Manfred Schmid ist zumindest bis 2023 für die Austria als Cheftrainer tätig. Vielleicht werden daraus auch zehn Jahre. Er hat ja das Gen.

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Manfred Schmid sagt, Visionen seien das Wichtigste im Leben. Das ist insofern verblüffend, als er seit Juni Trainer der finanziell gebeutelten Wiener Austria ist. Immerhin frönt sie nach wie vor dem professionellen Fußballsport. "Die Gesamtsituation ist schwierig, es gibt leichtere Aufgaben." Anderseits sei die Ausgangslage gar nicht so unangenehm. "Weil die Erwartungen niedrig sind." Andere Trainer fordern von Sportdirektoren permanent neue Spieler (ob sie welche bekommen, ist ein anderes Thema), bei ihm wäre der Ansprechpartner Manuel Ortlechner. "Diese Diskussionen fallen weg, ich kann ja nichts fordern."

Austria am Tabellenende

Der 50-jährige Schmid hat also seinen ersten Posten als Cheftrainer angetreten. Wobei er darauf Wert legt, schon beim SC Schwanenstadt alleinverantwortlich gewesen zu sein. Das war 2008, sozusagen im Jahre Schnee. In der Conference League ist die Austria am isländischen Klub Breidablik gescheitert, in der Bundesliga ist sie nach fünf Runden Zwölfter, das kling besser als Letzter. "Das geht eigentlich gar gar nicht", sagt Schmid. In seinem Fall lügt die Tabelle vielleicht doch. "Der Platz täuscht, die Leistungen waren weit besser als die Ergebnisse." Speziell das 2:2 zuletzt bei Sturm Graz war auch für objektive Betrachter erstaunlich. "Es geht darum, die Einzelspieler zu verbessern und die Mannschaft zu entwickeln. Das scheint zu gelingen."

Der Wiener Schmid hört gerne den Wiener Wolfgang Ambros, er ist mit dessen Liedern aufgewachsen. "Der Titel Langsam wochs’ ma z’amm passt zu unserer Situation. Das Umfeld ist bereits viele positiver gestimmt."

Schmid hat das Austria-Gen, was immer das auch sein mag. Es ist das Gegenteil des Rapid-Gens. Er hat zwischen 1990 und 2002 immerhin 224 Partien bestritten, meist im defensiven Mittelfeld. "Ich weiß, wie der Verein tickt." Und er hat die Philosophie intus. "Ich mag den Ballbesitzfußball, möchte das Spiel bestimmen. Einsatz- und Laufbereitschaft sind ja Selbstverständlichkeiten."

Eigene Ideen

Schmid ist in die erste Reihe getreten. Er ist kein Selbstdarsteller, kein Showman, "sondern ein Teamplayer". Es war nie geplant, immer nur Co-Trainer zu sein, "das wäre ein merkwürdiger Berufswunsch. Es hat sich lange so ergeben." Schmid war das Beiwagerl von Peter Stöger. 2012/13 wurden sie mit der Austria Meister, es folgten gemeinsame Jahre in Köln und bei Borussia Dortmund. "Ich habe nicht nur von ihm gelernt, er hat auch von mir profitiert." Ihm, Schmid, sei es wichtig gewesen, "einen eigenen Bereich zu haben. Ich konnte meine Ideen umsetzen. Was uns sicher verbindet, ist eine soziale Kompetenz."

Es ist eine Laune des Fußballs, dass Schmid bei der Austria ausgerechnet Stöger beerbt hat. Der sah keine Perspektiven, heuerte bei Ferencvaros Budapest an. "Er hat mir gratuliert." Schmid redet mit seinen Spielern viel. "Ich möchte sie genau kennenlernen, wissen, wie sie ticken, welche Probleme sie haben. Damit wir gemeinsam Lösungen finden." Stürmer Marco Djuricin hatte nach dem Scheitern in Island die Mannschaft öffentlich kritisiert, sie als unfähig dargestellt. "Mir hat das nicht gefallen. Aber mir hat gefallen, wie er selbst reagiert hat. Er wurde besser."

Private und sportliche Rückschläge

Schmid musste privat und auch sportlich viele Rückschläge verkraften, seine Eltern sind früh verstorben. "Ich hab gelernt, niemals anderen die Schuld zu geben. Ich arbeite hart am mir, versuche, besser zu werden."

Am Sonntag steigt in Favoriten das 333. Derby gegen Rapid, das erste für Schmid als Cheftrainer. Und er verblüfft ein weiteres Mal, weil es ihm widerstrebt, den Satz "Ein Derby hat eigene Gesetze" zu strapazieren. "Es geht um Fakten. Rapid hat Qualität, ist sehr stark, hat die Europa League souverän erreicht. Aber auch bei uns steigt das Selbstvertrauen." Die Austria konnte unter der Woche trainieren, Rapid musste in der Ukraine Luhansk 3:2 schlagen und regenerieren. "Sie können, müssen aber nicht müde sein. Auch wir hätten gerne den Stress, international zu spielen." Didi Kühbauer hat er als Aktiver mehrmals in Derbys bespielt, die beiden schenkten einander wenig. "Es war manchmal nicht jugendfrei, aber nach Abpfiff haben wir uns immer die Hand gegeben. Ich habe großen Respekt vor ihm, er hat sich als Trainer enorm entwickelt."

Keine Prognosen

Schmid hat Visionen. Und Ziele. Die Austria werde sich nicht dagegen wehren, das obere Playoff zu erreichen. "Großartige Prognosen gebe ich nicht ab." In etwa fünf Jahren sollte man wieder oben mitmischen. Er selbst könne sich durchaus vorstellen, noch einmal ins Ausland zu wechseln. "Ich hätte aber auch nichts dagegen, in zehn Jahren Austria-Trainer zu sein." Mögleichweise könne er dann Forderungen stellen.

Am Sonntag um 17 Uhr ist Derby. Kein gesetzloses, eines ohne eigene Gesetze. Schmid freut sich sehr. "Ein besonderer Moment. Wir haben alle Möglichkeiten." Ein Sieg würde das Zusammenwachsen beschleunigen. "Eine Niederlage würde uns nicht vom Weg abbringen." Schmid sagt, er durchlebe "eine geile Zeit". Man müsse ja nicht dauernd auf die Tabelle schauen. "Ich kenne sie ohnedies." (Christian Hackl, 28.8.2021)

Technische Daten und mögliche Aufstellungen

FK Austria Wien – SK Rapid Wien (Wien, Generali-Arena, Sonntag, 17.00 Uhr). Saisonergebnisse 2020/21: 1:1 (a), 0:0 (h)

Austria: Pentz – Teigl, Mühl, Handl, Suttner – Martel – Fischer, Fitz, Demaku – Pichler, Djuricin

Ersatz: Kos – Ivkic, Antovski, Braunöder, Grünwald, Jukic, Keles, Ohio

Es fehlt: Martins (Adduktorenprobleme)

Rapid: Gartler – Stojkovic, Greiml, Hofmann, Ullmann – Petrovic, Ljubicic – Schick, Fountas, Grüll – Kara

Ersatz: Strebinger/Hedl – K. Wimmer, L. Auer, Grahovac, Schuster, Arase, Knasmüllner, Kitagawa

Es fehlen: Schobesberger, Velimirovic, Dibon (alle bei Rapid II)

Fraglich: Strebinger (Schulter)

Derby-Gesamtbilanz: 332 Spiele – 119 Austria-Siege, 77 Unentschieden, 136 Rapid-Siege – Torverhältnis 528:617