Das hat sie ihrer Partei berührend ins Poesiealbum geschrieben. "Die grüne Politik mit all den Argumenten und Nichthaltungen erreicht nicht mehr mein Herz", diagnostizierte Birgit Hebein vor knapp einer Woche an sich die Folgen einer koalitionären Koronarthrombose, an deren Ausbildung sie nicht schuldlos ist. Nach ihrem Scheitern in Wien hat sie die Bildung der türkis-grünen Regierung des Besten aus zwei Welten mitverhandelt, und wäre es früh um die Erreichbarkeit grüner Hirne, auch des ihren, besser bestellt gewesen, dann müsste sie nicht spät den türkisen Vertragsbruch und ihrer Partei "Nichthaltung" vorwerfen. Das angeblich schon damals vorhandene dumpfe Gefühl eines "ohnehin gewagten Versuchs" wurde, statt es auszuleben, unterdrückt zugunsten der Wahnvorstellung, das System Kurz einer grünen Kurskorrektur unterziehen zu können. Wer das nach allen Erfahrungen mit Türkis seit 2017 glaubt, der steht einfach auf der Leitung.

Sebastian Kurz will sich Österreich nach dem Vorbild seines Freundes Orbán zurechtbiegen, da kostet ihn der Vorwurf nicht einmal einen Lacher, er habe in der Flüchtlingsfrage Gesprächsbereitschaft versprochen, "wenn andere Länder vorangehen". Hebeins Austritt aus der grünen Partei wird ihn ebenso wenig von einer Fortsetzung seiner Linie abhalten wie der eingefrorene Ton aus Werner Koglers Posthorn, er vermisse an ihm die Menschlichkeit. Da lassen ihn ganz andere Äußerungen kalt, etwa wenn es um das Ansehen und die Verlässlichkeit Österreichs geht.

Türkise Parteidisziplin

Der Bundespräsident hat aus seinem Herzen keine Mördergrube gemacht, als er in Alpbach sagte, es gebe eine rechtliche, moralische und politische Verpflichtung der EU-Mitgliedsstaaten, jenen Schutz zu bieten, die ihr Land verlassen müssen. Der Hinweis, Österreich habe ohnehin viele Afghanen aufgenommen, sei "irrelevant". Als ehemaliger Außenminister weiß Kurz das selbstverständlich. Aber bis zum heutigen Tag demonstrierten er und seine Handlanger, die längst jede Ministerverantwortlichkeit in türkiser Parteidisziplin an ihn abgetreten haben, dass ihnen die rechtliche Verpflichtung egal, die politische gleichgültig und die moralische wurscht ist. Der Bundeskanzler erklärt den Bundespräsidenten hiemit für irrelevant.

Koglers Beschwerde über die vermisste Menschlichkeit wäre glaubwürdiger, hätte er sie in seinem Sommergespräch deutlicher herausgearbeitet, statt sie sich Tage nach Hebeins Parteiaustritt herauspressen zu lassen. In dieser Allgemeinheit und ohne Andeutung irgendeiner Konsequenz wird sie an Kurz ebenso abperlen wie die Definition seiner Flüchtlingspolitik als Schande. Für einen ÖVP-Klubchef Wöginger ist das bestenfalls eine kleine Störung des koalitionären Betriebsklimas, über die man rasch zum harmonischen Alltag zurückkehren sollte.

In der türkisen ÖVP trägt man das Herz am weit rechten Fleck. Kleinigkeiten wie das so gern beschworene Ansehen Österreichs müssen schon einige Befleckungen hinnehmen, wenn es darum geht, vor Landtagswahlen ein paar rechte Stimmen zu keilen. Und man muss weiterdenken, Menschlichkeit hin oder her. Dem Versuchsballon einer türkis-grünen Koalition geht unübersehbar die Luft aus. Sollte auf dem Parteitag am Samstag das Gegenteil beschworen werden, wird es sich niemand zu Herzen nehmen. (Günter Traxler, 27.8.2021)