Am 6. Juli begann der Prozess gegen den ehemaligen FPÖ-Chef und den ehemaligen Vizekanzler Heinz-Christian Strache. Am Freitag wurde das Urteil verkündet.

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Wien – "Die Käuflichkeit von Amtsträgern muss unterbunden werden", stellt Richterin Claudia Moravec-Loidolt in ihrer einstündigen Urteilsbegründung klar – in der sie dem wegen Bestechung verurteilten Multimillionär und früheren Betreiber der Privatklinik Währing, Walter Grubmüller, und dem wegen Bestechlichkeit verurteilten einstigen FPÖ-Chef und Vizekanzler der Republik, Heinz-Christian Strache, erklärt, wie sie zu ihrer Entscheidung gekommen ist.

Sie hat nämlich ein differenziertes Urteil gefällt: Grubmüller habe die Spenden an die FPÖ – 2.000 Euro im Oktober 2016 und 10.000 Euro im Juli 2017 – getätigt, damit Strache in seiner politischen Funktion aktiv werde, ist die Richterin überzeugt. Der Plan sei gewesen, eine Gesetzesänderung durchzusetzen, die Grubmüllers Klinik die Aufnahme in den Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfonds (Prikraf) zu ermöglichen, wodurch er leichter an Gelder für Behandlungshonorare gekommen wäre.

Richterin folgt Argumentation der WKStA

Moravec-Loidolt folgt der Argumentationslinie, die der Vertreter der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) in seinem Schlussplädoyer dargelegt hat: Die Chronologie sei ein Beweis für die Korrumpierbarkeit Straches. Nachdem im Oktober 2016 die 2.000 Euro Grubmüllers auf dem FPÖ-Konto eingegangen seien, habe Strache seinen FPÖ-Parteikollegen Johannes Hübner, der auch Anwalt war, beauftragt, Grubmüllers Unterlagen zu prüfen.

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Im Februar 2017 gab es dann eine Pressekonferenz mit Strache, Grubmüller, Hübner und FPÖ-Gesundheitssprecherin Daniela Belakowitsch, bei der es um "Korruption im Gesundheitsbereich" ging. Der primäre Inhalt der Veranstaltung: der Prikraf und die Privatklinik Währing.

"Vorher und nachher keine Spenden"

Im Juni 2017 brachte die FPÖ im bereits aufgelösten Nationalrat einen Initiativantrag für die Öffnung des Prikraf für alle Privatkliniken ein. Als einziges Unternehmen namentlich erwähnt: die Privatklinik Währing. Im Juli 2017 folgte dann die nächste Spende Grubmüllers über 10.000 Euro. "Es hat vorher keine Spenden gegeben, und es hat nachher keine Spenden gegeben", fasst die Richterin die Auffälligkeit in ihrer Urteilsbegründung zusammen.

Dass der Initiativantrag einer Oppositionspartei nur bescheidene Aussichten auf eine erfolgreiche Umsetzung hat, spiele dabei rechtlich gesehen keine Rolle. Es sei schon ein "Teilerfolg" der Angeklagten gewesen, dass der Prikraf überhaupt behandelt worden sei. "Ohne Strache, ohne Grubmüller hätte es vielleicht bis heute keine Prikraf-Diskussion im Nationalrat gegeben", meint Moravec-Loidolt.

Bis heute bekommt Klinik kein Geld

Außerdem sei die Reform des Prikraf-Gesetzes ja noch bis zu Straches Rücktritt nach dem Ibiza-Video Inhalt der Chats der befreundeten Männer gewesen. Mit 1. Jänner 2019 wurde die Privatklinik Währing in den Anhang des Prikraf-Gesetzes aufgenommen – Geld hat sie aus ihm bis heute nicht erhalten, da eine Zusatzvereinbarung fehlt.

Der Ärger Grubmüllers, der sich seit 2012 um eine Aufnahme der Klinik bemühte, ist für die Richterin zwar "menschlich nachvollziehbar". Aber er habe zu den gleichen Methoden gegriffen, die er seinen Mitbewerbern in der Wirtschaftskammer und der ÖVP vorwirft – Korruption.

Moravec-Loidolt schließt auch aus anderen Seltsamkeiten auf unsaubere Praktiken. So habe Strache im Prozess zwar stets betont, er sei nur tätig geworden, da er über die Ungerechtigkeit gegenüber Grubmüller empört gewesen sei. Gleichzeitig fehlt seine Unterschrift aber auf dem Initiativantrag – der von ihm initiiert worden ist, wie sich die Richterin sicher ist. Dass es nie um die Prikraf-Öffnung für alle Privatkliniken gegangen sei, schließt Moravec-Loidolt daraus, dass weder Strache noch Grubmüller je zu anderen Betreibern Kontakt aufgenommen haben.

Straches Ignoranz bei Spenden unglaubwürdig

Als Schutzbehauptung Straches wertet sie auch seine Aussage im Prozess, er habe sich nie für Spenden interessiert. Nicht nur, da es ein persönlich gehaltenes Dankschreiben Straches an Grubmüller gibt, Zeugen aus der FPÖ sagten auch, dass die 10.000-Euro-Spende ungewöhnlich hoch gewesen sei. Der Argumentation Grubmüllers, er habe damit der SPÖ zeigen wollen, dass er mit ihrer Politik nicht mehr einverstanden sei, kann Moravec-Loidolt nichts abgewinnen. Denn ausgetreten sei er aus der Sozialdemokratischen Partei erst viel später.

Gleichzeitig spricht die Richterin die beiden Männer aber von zwei weiteren Anklagepunkten frei. Weder die Einladung zu einer – letztlich nicht zustande gekommenen – Reise nach Korfu im Jahr 2018 noch eine von Grubmüller 2019 angebotene Spende für den FPÖ-Europawahlkampf wertet sie als versuchte Bestechung beziehungsweise Bestechlichkeit. Da Strache belegen konnte, dass er bei einer Ibiza-Reise in Grubmüllers Privatjet nachträglich 11.000 Euro gezahlt hat, könne man nicht ausschließen, dass das auch 2018 so gewesen wäre. Zusätzlich hatten beide Angeklagten beteuert, sich wechselseitig immer wieder eingeladen zu haben.

"Ohne Zweifel" von Schuld überzeugt

Bei einem Strafrahmen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren sei die bisherige Unbescholtenheit von Strache und Grubmüller mildernd zu werten, daher habe sie die Strafen – ein Jahr für Grubmüller, 15 Monate für Strache – bedingt aussprechen können, erläutert Moravec-Loidolt. Das ein wenig höhere Strafmaß für Strache erklärt sie mit seiner exponierten Stellung. Von der Schuld der Angeklagten ist sie "ohne Zweifel" überzeugt, stellt sie klar.

Während die Staatsanwaltschaft keine Erklärung abgab, meldeten die beiden Angeklagten volle Berufung an. Es handle sich um ein "Fehlurteil", ärgert sich Strache nach der Verhandlung bei einem kurzen Statement. Er sei "zutiefst überrascht, aber auch schockiert", erklärte er den zahlreichen Medienvertretern aus dem In- und Ausland. Sein Verteidiger pflichtet ihm bei, obgleich er die Sachlichkeit und ruhige Verhandlungsführung der Richterin ausdrücklich lobt. (Michael Möseneder, 27.8.2021)