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Vor allem während Jacob Zumas Amtszeit grassierte in Südafrika die Korruption.

Foto: AP Photo/Shiraaz Mohamed, File

Mit der kaltblütigen Ermordung einer Whistleblowerin hat Südafrikas Niedergang zum Gangsterstaat einen neuen Tiefpunkt erreicht. Babita Deokaran, Finanzdirektorin der staatlichen Gesundheitsbehörde in der Gauteng-Provinz, wurde zu Beginn dieser Woche vor ihrem Johannesburger Haus mit einem Dutzend aus nächster Nähe abgegeben Schüssen getötet: Zuvor hatte die 53-Jährige Ermittlern der Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit mehreren Korruptionsskandalen wichtige Informationen zukommen lassen.

Deokaran trug unter anderem zum Bekanntwerden eines Betrugsfalls bei, in dessen Rahmen sich Provinzpolitiker des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) mit Millionen von Rand an der stark überteuerten Beschaffung von Schutzkleidung für die Corona-Pandemie bereichert hatten. "Ich bin beschämt, angewidert und wütend", sagte Renu Williams, die Schwester der Ermordeten, bei deren Beerdigung in Durban: "Wo sonst in der Welt ist ein solch ruchloses Verbrechen möglich?"

Keine Verhaftung

Offensichtlich handelt es sich bei den Tätern um Profis: Sie hatten kurz vor dem Mord mehrere Überwachungskameras in der Umgebung mit einem Störsender lahmgelegt. Obwohl ein Zeuge den Typ und die Nummer des Täterfahrzeugs der Polizei weitergab, kam es bislang zu keiner Verhaftung. Auf die Frage, warum die Ermordete als Whistleblowerin in mehreren prominenten Korruptionsfällen keinen Zeugenschutz genoss, wies die Staatsanwaltschaft auf die große Zahl von Zeugen hin, denen nicht allen ein besonderer Schutz geboten werden könne. Außerdem habe Babita Deokaran um einen derartigen Schutz nicht ersucht.

Die Gesundheitsbehörde der bevölkerungsreichen Gauteng-Provinz, zu der sowohl Johannesburg wie Pretoria gehören, wird bereits seit Jahren von Skandalen heimgesucht. Internationales Aufsehen erregte 2015 die Schließung der psychiatrischen Institution Life Esidimeni aus Kostengründen: Die Verlegung hunderter psychisch instabiler Patienten in untaugliche Heime kostete insgesamt 143 Menschen das Leben.

Bereits vor dem Betrugsfall mit der Covid-Schutzbekleidung war die Behörde in einen umgerechnet 70 Millionen Euro umfassenden Korruptionsskandal mit einer Beraterfirma verwickelt. "Jedes Jahr haben wir es hier mit neuen Leuten zu tun, die sich umgehend ans Plündern machen", hatte Babita Deokaran einst in einem Schreiben an eine Stiftung geklagt: "Es hört überhaupt nicht mehr auf."

90 Milliarden Euro Schaden

Während der Präsidentschaft Jacob Zumas kam es in Südafrika zu einer atemberaubenden Plünderungswelle der Staatskasse: In dessen neunjähriger Regierungszeit soll dem Land im Rahmen des "state capture" – der Machenschaften einer korrupten, nicht demokratisch legitimierten Parallelregierung – ein Schaden von mindestens 90 Milliarden Euro entstanden sein, so der Unternehmerverband Business Leadership South Africa.

Obwohl sein Nachfolger Cyril Ramaphosa nach dem erzwungenen Rücktritt Zumas vor drei Jahren ein Ende der Korruption und die strafrechtliche Verfolgung der Täter angekündigt hat, ist ein Ende der kriminellen Machenschaften noch immer nicht abzusehen. Bislang kam es auch nur zu äußerst wenigen Gerichtsverfahren: Außer Zuma selbst sitzt bislang kein einziger ANC-Politiker hinter Gittern – und auch Zuma nicht wegen der ihm zu Last gelegten Betrugsfälle, sondern weil er sich der Anhörung vor einer Untersuchungskommission zum "state capture" widersetzt hatte.

Warten auf Prozesslawine

Die nach ihrem Vorsitzenden – Richter Raymond Zondo – benannte Kommission schloss inzwischen ihre dreijährigen Anhörungen ab: Ihr Bericht wird noch in diesem Jahr erwartet. Ob diesem eine Prozesslawine folgen wird, steht derzeit noch in den Sternen: Selbst führende Mitglieder des regierenden ANC weisen die Erkenntnisse der Kommission als parteiisch zurück und fordern eine Beschneidung des Einflusses der Gerichte auf die Geschicke des Landes.

Zuma selbst hat sich bereits seit zwanzig Jahren erfolgreich einem Betrugsprozess entzogen: Zuletzt gaben seine Anwälte Anfang dieses Monats gesundheitliche Gründe an, die ein Verfahren gegen den inzwischen 79-Jährigen unmöglich machten. Babita Deokaran wurde am Donnerstag in Durban beigesetzt: Sie hinterlässt eine 16-jährige Tochter und eine weitere tiefe Wunde im verblassten Regenbogenstaat Nelson Mandelas. (Johannes Dieterich aus Johannesburg, 27.8.2021)