Machen Facebook und Co. die Leute erst grantig und streitsüchtig? Laut der Untersuchung der Uni Aarhus ist dem nicht so.

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Könnte der Online-Troll, der eben noch in einem Forum oder sozialen Netzwerken alle Grenzen des zivilisierten Diskurses mit Anlauf gesprengt hat, "in Echt" eigentlich eine ganz nette Person sein? Einzelfälle, etwa wenn Journalisten ihre größten "Hater" besuchen, scheinen der sogenannten "Diskrepanzhypothese" Recht zu geben.

Sie besagt, dass Menschen sich unterschiedlich an Kommunikationsumgebungen anpassen. Im Kontext des oft anonymen Austausches im Netz soll dies dann dazu führen, dass manch ruhiger und höflicher Mensch online plötzlich zum verbalen Berserker wird, weil er sein Gegenüber meist nicht kennt und ihm auch nicht von Angesicht zu Angesicht gegenüber steht. Zumindest die öffentliche Meinung bildet eine Wahrnehmung ab, in der speziell politischer Austausch im Web als deutlich feindseliger wahrgenommen wird, als abseits des Netzes.

Wenig Unterschiede zwischen Off- und Online

Eine Untersuchung der Universität Aarhus (Dänemark) zieht diese vorsichtig-optimistische Annahme nun allerdings in Zweifel, berichtet Engineering & Technology. Die Forscher haben sich repräsentative Umfragen und Verhaltensstudien aus Dänemark und den USA angesehen. Die grobe Zusammenfassung: Das Verhalten im Netz spiegelt weitgehend auch das Gebaren in der nicht-digitalen Welt wider.

Das heißt: Wer bereits offline dazu neigt, aggressives Verhalten zu zeigen, um seinen Status zu festigen oder einen besseren zu erreichen, gibt sich auch in Online-Diskussionen als eher unguter Zeitgenosse. Die vorgetragene Unfreundlichkeit wird also nicht erst durch das digitale Umfeld ausgelöst, sondern ist eine selbst gewählte Verhaltensstrategie. Dass man das Gesicht des Gegenübers nicht sieht und die der schnelle, geschriebene Austausch leicht zu Missverständnissen führen kann, spielt zwar eine Rolle bei Eskalationen, die bereits existierenden Persönlichkeitsunterschiede seien aber der weitaus stärkere "Treiber".

Mehr Sichtbarkeit für Aggression

Zudem gibt es Hinweise darauf, dass weniger feindselige Personen geringeres Interesse daran haben, sich im Internet über Politik zu unterhalten, während aggressivere Mitmenschen kein spezifisches Interesse zeigen. Folglich wären die oft heftigen Auseinandersetzungen in Kommentarbereichen, auf Facebook und anderen Plattformen zu politischen Themen eher keine Folge dessen, dass übellaunige Menschen sich diese Diskussionen gezielt suchen, sondern mehr dessen, dass Personen mit sanfterem Gemüt dort von sich aus seltener mitmischen.

Das Internet macht das Verhalten von Trollen allerdings sichtbarer. Off- und online fühlen sich Menschen zwar nicht so leicht persönlich angegriffen, im Internet bekommt man aber viel einfacher mit, wenn jemand anderer verbal attackiert wird, was ein wichtiger Grund dafür sein dürfte, dass Politikdebatten im Netz allgemein in Verruf gekommen sind. Feindseligkeit in Onlinebotschaften werde aber nicht generell übertrieben wahrgenommen.

Mehr Konsequenz gegen Hassrede nötig

Die Untersuchungsergebnisse in den USA und Dänemark ähneln sich sehr stark. Das ist insofern interessant, als dass beide Länder sich in Sachen politischer Strukturen und Stimmung doch deutlich unterscheiden.

Alexander Bor, Co-Author der Studie, ist der Ansicht, dass die Ergebnisse der Untersuchung ein Argument für die striktere Durchsetzung von Regeln gegen Hassrede sind. Denn aggressive Menschen würden sich nicht aus Ignoranz online bösartig verhalten, sondern seien sich durchaus bewusst darüber, was ihr Verhalten anrichtet. "Das ist ein Problem für die Demokratie, zumal soziale Medien in politischen Prozessen eine immer größere Rolle einnehmen", so der Forscher.

Die Studie wurde im Journal American Political Science Review veröffentlicht. Eine Preprint -Fassung ist auf PsyArxiv verfügbar. (gpi, 29.8.2021)