Unter anderem in den hier zu sehenden Renault Twizy baute IRP Systems den geschrumpften und leichteren Motor ein.

Foto: STANDARD/Mickey Manakas

Fast alle Automobilhersteller verkaufen inzwischen auch elektrisch angetriebene Modelle. BMW kündigte sogar an, Miniautos bis 2030 gänzlich auf die neuen Antriebstechnologien umzustellen. Während die Entwicklungen rasant fortzuschreiten scheinen, beklagen Kritiker, dass die Fahrzeuge insbesondere wegen der verwendeten Lithium-Ionen-Batterien nicht sonderlich umweltfreundlich seien. Viele Käufer scheint die im Vergleich mit Verbrennungsmotoren geringe Reichweite und eine schlechte Infrastruktur abzuschrecken.

Um herauszufinden, wohin die Reise geht, hat DER STANDARD mit Moran Price, CEO des israelischen E-Mobilitätsunternehmens IRP Systems, gesprochen. Die Firma wurde gegründet, um elektrische Antriebe für die Luftfahrt zu entwickeln. Bei gleichzeitig hoher Leistung ist es dort besonders wichtig, die Größe, das Gewicht und den Preis der Systeme geringzuhalten. Da diese Faktoren auch für die Autoindustrie wichtig sind, um mit E-Mobilität den Massenmarkt zu erobern, wechselte IRP 2017 die Branche. Heute arbeitet das Unternehmen unter anderem mit Renault, Nissan und Mitsubishi und mit deren Innovation Lab in Tel Aviv zusammen.

STANDARD: Ihr Unternehmen startete als Zulieferer in der Luftfahrt – wieso der Wechsel zur E-Mobilität?

Moran Price: Wir mussten in der Luftfahrt mit sehr herausfordernden Leistungsansprüchen auf sehr kleinem Raum umgehen. Zusätzlich mussten die Systeme langlebig, verlässlich und sicher sein. Unsere größte Herausforderung waren also vor allem das Volumen und Gewicht. Vor vier Jahren begannen wir dann, eine riesige Nachfrage aus der Automobilindustrie zu sehen. Damals, 2017, sind wir an einem Punkt angekommen, in dem die Elektrifizierung ein allgemeines Ziel der Industrie wurde. Es gab also ein neues Level an Konsens, dass wir uns so schnell wie möglich weiterentwickeln müssen. Um diese relativ konservative Branche in Bewegung zu setzen, braucht es technologische Durchbrüche. Deshalb sind mehrere große Akteure auf uns zugekommen, um zu schauen, wie man unsere Lösungen aus der Luftfahrt auch für E-Mobilitätsplattformen umsetzen kann.

Moran Price, CEO von IRP Systems.
Foto: IRP Systems

STANDARD: Was hindert die Menschen derzeit noch daran, auf Elektroautos umzusteigen?

Price: Das Fahrerlebnis ist bei Autos mit Verbrennungsmotoren und elektrischen Fahrzeugen sehr unterschiedlich. Manche können sich daran gewöhnen und mögen es sogar, andere hoffen aber auf eine gewohnte Fahrdynamik. Eine große Barriere ist ansonsten der Preis. Wir haben sehr früh realisiert, dass die elektrische Revolution nicht passieren wird, wenn wir uns auf das Premiumsegment konzentrieren. Wichtig ist die urbane und persönliche Mobilität. Außerdem müssen wir vorhandene Produktionsstätten nutzen, in die bereits Milliarden investiert wurden. Es braucht also Kosteneffizienz und einen Fokus auf den Massenmarkt. Derzeit werden die Fahrzeuge subventioniert – entweder vom Hersteller oder von der Regierung. Es ist aber nicht nachhaltig, wenn das elektrische Auto zum selben Preis wie der Verbrenner verkauft wird und dabei kein Profit gemacht wird.

STANDARD: Wieso die bisherige Konzentration auf Premiumprodukte?

Price: Das ist bei neuen Technologien normal. Normalerweise steigt man im Premiumsegment ein und expandiert dann auf den Massenmarkt. Aber mit elektrischen Antriebssystemen ist das nicht möglich, weil es keine Technologie ist, die man einfach zu einer bereits existierenden Plattform hinzufügen kann. Mit dem Austausch der Verbrennungsmotoren mit Elektromotoren verändert sich die gesamte Lieferkette. Inzwischen wissen in der Industrie alle, dass man die Plattformarchitektur umdenken muss. Deswegen beweist sich die Strategie, erst im Premiumsegment zu starten und dann in den Massenmarkt zu expandieren, nicht als ökonomisch sinnvoll.

STANDARD: Sie haben bereits gesagt wie wichtig Größe und Gewicht sind. Inwiefern hängen diese mit der Kostenreduzierung zusammen?

Price: Wir sind in der Lage, Gewicht und Größe bei gleichbleibender Leistung zu verringern. Wenn man bereits existierende Produktionsstätten nutzt und eine bestimmte Leistung mit weniger Material erreicht, spart man automatisch Geld – einerseits durch das Wegfallen von Material, aber auch durch sinkende Lieferkosten. Außerdem sparen wir dadurch auch an der Batterie, die die teuerste Komponente darstellt. Zudem ist sie schwer und nimmt viel Platz weg. Durch die gesteigerte Effizienz unserer Motoren werden auch die Batterien kompakter. Der Schlüssel zum Massenmarkt ist also eine Verbesserung des Verhältnisses der Kosten zur Performance.

Hier zu sehen: ein Modell des von IRP Systems entworfenen Elektromotors, der unter anderem in den Renault Twizy eingebaut wurde.
Foto: STANDARD/Mickey Manakas

STANDARD: Apropos Batterien: Kritiker beklagen, dass die verwendeten Lithium-Ionen-Technologien nicht umweltfreundlich genug sind. Was ist die Lösung für dieses Problem?

Price: Aktuelle Batterien werden uns mindestens noch zehn Jahre begleiten, schon allein, weil wir in vielen Bereichen unseres Lebens von diesen abhängig sind. Es gibt bisher einfach keinen Ersatz. Bezüglich des Umweltschutzes gibt es zwei Probleme: einerseits die Nutzung seltener Erdmetalle – die meisten elektrischen Motoren nutzen heutzutage Magneten – und andererseits den Abbau- und Herstellungsprozess. Es gibt aber schon sehr viele Bemühungen, die Abhängigkeit von diesen Materialien zu verringern. Außerdem werden immer mehr Lösungen entwickelt, um ihnen ein zweites Leben zu ermöglichen. Insbesondere in der persönlichen Mobilität gibt es bereits Servicelösungen wie "BaaS", also Battery as a Service. Die Batterie wird dann nicht mehr als Teil der Plattform gesehen, sondern als Komponente, die man leasen, wiederverwenden und austauschen kann.

STANDARD: Derzeit ist auch die Reichweite relativ begrenzt. Bedeutet das, dass Verbrennungsmotoren bleiben werden?

Price: Ich denke, in Zukunft wird es eine Kombination aus rein elektrischen und Hybridfahrzeugen geben. Erstere wären die optimale Lösung für kurze Distanzen und den urbanen Raum. Für längere Strecken und schwere Fahrzeuge wird man auf Hybride setzen müssen. Denn wenn man auf der Autobahn fährt, macht es keinen Sinn, tonnenschwere Batterien mit sich herumzutragen. Es ist zwar machbar, aber nicht die optimale Lösung. Elektrische Trucks könnten zwar im urbanen Raum genutzt werden, auf lange Distanzen macht das jedoch keinen Sinn. (Mickey Manakas, 28.8.2021)