Stahlwerke gehören zu den größten CO2-Emittenten Österreichs. Für nachhaltigen Stahl gebe es durchaus Nachfrage, sagt Ökonom Wagner.

Foto: AFP

Bei kaum einem anderen Thema wird so oft Schuld herumgeschoben wie beim Klimaschutz. Sind es Betriebe, die sich endlich an der Nase nehmen müssen? Müssen wir alle weniger fliegen, fahren, konsumieren? Oder hat es schlicht die Politik verschlafen, strenge Klimaschutzgesetze zu erlassen?

Vor allem Letzteres, sind sich Aktivistin und Autorin Katharina Rogenhofer und Klimaökonom Gernot Wagner einig. Beim Europäischen Forum Alpbach diskutierten die beiden bei einer STANDARD-Session mit Nora Laufer über die Verantwortungsfrage in der Klimakrise.

"Zwar ist jeder kleine Schritt eine moralische Entscheidung", sagt Wagner. Wer sich entscheidet, klimafreundlich zu leben, würde dies außerdem oft nicht als Verzicht, sondern als Befreiung wahrnehmen. Trotzdem sei "definitiv die Politik gefragt", um die Klimaziele zu erreichen, "und zwar regional, national und global".

Rahmen schaffen

Sich klimakonform zu verhalten sei oft auch gar nicht so einfach möglich. "Wenn ich in einem Dorf ohne Öffi-Anbindung lebe, kann ich mich nicht dazu entscheiden, einen Zug oder Bus zu nehmen, den es nicht gibt", sagt Rogenhofer. Die Politik müsste daher auch die Rahmenbedingungen für ein klimafreundliches Leben schaffen, ist die Aktivistin überzeugt.

Individuelle Verantwortung will sie außerdem nicht auf persönliche Konsumentscheidungen verkürzt sehen. "Auf die Straße zu gehen, zu demonstrieren, auch das ist eine persönliche Entscheidung", sagt Rogenhofer. Die wichtigsten Entscheidungen hätten aber die Politikerinnen und Politiker zu treffen, die "an den großen Hebeln" sitzen.

Das oft vorgebrachte Argument, dass Österreich ohnehin nur einen winzigen Teil der weltweiten Treibhausgasemissionen verursacht, lässt Rogenhofer nicht gelten. Auch große Emittenten wie China könnten sich auf diese Denkweise immer weiter zurückziehen und so aus der Verantwortung stehlen.

Schalter umlegen

Statt sich als Vorreiter zu positionieren, hat Österreich als eines der wenigen EU-Länder seit 1990 nicht reduziert. Dabei sei der Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaftsweise für Wagner keine Frage des Obs, sondern des Wanns. Es müsste einen Moment geben, an dem wir Investments in fossile Anlagen endlich abschreiben. "Wir müssen den Schalter umlegen", sagt der Ökonom.

Das würde auch ökonomisch Sinn machen. So gibt es heute schon die Möglichkeit, klimaneutralen Stahl aus Grünstrom zu produzieren. In einer Zeit, wo viele Städte auf klimaschonendes Bauen setzen, gebe es dafür auch eine Nachfrage. "So wie viele Menschen mehr für Fairtrade-Kaffee zahlen, wird es auch beim Stahl sein", sagt Wagner.

Rogenhofer will Greenwashing mit strengeren Vorgaben für Umweltlabels einen Riegel vorschieben. Banken würden sich etwa teils als grün bezeichnen, wenn sie erneuerbaren Strom beziehen – aber trotzdem weiter in fossile Projekte investieren.

Atomkraft spaltet

Beim kontroversen Thema Atomkraft sind die beiden geteilter Meinung: Während Rogenhofer die hohen Kosten, langen Bauzeiten und unabsehbaren Umweltauswirkungen von Kernenergie kritisiert, kann sich Wagner in Einzelfällen durchaus mit neuen Atomkraftwerken anfreunden. Sogenannte Small Modular Reactors würden dort Sinn machen, wo die Alternative zum Kernkraftwerk ein Kohlekraftwerk oder Energiearmut wäre. Das sei aber eher in Asien und Afrika als in Österreich der Fall. (Philip Pramer aus Alpbach, 29.8.2021)