Susanne Thier mit ihrem Freund Sebastian Kurz.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Wir hatten schon bessere Regierungen. Aber was Fertilität im Amt betrifft, stellt die gegenwärtige alle vorherigen in den Schatten. Dabei muss eines unumstößlich klar sein: Wie Politiker ihre Produktivkräfte abseits jeglicher Ministerverantwortlichkeit verschwenden, hat reine Privatangelegenheit, also dem Kreise der Familie vorbehalten zu bleiben, solange dadurch die Volkswirtschaft nicht ins Wanken gerät bzw. bis die Fortpflanzungswilligen selber an die Öffentlichkeit treten. In diesem Sinne widmete sich die "Krone bunt", das Sonntagsmagazin für die ganze Familie, in ihrer letzten Ausgabe dem Thema Windeln, Wahlen, Babyglück, was aber einem reinen Zufall zu verdanken war.

Denn vom Fotoglück eines "Krone"-Lesers kann so mancher Reporter nur träumen. Als er nämlich seine Urlaubsbilder durchschaute, fiel ihm auf, wer ihm vor der Kulisse von Rovinj zufällig ins Motiv gelaufen war. Der Kanzler im Kroatien-Urlaub. Das auf dem Titelblatt abgebildete Foto zeigte den Kanzler, aber nicht, wie er zufällig ins Motiv gelaufen war, sondern wie er und seine Lebensgefährtin etwas steif für besagten "Krone"-Leser posierten. Wobei er seine linke Hand bedeutungsvoll auf ihrem Bauch deponierte, als wollte er den "Krone"-Leser anregen, wenn der daheim seine Urlaubsbilder durchschaute, das rein zufällig entstandene dem neuen Amtsblatt der Türkisen als vorauseilende Geburtsanzeige eines Thronfolgers zu übermitteln.

Statt eine Titelgeschichte über die Rolle des Zufalls in der Urlaubsfotografie zu bringen, verfiel die "Krone" in ein publizistisches Kindbettfieber. Babyboom in der Regierung. Das Kanzlerkabinett als Kinderzimmer! Wenn Sebastian Kurz Papa wird, ist es Baby Nr. 7 in der Regierung Nr. 2. Wer etwas weniger an Zufall glaubt, wird dahinter eine saubere Aktion der Messagekontrollore vermuten, den Delegierten des heutigen ÖVP-Parteitages durch diesen Wink mit der "Krone" etwaige Zweifel an der Leistungsfähigkeit des Parteiobmannes auszutreiben. Auch wenn es die Türkisen nicht mehr so mit der Kirche haben, lässt sich mit deren bevölkerungspolitischer Maxime "Gibt Gott ein Haserl, dann gibt er auch ein Graserl" noch immer politisch verwertbare Hoffnung erzeugen.

Die "Krone" wollte aber nicht ganz auf fotografischen Zufall setzen. Daher veröffentlichte sie gleich noch einmal das gestellte Foto vom trauten Paar im Kornfeld. Mit dem verlautbarte Kanzler Kurz kürzlich seine Baby-News mit Freundin Susanne. So blond und gläubig, wie sie darauf zu ihm aufsieht, steigt ein Blut-und-Boden-Charme auf, den ein Herbert Kickl als Führer der Un geimpften nicht einmal dann versprühen könnte, wenn er ihnen hoch zu Ross voranreitet.

Die "Krone" schreckt aber auch davor nicht zurück, die wahre Schuldige an dem Babyboom in Regierungskreisen zu nennen. Als Oppositionspolitikerin Beate Meinl-Reisinger ihren Sager vom Stapel ließ, sie wolle "nicht von kinderlosen Karrieristen regiert werden, sondern von Menschen, die eine Ahnung davon haben, was es heißt, Verantwortung für Kinder zu tragen", ahnte sie nicht, welchen Babyboom das nach sich ziehen würde. Ob die Karrieristen wegen ein paar Kindern nun zu Menschen werden oder geworden sind, die eine Ahnung davon haben, was es heißt, Verantwortung zu tragen, ist noch nicht erwiesen.

Für Babys im Schoß der Regierung spricht jedenfalls, dass sie ihren Erzeugern mehr Freude bereiten als Mitmenschen im kritikfähigen Alter. Das war wieder einmal aus einem Porträt zu schließen, das "Die Presse" Mittwoch von dem Neos-Abgeordneten Helmut Brand stätter malte. Früher war er Chefredakteur des "Kurier". Nun scheint seine Motivation der Sturz von Sebastian Kurz zu sein. Neben der Rettung der EU. Beides Ziele, für deren Erreichung sich Brandstätter die Latte ziemlich hoch gelegt hat. Es soll nämlich so gewesen sein: Sebastian Kurz habe ihm seinerzeit, als er noch "Kurier"-Chef war, zu verstehen ge geben, dass er seine Unterstützung erwarte. "Du bist mein Freund oder mein Feind", soll Kurz gesagt haben. Und im weiteren Verlauf des Gesprächs soll Kurz noch mehrmals gefragt haben: "Wieso magst du mich nicht?"

Die Antwort dürfte des Kanzlers Liebesbedürfnis nicht befriedigt haben, und seither sieht sich Brandstätter als Opfer des "Systems Kurz". Seine Ablöse als Chefredakteur des "Kurier" schiebt er auch ihm zu. Seine Nachfolgerin beim "Kurier" schrieb Meinl-Reisinger, sie sei keineswegs eine Vertraute von Sebastian Kurz. Als baldiger Vater wird er damit leben können. (Günter Traxler, 29.8.2021)