Spätestens die Lieferschwierigkeiten bei Corona-Impfstoffen haben die Diskussion über die Herstellung von und Versorgung mit Medikamenten befeuert. Die gewollte jahrzehntelange Verlagerung von Produktionskapazitäten ins günstigere Ausland scheint ein grober Fehler gewesen zu sein. Denn in den letzten anderthalb Jahren haben wir gesehen, wie sich lokale Infektionsherde rasend schnell ausbreiten können und unterschiedlichste globale Lieferketten lahmlegen – die pharmazeutische Industrie ist keine Ausnahme. Eine Herausforderung, die nicht nur Impfstoffe, sondern auch die Versorgung mit Medikamenten betrifft. Kaum ein Wirkstoff, der in gängigen Arzneimitteln verarbeitet wird, stammt noch aus Europa.

Am RCPE in Graz entwickeln 150 Forschende Verfahren für die Medikamente von morgen.
Foto: Lichtmeister Photography Productions

Es sind nicht die Auflagen, sondern das Mindset

Trotz aller Initiativen aus Politik und Wirtschaft konnten wir bisher keine zukunftsfähige Lösung finden. Gesetzliche Vorschriften erhöhen logischerweise zusätzlich die Komplexität. Es sind allerdings nicht die strengen Auflagen für die Errichtung einer Anlage, sondern vor allem das Festhalten an antiquierten Produktionstechnologien, die eine schnellere Umsetzung verhindern. Die Herstellung von Medikamenten, so wie sie am Ende von Patientinnen und Patienten eingenommen werden, ist viel weniger Hightech, als man denken möchte, denn die Produktion und Verfahrenstechnik wird – im Gegensatz zur Wirkstoffforschung – teilweise sträflich vernachlässigt. So ist es wenig verwunderlich, dass die bisher dominanten Herstellungsansätze eines nicht können: Sie bieten nicht die notwendige Flexibilität, um effizient auf dynamische Entwicklungen zu reagieren. Es ist also höchste Zeit, nicht nur eine technologische Revolution einzuläuten, sondern auch mit althergebrachten Denkmustern zu brechen.

Die praktische Umsetzung ist der Flaschenhals

Investitionen in den Forschungsstandort Österreich, unabhängig von einer stärkeren Unterstützung bestehender oder der Investition in neue Forschungszentren, ist natürlich wünschenswert. Jedoch zielführender, gerade im Kampf gegen medizinischen Notlagen, wäre die Schaffung einer Struktur, die es unseren herausragenden Forscherinnen und Forscher ermöglicht, Grundlagenforschung in konkrete Anwendung zu überführen. Denn es mangelt nicht an Ideen, sondern an der nachgelagerten Entwicklung zur Marktreife, die häufig nur mit Partnern aus der Privatwirtschaft realisierbar ist. Viel zu oft scheitern verheißungsvolle Technologien an fehlenden Investitionen oder einem vermeintlich zu kleinen Marktpotenzial, so kann die Forschung nur bedingt ihren gesellschaftlichen Auftrag verwirklichen.

Genau hier setzt das Research Center Pharmaceutical Engineering (RCPE), ein Forschungszentrum von TU Graz, Karl-Franzens-Universität und Joanneum Research, an. Planungen für eine potenzielle Produktionsanlage laufen auf Hochtouren. Der große Vorteil dieser Highspeed-Anlage besteht darin, dass das Material ohne Unterbrechung unter gleichbleibenden Bedingungen und in gleichbleibender Qualität, überwacht durch modernste Sensorik, durch die Anlage fließt (Stichwort "Continuous Manufacturing"). Durch neue Produktionsverfahren wie das vom RCPE entwickelte können die Kosten niedrig gehalten werden, da zum einen Qualitätsschwankungen (und damit Ausschuss) vermieden werden und zum anderen die Anlagen im Vergleich zur klassischen Pharmaproduktion wesentlich kleiner und damit auch günstiger sind. Auch die Umrüstung und Anpassung an unterschiedliche Wirkstoffe kann deutlich effizienter durchgeführt werden.

Solche Anlagen könnten in Zukunft die Produktion von Medikamenten beschleunigen.
Foto: Lupi Spuma

Wissen rund um die Produktion beschleunigt zukünftige Entwicklungen

Eine solche Anlage kann ein maßgeblicher Katalysator für eine bessere Gesundheitsversorgung sein. Denn Impfstoffe oder Medikamente können ihre Wirkung nur dann entfalten, wenn sie auch mit der entsprechenden Geschwindigkeit verfügbar gemacht werden. Die Zusammenarbeit von Politik, Forschung und innovativen Unternehmen stellt sicher, dass die gewonnenen Erkenntnisse vielen zugutekommen und nicht am Konkurrenzdenken Einzelner scheitern. (Johannes Khinast, 10.9.2021)