Josef ist 79 und fährt jeden Tag für seine Ein-Mann-Kundgebung aus dem Waldviertel nach Wien.

Foto: Manfred Rebhandl

Josef ist 79. Es geht ihm gut, als er da an einem schönen Sommertag vor dem Wiener Stephansdom sitzt, rechts vom Hauptportal hinter seinem Tisch mit seinem Megafon in der Hand. Es geht um Folgendes: "Schluss mit Missbrauch, Missbrauchsvertuschung und Mitwirkung an der Massenvernichtung ungeborener Kinder in der Kirche!" Das darf er hier laut ins Megafon schreien, weil er die Ein-Mann-"Kundgebung" sogar angemeldet hat.

Seit ein paar Wochen fährt er jeden Tag um 13 Uhr aus dem Waldviertel herunter, dann redet er eine Stunde allein auf die Leute ein ("Missbrauch! Mord! Vertuschung!" usw.), dann fährt er wieder zurück nach Steinbach bei Schrems, das bei Gmünd liegt. "Neulich bin ich fast eingegangen, da war es hier so heiß, und ich hab die Wasserflasche und das Kapperl vergessen, da war ich dann richtig kaputt!", lacht er.

Worum es beim Thema Missbrauch geht? "Wunderbar, dass Sie mich das fragen!", sagt er. "Es geht um den Dr. Wolfgang Rothe, der Bischof Küng vorwarf, ihm das Psychopharmakon Temesta verabreicht und ihm dann den Rücken gestreichelt zu haben bis zum Gesäß." Ist alles nachzulesen.

"Ich hoffe und bete, dass mich der Kardinal verklagt!", lacht Josef dann schon wieder, diesmal aber wegen der Vorwürfe, die er in Sachen "Abtreibungsklinik Fleischmarkt" an ihn zu richten hat. Er ist ein rechter Prozesshansl, gibt er zu, der dauernd was anzeigt und mal einen Prozess gewinnt, mal verliert. Er schreibt auch für Der 13., die Hardcore-Postille für Hardcore-Katholiken, die alles gern etwas strenger hätten. Trotzdem war es eine sehr lustige und angenehme Begegnung mit ihm, wir haben viel gelacht. (Manfred Rebhandl, 28.8.2021)