Wieso immer nur im Bereich von minus zehn bis plus dreißig Grad Celsius herumkrautern, wenn abwechslungsreiche 47 oder 52 Grad wochenlang ins Freie locken?

Foto: APA / Herbert Pfarrhofer

In meiner Kolumne vom vergangenen Samstag habe ich mir gestattet, das Wort "Erderhitzung" zu verwenden. Ich habe es nicht böse gemeint, aber Poster Mark75 fühlte sich daraufhin veranlasst, mir mitzuteilen: "Die Erde erhitzt sich nicht, die Erde erwärmt sich."

Sie können sich nicht vorstellen, wie erleichtert ich nach der Lektüre war! Für mich war der Sommer hitzig genug – heißester Juli seit Menschengedenken, Waldbrände da, abschmelzendes Eis in der Arktis dort etc. Aber sofern man das ganze Temperaturgeschehen mitsamt seinen Auswirkungen ernst, also nicht für eine hinterfotzige Medientäuschung von Bill Gates nimmt, wird einem gleich angenehm kühl ums Herz, wenn man "Erderhitzung" durch "Erderwärmung" ersetzt.

"Erderwärmung", das klingt nach wohltemperierten Meeren und bacherlwarmen Seen, hurra! Was für ein Horror, als man sich früher mit eiskalten Wintern herumzuschlagen hatte oder im Juni bei 16 Grad in Österreichs Flüsse hüpfen musste. Verbal gemütlicher als die "Erderwärmung" hört sich fast nur mehr der "Klimawandel" an. Hand aufs Herz: Wär’s uns ohne Wandel nicht stinkfad?

Nur keine Hysterie

Wieso immer nur im Bereich von minus zehn bis plus dreißig Grad Celsius herumkrautern, wenn abwechslungsreiche 47 oder 52 Grad wochenlang ins Freie locken? Etliche verantwortungsvolle Leute in der Kohle- und Gasindustrie fanden das Wort Klimawandel so geil, dass sie richtig viel Geld in die Hand genommen haben, um es ordentlich zu promoten. Ganz herzlichen Dank dafür.

Während "Erderwärmung" und "Klimawandel" realitätskonform signalisieren, dass man nichts übereilen sollte, ist die "Erderhitzung" – mea maxima culpa! – eine untrügliche hysterische Aberration im Ausdruck, die man sich schleunigst abgewöhnen sollte.

Die Menschen sind verunsichert genug. Was sie brauchen, sind schöne neue Worte, um hässliche Sachverhalte zu bemänteln: "eine kuschelige Betondecke ausrollen" statt "Bodenversiegelung"; "den Globus mit einer Kohlendioxidglasur verzieren" statt "CO2 in die Luft blasen"; "gründliche Entfernung von überschüssigen Tieren" statt "Ausrottung der Arten". Ein offizieller Wettbewerb zur Kreation einschlägiger Formulierung wäre überfällig. Dann noch ein paar technologische Fortschritte, und es dauert nicht mehr lange, bis alles in Butter ist. (Christoph Winder, 28.8.2021)