Foto: APA/Präsidentschaftskanzlei

Wien – Steigende Infektionszahlen bei zugleich sinkender Impfbereitschaft haben nun auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen auf den Plan gerufen. In einem am Sonntagabend veröffentlichten Videostatement ruft der Präsident die Bevölkerung dazu auf, sich gegen Covid immunisieren zu lassen: "Ich bitte Sie, nehmen Sie das Impfangebot wahr. Das ist ein kleiner Stich, dann hat sich’s schon." Mit einer Impfung schütze man nicht allein sich selbst, sondern auch sein Umfeld. Vor allem in Hinblick auf den nahenden Herbst appellierte Van der Bellen an die Österreicherinnen und Österreicher, "Teil der Lösung" zu werden und das Impfangebot zu nutzen.

Der Video-Appell des Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen, sich impfen zu lassen.
Alexander Van der Bellen

Die am Sonntag veröffentlichten Corona-Zahlen der Ministerien untermauerten die Botschaft des Präsidenten. Mit 1.415 Neuinfektionen in den vergangenen 24 Stunden lag man erneut über dem Schnitt der vergangenen sieben Tage (1.347). Zudem hat sich die Zahl der Intensivpatienten mit Covid in den vergangenen 14 Tagen verdoppelt und lag am Sonntag bei 112. Insgesamt 440 Patienten sind derzeit wegen einer Covid-Erkrankung im Spital.

Vierte Welle rollt schnell an

Sorgen bereitet vor allem der Vergleich zum Vorjahr. Denn der zeigt, dass die nahende vierte Welle deutlich früher an Fahrt aufnimmt als die im Vorjahr ungefähr zeitgleich gestartete zweite Welle. Am 29. August 2020 lagen die Neuinfektionen bei 395, die Zahl der Hospitalisierten bei 144, davon 30 auf der Intensivstation.

Auch die Zahl der Verstorbenen geht kontinuierlich nach oben. In der vergangenen Woche waren in Zusammenhang mit Corona 19 Todesfälle zu verzeichnen. Obwohl die Wirksamkeit von Impfungen gegen einen schweren Verlauf belegt ist, nimmt die Bereitschaft zur Immunisierung weiter ab. In der vergangenen Woche wurden österreichweit nur 95.089 Dosen verimpft, dieser Wert lag Anfang Juni noch bei knapp 150.000. Bislang haben 61,4 Prozent der Bevölkerung die Erstimpfung erhalten, 58,1 Prozent sind bereits voll immunisiert.

Mehr Mittel für Therapien

Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) kündigte am Sonntag im Rahmen des Europäischen Forums Alpbach an, dass über die Sozialversicherungen künftig pro Jahr 20.000 Therapieeinheiten mehr durchgeführt werden können. Hintergrund dafür seien Studien, die zeigen, dass sich die mentale Gesundheit der Bevölkerung durch die Pandemie verschlechtert habe. "Jedes dritte Kind, jeder dritte Jugendliche hat derzeit Probleme mit der mentalen Gesundheit. Wir müssen sie so schnell wie möglich effektiv unterstützen", sagte der Minister. Im Juli seien bereits zusätzliche 13 Millionen Euro für mehr psychische Unterstützung für Jugendliche in verschiedenen Ausprägungen fixiert worden, erklärte Mückstein.

Das Thema Impfen und wie viel Druck der Staat auf Impfverweigerer ausüben kann, stand auch im Zentrum der Videodiskussion "STANDARD mitreden", unter anderem mit der Virologin Dorothee von Laer, dem FPÖ-Politiker und Vizelandeshauptmann von Oberösterreich, Manfred Haimbuchner, sowie dem Public-Health-Experten Martin Sprenger und der Politikwissenschafterin Barbara Prainsack.

Haimbuchner für Impfung

Bei einigen Punkten gab es weitgehenden Konsens, etwa wonach eine 1G-Zutrittsregel nicht richtig sei, sondern zumindest auch Genesene neben Geimpften mitumfasst sein müssten. Haimbuchner sprach sich generell strikt dagegen aus, Druck auf Ungeimpfte auszuüben. Die in der Verfassung garantierten Grundrechte haben für alle zu gelten – und zwar auch in der Pandemie, so Haimbuchner. Zugleich sprach er sich klar für Impfungen aus.

Dorothee von Laer, die am Wochenende in Interviews vor einem erneuten Lockdown warnte, sollten die Zahlen weiter ansteigen, plädierte im STANDARD-Videotalk für die 2G-Regel. Barbara Prainsack sprach sich auch dafür aus, aber nur in der Nachtgastronomie, alles andere sei eine zu weite Einschränkung. Heftig diskutiert wurde auch über eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen: Während Prainsack sich diese sich bei Lehrern vorstellen könnte, ist dies für Martin Sprenger eine der letztmöglichen Eskalationsstufen, davor könne der Staat noch viel mehr über Anreize und Werbekampagnen erreichen. (ars, szi, 29.8.2021)