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Pochende Schmerzen, Lichtempfindlichkeit, Übelkeit – ein Migräne-Anfall erschwert die Teilnahme am normalen Leben enorm.

Foto: dpa-Zentralbild/Oliver Killig

Der Kopf pocht wie verrückt, oft nur auf einer Seite. Licht, Lärm oder intensive Gerüche sind fast unerträglich, dazu kann noch heftige Übelkeit kommen. Hat man einen Migräne-Anfall, ist der Tag wohl gelaufen. Gut zehn Prozent der Menschen in Österreich wissen, was so ein Anfall bedeutet, Frauen sind wesentlich häufiger betroffen. Manche haben nur ein oder zwei Anfälle pro Jahr, andere erwischt es mehrmals im Monat.

Trotz intensiver Forschung weiß man noch wenig über die Gründe für Migräne. Sicher ist, dass es sich dabei um eine neurobiologische Funktionsstörung handelt. Es kommt zu einer durch Nervenimpulse ausgelösten Entzündungsreaktion in der Hirnhaut, gekoppelt mit einer veränderten Reizverarbeitung, man nimmt Umwelteinflüsse anders wahr. Was die Anfälle konkret auslöst, weiß man nicht genau, doch es gibt Trigger-Faktoren. Dazu gehören unregelmäßiger Lebensstil, zu wenig Schlaf, Stress, unregelmäßige Mahlzeiten oder auch hormonelle Schwankungen, vor allem durch die Periode.

Ist ein Anfall da, helfen herkömmliche Schmerzmittel oft nicht. Dafür gibt es gezielte Wirkstoffe, die Triptane. Sie sind gefäßverengend, entzündungshemmend und schmerzlindernd. Diese Wirkstoffe sind nicht neu: "Man kennt die Triptane seit den 1990er-Jahren, und die Erfahrung mit diesen Medikamenten ist wirklich sehr, sehr gut", betont der Neurologe Christian Wöber, der die Kopfschmerzambulanz am AKH Wien leitet.

Rezeptfreie Zulassung

Deshalb findet es Wöber absolut angebracht, ein Medikament mit diesem Wirkstoff jetzt auch rezeptfrei abzugeben. "In Deutschland gibt es bereits seit längerem zwei andere Triptane ohne Rezept, jetzt hat man auch bei uns nachgezogen. Die Medikamentensicherheit ist absolut gewährleistet, solange man bestimmte Gegenanzeigen wie Gefäßerkrankungen, Schlaganfall oder hohen Blutdruck, die alle im Beipackzettel angeführt sind, beachtet."

Wichtig ist, dass man das Mittel möglichst rasch nach Beginn der Kopfschmerzattacke einnimmt, dann sollte sie innerhalb von längstens zwei Stunden abklingen. Wöber betont: "Je länger man zuwartet, desto schlechter ist die Wirkung, ein Ansprechen wird viel unwahrscheinlicher."

Die Triptane sind sehr effiziente Medikamente, doch nur wenige Betroffene nutzen sie, weiß Wöber: "Aus Daten des Dachverbands der Sozialversicherungsträger geht hervor, dass nur sechs Prozent der Betroffenen überhaupt ein Triptan verschrieben bekommen. Es ist aber nicht anzunehmen, dass 94 Prozent mit Schmerzmitteln das Auslangen finden." Die niedrige Verschreibungsrate liegt auch daran, dass die Hälfte der von Migräne Betroffenen deshalb noch nie beim Arzt war. Das sind überwiegend jene, bei denen die Anfälle eher selten sind: "Es ist ein Riesenunterschied, ob man ein-, zweimal im Jahr eine Attacke hat oder mehrmals im Monat." Abklären lassen sollte man es trotzdem, betont der Experte.

Pochende Schmerzen und Aura

Dabei ist ein Migräne-Anfall für selten Betroffene oft gar nicht so leicht zu erkennen, weil man ihn nicht einordnen kann. Er macht sich mit pochenden oder pulsierenden Schmerzen vor allem hinter den Augen und der Stirn bemerkbar, die auch nach der Einnahme von gängigen Schmerzmitteln nicht weggehen. Dazu kommt oft Übelkeit, Lichtempfindlichkeit und eine sogenannte Aura. Die äußerst sich etwa durch Sehstörungen, Flimmern, Kribbeln in Gesicht oder Arm oder auch Sprachstörungen.

Manchmal setzt zunächst ein Spannungskopfschmerz ein, der dann in einen Migräne-Anfall übergeht, weiß Wöber: "Viele Betroffene kennen diese Mischung, da gibt es fließende Übergänge. Darum ist es wichtig zu beobachten und ein Gespür dafür zu entwickeln, um welche Art von Schmerz es sich handelt."

Einfach vorsorglich ein Medikament einzuwerfen, davon rät Wöber nämlich dringend ab: "Wenn Betroffene sehr häufig Kopfschmerzen haben, zehn- oder sogar fünfzehnmal im Monat, dann wirken die Medikamente irgendwann nicht mehr und es kann sogar zu Kopfschmerzen aufgrund der Medikamente kommen. Auch darum ist es so wichtig abzuschätzen, um welchen Schmerz es sich handelt und ob ein Medikament notwendig ist."

Gesunder Lifestyle kann Besserung bringen

Ist ein Migräne-Anfall erst einmal da, dann helfen meist nur Medikamente – so man die Attacke nicht aussitzen will. Doch Betroffene können im Vorfeld einiges tun und so die Anfallshäufigkeit verringern. Das gelingt vor allem über den Lebensstil, erklärt Neurologe Wöber: "Ausreichend trinken, regelmäßig essen, genug schlafen und regelmäßige Bewegung können helfen. Es gibt sicher keine Migräne-Diät, aber manche Betroffene kennen bestimmte Lebensmittel, die sie besser weglassen. Und wenn man keinen guten Schlaf hat, können Entspannungsübungen helfen."

Ist das alles nicht genug und ist die Attacke erst einmal da, gibt es jetzt mit dem rezeptfreien Triptan (Wirkstoff Zolmitriptan) eben eine zusätzliche Notfallhilfe. Einen Run auf die Apotheken sieht Wöber deswegen aber nicht. Er geht davon aus, dass sich die allermeisten Betroffenen Triptane wohl weiterhin verschreiben lassen werden, da das deutlich günstiger kommt. Auch gibt es nur ein Triptan ohne Rezept, andere – und für manche womöglich besser verträgliche – sind weiterhin verschreibungspflichtig. (Pia Kruckenhauser, 25.9.2021)