Viel Geld fließt in die Hardware für Schulen, aber für die pädagogische Begleitung fehlt das Budget, kritisieren Experten.

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Der Zeitpunkt ist genau der richtige. Darin sind die vom STANDARD befragten Lehrerinnen, Schulleiter und Experten einig. Im Herbst werden erstmals annähernd flächendeckend österreichweit Laptops und Tablets an die fünften und sechsten Schulstufen geliefert.

Dank Corona sind die Lehrer, Schüler und Direktoren dem Wunschziel "digitale Schule" so nahe wie noch nie zuvor. "Es ist gut, wenn wir jetzt auf den Zug aufspringen, denn Lehrer sind grundsätzlich eher widerständig gegenüber Änderungen", sagt etwa eine Pädagogin, die an ihrer Schule für Digitales zuständig ist.

Die Ausstattung der Schulen mit Endgeräten ist einer von acht Punkten zur Digitalisierung der Schulen. 150.000 Geräte werden geliefert. Welche das sind und ob sie überhaupt mitmachen wollen, konnten sich die Schulen selbst aussuchen (siehe Wissen unten).

In den ersten fünf Wochen des neuen Schuljahrs soll die Auslieferung starten, Verzögerungen gibt es aber bereits. Die Vergabe der Microsoft-Tablets wurde neu ausgeschrieben, die betroffenen Schulen müssen noch warten. Und nicht nur diesbezüglich holpert es bei dem Mammutprojekt. Einige Schulen sind mit den Technikfragen überfordert und fürchten, nicht zurechtzukommen.

"Wir haben die ganze Bandbreite", sagt Klaus Himpsl-Gutermann, der das Zentrum für Lerntechnologie und Innovation an der Pädagogischen Hochschule Wien leitet. Es gebe Schulen, die bereits zuvor mit Tablets und Notebooks gearbeitet hätten, und solche, die sehr unvorbereitet in den Herbst gehen. "Manche Schulleiter haben sich nicht mit dem Kollegium abgesprochen", sagt Himpsl-Gutermann. "Da fühlen sich jetzt vielleicht einige überrumpelt."

Überfälliger Schritt

Das Angebot des Bildungsministeriums ist großzügig. Je nach Hersteller zahlen die Eltern der Schüler für die Geräte durchschnittlich hundert Euro. Alle Pädagogen an Bundesschulen bekommen die Laptops oder Tablets, an den Mittelschulen stellt der Bund drei Geräte pro Klasse zur Verfügung, den Rest sollen die Länder übernehmen. "Da sind viele Schulleiter natürlich in die Vollen gegangen", sagt Himpsl-Gutermann.

Der Experte für Digitales Lernen sieht die Initiative des Bildungsministeriums zwar positiv und längst überfällig, hat aber einen großen Kritikpunkt: "Es wird hauptsächlich in Hardware investiert", sagt er. Von den 250 Millionen Euro, die zur Verfügung stehen, fließen mehr als 90 Prozent in Geräte und Infrastruktur.

"Die Einführung der Tablets muss aber auch pädagogisch begleitet werden, und dafür fehlt nun Budget", sagt Himpsl-Gutermann. Eine qualitativ hochwertige pädagogische Begleitung für die Schulen ist aufwendig und teuer, würde sich aber auszahlen.

Die Direktorin einer Mittelschule in Wien fühlt sich trotz der Weiterbildungsangebote nicht ausreichend auf den Herbst vorbereitet. "Ich war auf einer Fortbildung, und schlussendlich war für mich immer noch die Frage offen, ob die Geräte nun tatsächlich dem Schüler gehören oder der Schule. Immerhin bespielt die Schule die Geräte zentral", sagt sie. Das Bildungsministerium betont, diese Frage klar beantwortet zu haben.

Mobile-Device-Management

Die Geräte gehören den Schülerinnen und Schülern, auch wenn die Schulen darauf zugreifen können und sollen. Dafür ist die Verwendung eines sogenannten Mobile-Device-Managements (MDM), zu Deutsch: Gerätemanagements, im Gesetz vorgeschrieben – eine Cloud-Lösung, mit der Laptops, Tablets und auch Smartphones aus der Ferne verwaltet werden können.

Das Bundesministerium stellt dafür zwei Systeme bereit: Microsoft Intune für Windows PCs, Tablets und Apple-iPads, und Google Workspace für Chromebooks. Schulen können auch andere Systeme implementieren, die sie dann aber selber bezahlen müssten. Der Einsatz eines MDM ist im "Bundesgesetz zur Finanzierung der Digitalisierung des Schulunterrichts" festgelegt und zwingend.

Kann die Schule mit der Fernverwaltung nun den Browserverlauf der Schüler sehen, ihre Geräteeinstellungen verändern oder gar auf private Fotos zugreifen? Die Antwort lautet: Nein. In der Theorie ermöglicht das MDM zwar eine solche umfassende Kontrolle über Dienstgeräte, für die Schülergeräte dürfte dies aber nicht der Fall sein. Die ausgelieferten Laptops und Tablets gehen in den Besitz der Schüler über und sollen auch im System als Privatgeräte gehandhabt werden.

Zugriffsrechte für Schulen

Wie das Bildungsministerium in einem Handbuch zum MDM vorgibt, wird den Schulen dabei nur eine Handvoll Zugriffsrechte eingeräumt. Es erlaubt die Installation von Unterrichtsanwendungen, die Fernwartung und Aktualisierung des Betriebssystems und die Löschung der Daten bei Verlust oder Diebstahl. Auf alles andere – persönliche Daten, Chatverläufe, private Apps, Einstellungen – hat die Schule keinen Zugriff.

Rechtlich geregelt ist diese eingeschränkte Verwaltung noch nicht. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen zur Datensicherheit sollen in einer Verordnung präzisiert werden, heißt es aus dem Bildungsministerium. In Sachen Datenschutz versichert man dennoch, dass man Cloud-Dienste nur dann verwendet, "wenn spezielle Datenschutzgarantien für den Bildungsbereich abgegeben wurden".

Davon abgesehen gewährt das Bildungsministerium den Einsatz einer sogenannten Classroom-Management-Software. Mit einem solchen Programm könnte weitreichender auf die Geräte der Schüler zugegriffen werden. Welches Programm zum Einsatz kommt und welche Eingriffe damit möglich sind, hat das Bildungsministerium nicht präzisiert.

Der Zugriff auf die Schülergeräte müsse allerdings aktiv sichtbar gemacht werden und dürfe auch nur für unterrichtsspezifische Zwecke und somit nur während der Unterrichtszeit, geschehen. Lehrerinnen und Lehrer, die außerhalb des Unterrichts auf die Schülergeräte zugreifen, werden strafrechtlich verfolgt.

Es bleibt an der Schule

Trotz dieser rechtlichen Vorgaben sind für die direkten Anwender nicht alle Probleme gelöst. "Die Eltern unserer Schülerinnen und Schüler haben nicht die Zeit oder das Wissen, um ihnen mit den Geräten zu helfen", sagt die Direktorin einer Wiener Mittelschule. Wer werde sich darum kümmern, wenn eine App nicht lädt, der Akku spinnt oder das Internet nicht funktioniert? "Das wird alles an uns hängenbleiben."

Die Schulleiterin betont, den Schülern gerne helfen zu wollen. Die Zeit dafür müsse aber vergütet werden. Zudem gebe es Bereiche, "die vertiefte IT-Kenntnisse verlangen, das überschreitet die Aufgaben des IT-Kustos an Mittelschulen um ein Vielfaches", sagt die Direktorin.

Gut vorbereitet fühlt sich hingegen das zuständige Personal an der Schule Anton-Krieger-Gasse im 23. Bezirk. Der Standort vereint Mittelschule, Realgymnasium und Oberrealgymnasium unter einem Dach.

Englischlehrerin Alicia Bankhofer ist für die Digitalisierung an ihrer Schule verantwortlich. Natürlich gebe es auch bei ihr Pädagogen, die wenig mit Digitalisierung am Hut hätten. "Wir zwingen niemanden dazu, die Geräte zu verwenden", sagt sie. Sie hofft aber, dass diejenigen, die für die bestellten Tablets brennen, andere Lehrer mit ihrer Begeisterung anstecken.

Rückendeckung hat sie dafür von Schulleiter Michael Fleck, der ebenfalls keinen Lehrer zur Gerätenutzung zwingen will. Die Fortbildung für die Tablets wird der Schulleiter seinen Lehrern aber verordnen. Als besonders positiv sieht er, dass dank der Initiative auch die Lehrer ein Gerät bekommen "Das ist ein Riesenzuckerl. Da wird sich wohl niemand verschließen." (Lisa Kogelnik, Tiana Hsu, 28.8.2021)