Angemessene Erinnerung an den 20. Juli 1944? Richard Scheibes Denkmal wird 1953 in Berlin aufgestellt.

Foto: DHM/Orgel-Köhne

Es war ein verräterisches Wort, mit dem Joseph Goebbels und Adolf Hitler höchstpersönlich im Jahr 1944, der Ausgang des Zweiten Weltkriegs war da schon ziemlich klar absehbar, eine Liste von Künstlern aufstellten, die auch vom "totalen Krieg" verschont bleiben sollten: 1041 "Gottbegnadete", von dem Bildhauer Arno Breker über den Dirigenten Wilhelm Furtwängler bis zu dem Schriftsteller Gerhart Hauptmann.

Aus Österreich war viel Schauspieladel berücksichtigt, zum Beispiel Hedwig Bleibtreu, Paul und Attila Hörbiger und Hans Holt. Qualifiziert waren die Hochbegabten durch eine göttliche Gnade, also durch ihr außergewöhnliches Talent. Doch im Grunde ließ das Wort von den "Gottbegnadeten" auch erkennen, wer im Dritten Reich eigentlich Gott war: der Führer und sein Mann für die Künste, der Propagandaminister Goebbels. Sie spielten Gott, indem sie Menschen, in den letzten Monaten auch noch viele Halbwüchsige, in den Krieg schickten und anderen ihre privilegierte Existenz bis zum letzten Moment sicherten.

Dilemma der Benennung

Die Liste der Gottbegnadeten macht ein wichtiges Detail der nationalsozialistischen Kulturpolitik aus. Sie ist bisher aber noch kaum systematisch behandelt worden. Eine Ausstellung im Deutschen Historischen Museum widmet sich der Thematik nun eingehend, und sie stellt gleichzeitig so etwas wie einen Reiseführer für eine ganz besondere Kunstreise dar.

Denn viele der relevanten Arbeiten waren Kunst im öffentlichen Raum, und man kann sie noch heute sehen. Oft werden sie kaum beachtet, dabei offenbaren sie doch Markantes über die Rolle der Kunst unter den Nazis und über die Schwierigkeiten, die Kreativität während dieser Jahre als Kollaboration zu erkennen und auch zu benennen. Und fast alle der Gottbegnadeten waren nach 1945 mehr oder weniger ungebrochen tätig, sodass sich aus den Werken der Ausstellung auch eine Landkarte der Kontinuität ergibt. Die Gottbegnadeten waren zum Teil bald auch prominent mit der Vergangenheitsbewältigung beschäftigt.

Ein interessantes österreichisches Beispiel ist das Kriegerdenkmal, das Josef Thorak 1952 in Rauris im Auftrag des Kameradschaftsbundes entwarf. Ein Brunnenbecken mit zwei trauernden Figuren unterhalb eines großen Kreuzes. Thorak war bis 1945 der neben Breker erfolgreichste Bildhauer gewesen, die Entnazifizierung überstand er problemlos, trotzdem war es wohl so etwas wie eine Geste der betonten Nichtdistanzierung von den Kriegsjahren, dass Rauris ihm diesen Auftrag überantwortete.

Noch bezeichnender ist der Fall von Rudolf Hermann Eisenmenger, der von 1939 bis 1945 als Präsident des Wiener Künstlerhauses agierte. Er galt danach doch als belastet – und wählte eine Strategie der Vorwärtsverteidigung. Er nahm bewusst an wichtigen Wettbewerben teil – und schaffte es, mit seinen Arbeiten die Jurys so zu überzeugen, dass deren Kriterien dadurch im Grunde kompromittiert wurden: "Da war natürlich Feuer am Dach, doch ich habe mich inzwischen sehr sicher gefühlt", wird Eisenmenger im lesenswerten Katalog zitiert.

Er hatte 1954 gerade die Ausschreibung des Eisernen Vorhangs der Staatsoper gewonnen. In dem Fall Eisenmenger zeigt sich ein gegenläufiges Moment zu der Entschuldungserzählung Österreichs rund um den Staatsvertrag: Das Land wollte einem bruchlosen 20. Jahrhundert zumindest ästhetisch die Treue halten.

Öffentliche Hände

Aus Deutschland könnte man Richard Scheibe hervorheben, der schon 1935 im Auftrag der IG Farben (also eines besonders nazinahen Großunternehmens) die Wiedereingliederung des Saargebiets in das Deutsche Reich künstlerisch feierte. Hitler und Goebbels persönlich zählten zu seinen Auftraggebern. Trotzdem wurde er nach dem Krieg sofort Professor in Berlin und arbeitete weiterhin für eine betuchte Klientel (etwa die Familie Reemtsma) wie auch für die öffentliche Hand.

1953 gestaltete er das Ehrenmal für die Opfer des 20. Juli 1944 im Hof des Bendlerblocks, wo zahlreiche Abteilungen der Heeresleitung ihre Dienststelle gehabt hatten und sich der Widerstand formierte. Ein derartig herausragendes geschichtspolitisches Denkmal hätte man später wohl nicht mehr in die Hände eines mindestens zwiespältigen Künstlers wie Scheibe gelegt. Die Liste der "Gottbegnadeten Künstler des Nationalsozialismus in der Bundesrepublik" erschließt einen wichtigen Übergangsbereich der Geschichtspolitik in einer sehenswerten Form. (Bert Rebhandl, 30.8.2021)