den Schutz der Umwelt und menschlichen Gesundheit festgelegt. Zugelassen werden die Schädlingsbekämpfungsmittel unter Auflagen und zeitlich beschränkt.

Um das Gefahrenpotenzial einzugrenzen, gibt es in Österreich eine eigene Rodentizidstrategie, in der weitere risikominimierende Maßnahmen festgeschrieben sind. Dabei wird zwischen zwei Generationen von bioziden Wirkstoffen unterschieden. Produkte mit Wirkstoffen der zweiten Generation sind effektiver. Sie zeigen bereits innerhalb der ersten 24 Stunden nach Aufnahme Effekte (im Gegensatz zu jenen der ersten Generation, die über mehrere Tage eingenommen werden müssen). Da sie langlebig sind und sich in Organismen anreichern, werden sie als besonders besorgniserregend eingestuft. Für die private Anwendung sind sie verboten.

Der Einsatz von Rodentiziden der ersten Generation ist für den privaten Bereich eingeschränkt erlaubt, Köder dürfen nur in Boxen in und um Gebäude ausgebracht werden. Damit wird die Belastung von Mensch und Umwelt kontrolliert und die Verschleppung der Köder erschwert.

Auch Eulen werden Rodentizide oftmals zum Verhängnis, wenn sie eine vergiftete Ratte oder Maus erbeuten.
Foto: M. Deweis

Fische, Füchse und Vögel belastet

Obwohl mit den Ködern nur Nagetiere angelockt werden sollen, können mitunter auch Wildtiere nicht widerstehen. Darüber hinaus nehmen sie die Rodentizide beim Verzehr vergifteter Beutetiere auf. Um dieses Phänomen näher zu beleuchten, wurde 2018 ein interdisziplinäres Monitoringprojekt im Auftrag des Klimaschutzministeriums gestartet. Beteiligt waren Expertinnen und Experten von Umweltbundesamt und Ages, der Österreichischen Vogelwarte an der Vet-Med-Uni Vienna und den Bundesländern Steiermark, Oberösterreich und Vorarlberg.

Untersucht wurden Tiere im Wasser und zu Land: Fische, Füchse, Eulen und Greifvögel. Dabei handelte es sich um Totfunde oder geschwächte und trotz Pflege gestorbene Exemplare. Rund zwei Drittel der Tiere waren mit Rodentiziden belastet. Die Wirkstoffe wurden in der Leber nachgewiesen und stammen vorwiegend aus der zweiten Generation. Rückstände waren häufiger in Vögeln als in Füchsen nachzuweisen, allerdings wurden deutlich weniger Vögel untersucht. Viele Tiere waren durch mehrere Wirkstoffe belastet. Durch diesen "Cocktail" kann sich die Toxizität noch weiter erhöhen. Füchse aus Ballungsräumen waren besonders stark belastet. Zum ersten Mal wurden im Rahmen der Untersuchung auch Rodentizide in Fischen (Aitel und Zander) von Inn, Drau und Donau nachgewiesen.

Die Rodentizide werden in der Nahrungskette weitergereicht, wenn etwa Fischadler belastete Fische fressen.
Foto: Flickr/Piotr Krześlak, WaterPIX/europeanenvironmentagency (EEA) (CC 2.0)

Nachhaltige Schäden für Mensch und Natur

Die durch Rodentizide verursachten Schäden äußern sich bei Wildtieren in unterschiedlicher Art. Bei Vögeln treten die Vergiftungen oft schleichend auf, sie werden lethargisch. Die effektive Todesursache kann dann beispielsweise eine Kollision im Straßenverkehr sein, dahinter stecken tatsächlich jedoch körperliche Beeinträchtigungen durch sekundär, das heißt über Beutetiere aufgenommene Rodentizide. Säugetiere hingegen unterliegen einer Vielzahl von Stressfaktoren. Die spezifischen Auswirkungen von Rodentiziden sind auch in diesem Fall schwierig zu präzisieren, für Vögel wie Säuger besteht noch Forschungsbedarf.

Es ist davon auszugehen, dass wildlebende Tiere nicht nur durch die blutgerinnungshemmenden Eigenschaften, sondern auch durch mögliche negative Wirkungen auf die Nachkommen geschädigt werden. Selbst bei den vergleichsweise gut studierten Vögeln, ist die Datenlage noch nicht ganz eindeutig, da der Bruterfolg von einer Vielzahl an Faktoren abhängt. Auch die toxische Wirkung auf andere Arten wie Marder, Insekten oder Singvögel bedarf in Österreich weiterer Untersuchungen. Die Wirkung in der aquatischen Umwelt ist bislang ungleich schlechter dokumentiert und sollte noch näher erforscht werden.

Alternativen

Neben dem Einsatz von Rodentiziden gibt es alternative Möglichkeiten zur Bekämpfung von Nagetieren. Dazu zählen das Eliminieren von Futterquellen (auch am Boden verstreutes Vogelfutter) und bauliche Maßnahmen zur Beseitigung von Wurfplätzen. Da sich Ratten von Abfällen und Essensresten ernähren, ist es sinnvoll, eine Entsorgung durch die Toilette oder die ungeschützte Lagerung auf dem Komposthaufen zu vermeiden. Alternativ zur chemischen Bekämpfung sind, vor allem bei vereinzeltem Auftreten von Nagern, Fallen im Einsatz. Auch Ultraschallgeräte können die Nager kurzfristig in Schach halten.

Bei der Bekämpfung von Ratten und Mäusen ist jedenfalls die sachkundige Verwendung der Produkte essenziell. So ist zum Beispiel darauf zu achten, dass bei der Verwendung von Ködern alle Vorschriften eingehalten werden und der Kontakt mit dem (Ab-)Wasser vermieden wird. Alternative Methoden sind nicht für alle Anwendungsbereiche wirksam oder praktikabel. Eine Bewertung auf EU-Ebene im Jahr 2017 ergab, dass ein vollständiger Verzicht auf blutgerinnungshemmende Rodentizide nicht möglich ist. Aufgrund der schädigenden Folgen sollten jedoch Alternativen, die eine Verringerung des Biozideinsatzes bewirken, gefördert werden.

Hintergrund Biozidproduktegesetzgebung

Nach der Biozidprodukteverordnung ist jeglicher Einsatz von Rodentiziden auf das notwendige Mindestmaß zu begrenzen. Durch die behördliche Prüfung wird sichergestellt, dass nur wirksame Produkte am Markt erhältlich sind. Auf ihnen sind die Gesundheits- und Umweltgefahren gekennzeichnet, und die Gebrauchsanweisung begünstigt eine sichere Verwendung. In Österreich liegen bis dato keine Verkaufszahlen zu den eingesetzten Wirkstoffmengen vor. Ausgehend von der Anzahl der Zulassungen liegen Produkte mit Wirkstoffen der zweiten Generation an der Spitze. Zugelassene Rodentizide sind im österreichischen Biozidprodukte-Verzeichnis gelistet. Die Zulassungen der Biozidprodukte sind zeitlich beschränkt und müssen regelmäßig verlängert werden. So wird es zukünftig auch Verbesserungen und Neuerungen für die Verwendungsbedingungen und Risikominimierungsmaßnahmen geben.

Unbestritten ist: Eine adäquate Schädlingsbekämpfung ist notwendig, strenge Regeln für den Einsatz der Rodentizide aber auch. Die langfristigen negativen Folgen des Biozideinsatzes sind nicht zu unterschätzen und bedürfen weiterer Forschung. Tauchen ungeliebte Störenfriede auf, gilt es, sich sorgfältig zu informieren, um nachhaltige Schäden in der Natur zu vermeiden. Vergessen wir nicht: Durch Nagetiere werden die Rodentizide innerhalb der Nahrungskette weitergereicht und können schlussendlich auch uns Menschen erreichen. (Ingrid Hauzenberger, 2.9.2021)