Dramatisch, wie es die alten Griechen liebten: Die Athener Schauspielerin Sophia Hill in der Soloperformance "Exodos".

Barbara Palffy

Mythisch und stimmungsvoll: Das Amphitheater in Carnuntum als Bühne.

Barbara Palffy

Man kennt das Prinzip aus dem schier unüberblickbaren Marvel-Superhelden-Universum: In der Avengers-Reihe werden Superhelden, deren Storylines ursprünglich für sich allein stehen, in eine gemeinsame Geschichte zusammengeführt. Eine ähnliche Supergroup formiert der griechische Theatermacher Theodoros Terzopoulos in seiner Bühnenkomposition Exodos. Sein Material sind aber nicht Hulk und Captain America, sondern Medea, Alkestes und Antigone, mythische Figuren, die gut 4.000 Jahre auf dem Buckel haben.

Einmalig kam Exodos nun im römischen Amphitheater im Rahmen des Welttheaterfestivals Art Carnuntum zur Aufführung. Dessen Gründer Piero Bordin ist dieses Jahr überraschend verstorben. Die Tochter des Antikentheaterpioniers, Constantina Bordin, führt das Festival nun als Jungintendantin mit gerade einmal 25 Jahren weiter.

Allzu viel Programm ist sich aufgrund der tragischen Umstände heuer noch nicht ausgegangen. Und doch ließ man sich ein Ausrufezeichen, dass es weitergehen soll mit dem Antikentheater in Österreichs wichtigster archäologischer Stätte, nicht nehmen: Es gab ein Symposion, eine Fotoausstellung zum Lebenswerk Bordins und eben Exodos – eine kurze, überaus impulsive Soloperformance, in der die Athener Schauspielerin Sophia Hill brillierte.

Expressives Körpertheater

Regisseur Terzopoulos, bekannt für sein körperlich expressives Theater, lässt Hill darin drei tragische Frauen der griechischen Mythologie in einem Stück darstellen. Medea, in jenem Verzweiflungsmoment, in dem sie beschließt, ihre Kinder zu töten und auszuwandern, um sich an dem betrügenden Ehemann zu rächen; Alkestis, die sich selbst opfert und zum Hades hinabsteigt, um ihre Familie zu retten; und Antigone, die zu Unrecht zum Tode Verurteilte, die wie Seneca und Sokrates ihr Unglück tapfer annimmt und am Ende in eine Höhle eingemauert dahinscheidet.

Ein schwarzes, wallendes Kleid, das im heuer etwas gar kühlen Abendwind beste Tragödienfigur macht – mehr Ausstattung braucht Sophia Hill für ihre Darbietung nicht. Beeindruckend, mit welcher Kraft und Erhabenheit sie die griechischen Originalverse wiedergibt, von der im Antikentheater wichtigen Gestik ganz zu schweigen.

"Exodos", dieses Wort, das "etwas hinter sich lassen" bedeutet, meint immer Übergang, Ende und Anfang zugleich. In dieser Form hat der Begriff nicht nur als traditioneller Schlussakt im altgriechischen Theater Karriere gemacht, er zieht sich über das Alte Testament bis ins Heute und in unser aller Lebenswelt. Egal ob in den multiplen aktuellen Großkrisen oder im Kleinen bei Art Carnuntum: Am Ende des Alten steht immer ein Neuanfang. Möge er gelingen! (Stefan Weiss, 28.8.2021)