Nach der "Tosca"-Premiere nichts wie weg: Anna Netrebko und Ehemann und Tenor Yusif Eyvazov in Salzburg.

APA

Eine launische Diva wird man nicht über Nacht, ein Star mitunter schon – zuweilen auch bei den Salzburger Festspielen. Anna Netrebko, die womöglich ein Veto gegen die ORF-Übertragung der Salzburger Tosca eingelegt hat, war so ein Fall. Nachdem sie 2002 in Don Giovanni als Donna Anna alle an die Wand gesungen hatte, standen Labels Schlange, um sie zu engagieren. So begann mit der PR-Macht der Deutschen Grammophon eine Globalkarriere, die Netrebko weit über Operntempel hinaus – zu Recht – zum Inbegriff des lyrischen Luxusgesangs werden ließ.

Es dauerte nicht lange, und es ereilten sie auch Nebenwirkungen der Prominenz. Un autorisierte Biografien erschienen, in denen fälschlicherweise behauptet wurde, Netrebko wäre im Mariinski-Theater zunächst gar als Putzkraft engagiert gewesen, bevor man ihr wahres Talent erkannte. Tatsächlich hatte die 1971 in Krasnodar Geborene 1993 den Glinka-Wettbewerb gewonnen, worauf sie vom Mariinski-Theater fest engagiert wurde.

Früher imposant in Salzburg

Dort konnte sie sich entwickeln und auch für Salzburg heranreifen. Den Festspielen blieb sie trotz Weltruhms treu. 2005 war sie etwa eine auch szenisch imposante Traviata; allürenfrei glänzte sie in Figaro als zierliche Susanna.

Mittlerweile hat die Russin mit österreichischem Pass und Sympathien für Wladimir Putin nicht nur vokal eine Richtung eingeschlagen, die ihren Stil mehr ins Dramatische führt. Die Mutter eines Sohnes – Vater ist der Sänger Erwin Schrott – weiß statusbedingt aber auch spezielle Bedingungen zu diktieren.

Der Probenappetit

So fiel auf, dass in der Salzburger Tosca ihr Ehemann und Tenor Yusif Eyvazov neben ihr als Cavaradossi starb und der bei ihr beliebte Marco Armiliato dirigierte. Dies legt die Vermutung nahe, die Festspiele hätten die Besetzungspolitik in die Hände der Diva gelegt, um sie zu bekommen. Auch spricht sich herum, dass "Donna Anna" ihren Probenappetit vor szenischen Premieren zu zügeln versteht.

Man kann das alles, so es stimmt, als Gehabe einer des Rummels überdrüssigen Diva klassifizieren, die bei schlechter Laune Interviewer mit Sätzen wie "Ich denke nur, wenn ich auf der Bühne bin ..." verzweifeln lässt. Andererseits kann man von einer Sängerin nicht verlangen, künstlerisch sensibel und immer gelassen zu sein wie Angela Merkel. Somit ist vorstellbar, dass Netrebko schuld daran ist, dass der ORF am Freitag statt Tosca nun Die Toten von Salzburg senden muss. Schwer zu sagen. Geheimnisse gehören auch zu einer Diva. (Ljubiša Tošić, 27.8.2021)